GUITARS AGAINST CANCER II: Zürich, Kulturmarkt, 25.11.2006

Mit Stromgitarren die Krebshilfe unterstützen: Dem Lockruf dieser Idee folgten an diesem Abend DISPARAGED, DRIFTER, APOKATASTASIA, BACKWASH und CITIZEN:HELL.

Nicht nur Projekte wie METAL FOR MERCY zeigen, dass es sich bei Metallern nicht zwangsläufig um böse langhaarige Satanisten handeln muss, die stets auf der asozialen Seite des Lebens stehen – wie sich das mancher klischeegläubige Gutmensch so gerne denken möchte. So ging diesen Samstag das von Desirée Thomann ins Leben gerufene GUITARS AGAINST CANCER in die zweite Runde, und dieses Mal waren ihrem Ruf die Bands DISPARAGED, DRIFTER, APOKATASTASIA, BACKWASH und CITIZEN:HELL gefolgt, um mit ihrem Engagement die Schweizer Krebshilfe zu unterstützen. Wieder wurde der Konzertabend durch die Präsenz mehrerer Stände und einer Tombola, bei der man von Schweizer Bands gespendeten Merchandise gewinnen konnte, ergänzt. Anders als das letzte Mal hingegen, setzte das Organisationsteam auf eine zentralere Location und auf einen strafferen Zeitplan – so waren denn auch nur fünf Bands am Start.

Genau dieser straffere Zeitplan wurde mir denn auch zum Verhängnis, so dass ich die um 19 Uhr auftretenden Rümlanger Thrash Metaller CITIZEN:HELL versäumte und der Konzertreigen für mich mit den Rockern von BACKWASH begann. Diese gingen gleich energiegeladen zu Werk und das Gefühl, irgendwie in einem Konzertsaal in den 80er-Jahren gelandet zu sein, war stets präsent. Das Quintett lieferte ehrlichen Rock`n`Roll, bei dem nicht selten das gewisse MÖTLEY CRÜE-trifft-auf-GUNS`N`ROSES-Feeling aufkam. Der leicht androgyn wirkende Fronter führte sympathisch durch das Programm, welches mit Songs wie Leglesss, My Good & Bad, She`s Rock `n Roll, No Gun, No Fun, Infected, Bomb Fire oder Highroller aufwartete. Nicht nur bei Titeln wie Hollywood oder das mit Mitsing-Chor versehenen One More Dollar wurde offensichtlich, dass BACKWASH in Sachen Lyrics 1:1 dem amerikanischen ABC für Rocker folgten. Denn abgesehen von den Ansagen auf Schweizerdeutsch frönte man überdeutlich dem amerikanisch inspirierten Rockklängen, welche mit dem entsprechenden Posing epochengerecht dargeboten wurden. Obschon das Soundgewand des Ganzen etwas dumpf ausfiel, lieferten die Schweizer eine gute Show ab, welche manch einen die ganzen neuen Genreplagen im Rockbereich vergessen ließen – ein Innovationspreis wurde hier schließlich auch nicht angestrebt.

Nach einer kurzen Umbaupause betrat mit APOKATASTASIA eine Formation die Bühne, welche schon viel eher einen gewissen Ehrgeiz in Sachen Innovationspreis an den Tag legt. Dank dem bandeigenen Mischer This waren die Winterthurer in Sachen Sound etwas besser unterwegs als ihre Vorgänger, obwohl auch hier schnell klar wurde, dass die Anlage als solches dem hohen Raum des Kulturmarktes kaum gewachsen war. Hatten BACKWASH ihre 45 Minuten mit gemütlichen zehn Songs gefüllt, standen bei APOKATASTASIA – wenig verwunderlich – gerade mal halb so viele Tracks auf der Setliste. Zwar hatten die Jungs weniger Zeit als bei ihrem Gig mit KLABAUTAMANN, aber innerhalb der vier Songs Irony, Apokatastasia, Mushroom und Greekfire machten die Winterthurer sehr klar, wie abwechslungsreiche, progressive Instrumentalmusik klingen kann. Gewohnt komplex und kompetent ging die Band an ihre Materie, welche mit wehmütigen Cello-Passagen à la APOCALYPTICA auf düsteren, verschlungenen Pfaden wandelte. Traumwandlerisch sicher präsentierte sich hier das Zusammenspiel, besonders die beiden Gitarristen Kürsti und Milan schienen durch einen unsichtbaren Draht in ihren Duetten verbunden zu sein. Grunzer, Schreie und gesprochene Vocals betraten äußerst selten die Klanglandschaft, und wenn, dann als eine Art kostbares Gewürz, welches nur selten genossen werden soll. Im gut gefüllten Saal ließen sich alsbald auch einige Besucher ausmachen, die sich ob der Musik in eine Art Trancezustand begaben. Zwar wirkten APOKATASTASIA etwas statischer, der Überzeugungskraft ihrer Musik tat dies indes keinen Abbruch, so dass als Zugabe noch Ronos zum Besten gegeben wurde.

Danach war es Zeit für eine wahrhaft seltene Erfahrung. Nach 15 Jahren Versenkung stand die Live-Auferstehung der 80er-Jahre Institution DRIFTER auf dem Programm, also eine wahrhaftige Zeitreise, inklusive Backdrop mit dem Logo, das damals noch von Tom Warrior und Martin Ain (CELTIC FROST) entworfen wurde. Und dieses Erlebnis ließ auch diejenigen in Publikum erwachen, die wohl noch damals erleben durften, dass DRIFTER auf der Hard`n`Heavy-Seite der BRAVO erwähnt wurden – zu einer Zeit, als es diese Rubrik noch gab und sie diesen Namen auch verdiente. So war denn auch die Ankündigung, man werde nur Songs der Scheiben aus den 80er-Jahren spielen und ein neues Album sei erst 2007 aktuell, beinahe überflüssig. Was folgte war ein Ausflug in die frühen Thrash-Tage mit ordentlich Heavy Metal-Anteilen. Parallelen zu den alten Zeiten von EXODUS, TESTAMENT, JUDAS PRIEST oder MANOWAR schlichen sich in den DRIFTER-Sound und führten zu Bewegung im Publikum. Die Gitarrenläufe perlten als wäre es noch immer 1986, der neue Bassist Gabor fügte sich passend ins bestehende Gefüge ein und das teilweise gepflegte Posing mit Retro-Charme saß ebenfalls. Der einzige Wehrmutstropfen lag im Gesang. Dieser wurde wiederum durch den schlechten Gesamt-Sound benachteiligt und wirkte zeitweise dem Überschlagen nahe. Andererseits merkte man halt einfach bei den Vocals, dass DRIFTER nicht mehr so jung wie in den 80er-Jahren sind und 15 Jahre Bühnenabstinenz nicht einfach so an einer Band vorüber gehen. Zwar führte Fronter Tommy Lion stilecht durchs Programm und vergaß auch nicht, die Wichtigkeit des Anlasses zu betonen, aber bei einigen cleanen Parts oder hohen Schreien wurde klar, dass manche Rockröhre das Altern nicht ohne hörbare Zeichen übersteht. Dies tat seinem energiegeladenen Auftreten jedoch wenig Abbruch, und die positiven Reaktionen aus dem Publikum auf Songs wie So much blood, Strontium Dog, Highlander, Elder, Banners on the Battlefield, Burning Circle und Principle of Speed machten klar, dass ein Titel wie We can´t be beaten sehr wohl ernst genommen wird von der Schweizer Truppe – und es einfach dazugehört, dem Gitarristen mal die Bühne zu überlassen, damit er sein typisches Solo mit intensiven Jammerhaken-Einsatz präsentieren kann. Die frenetischen Zugaberufe gaben der Retrovorstellung Recht und so schlossen DRIFTER ihr Set mit ihrer Hymne Reality turns to Dust ab – und bedankten sich anschließend beim Publikum mit einer Bandverbeugung, wie man sie heute nur noch selten sieht. Old School halt.

Kurz nach Mitternacht war es dann an DISPARAGED, den Konzertreigen abzuschließen. Leider wurde bei den Death Metallern das Soundproblem wieder mehr als offensichtlich und die Assoziation Brei war wiederum nicht weit. Dieser Missstand ließ sich denn auch zeitweise in den Gesichtern der Saitenfraktion ablesen, dennoch bemühten sich die Schweizer durchwegs, das Beste aus der Situation zu machen und einen guten Auftritt hinzulegen. Nach dem Opener Testify boten Basser Adrian und Kuzmic zu Beginn von Overlust ein Growl-Kreisch-Duett, das gleichnamige Album wurde auch noch mit Bored Beyond Belief und Conqueror Of The Apocalypse in der Setliste berücksichtigt. Der Schwerpunkt lag natürlich auf dem aktuellen Blood Source, von welchem die Songs The Plague, Born In Waste, Banished, Saviour und Impetuous präsentiert wurden. Mit Salvation und dem abschließenden Blood Stained Hands fanden sich dann auch noch zwei Zeugen der Deathtrap-Ära an diesem Abend ein. Wie gewohnt brachten DISPARAGED mit ihrer Coverversion von SLAYERs Hell Awaits das Publikum zu noch mehr Aktivität. Die zweite Coverversion wurde von den Schweizern in der Tat passend zum Thema des Abends gewählt, denn DISPARAGED entschieden sich dazu, Chuck Schuldiner mit einem DEATH-Cover von Lack of Comprehension zu ehren. Trotz der Soundschwierigkeiten war die technische Kompetenz der Band wie gewohnt nicht zu überhören. Drummer Heinz (EMBALMING THEATRE) zementierte mit abwechslungsreichem, komplexem Spiel und schönster Jazz-Stickhaltung wieder einmal seinen Ruf als exzellenter Trommler. Die Basslines saßen ebenfalls, obschon sich Basser Adrian während des Auftritts noch von seinem ausgestiegenen Wireless verabschieden und sich wieder ans Kabel legen lassen musste. Das Gitarristeduo Kuzmic und Ralf waren vom Soundproblem ärger betroffen, worunter die Feinheiten und Frickelspielereien zu leiden hatten. Diese Stolpersteine offenbarten indes auch die herrschende Professionalität bei den Schweizer Deathern, die sich gewohnt brachial durch ihr Set zockten…

Fazit: Der Schwachpunkt des Ganzen lag an diesem Abend lediglich im soundtechnischen Bereich, da die PA-Anlage der Höhe und Größe des Raumes – der noch dazu vom akustischen her nicht optimal für solche Anlässe ist – nicht gewachsen war und die Darbietungen der Auftretenden von diesem Umstand überschattet wurden. Einzig APOKATASTASIA konnten dank eigenem Mischer hörbar wirksame Schadensbegrenzung betreiben, allerdings sind Bands mit stets mitreisendem Privatmischer eine Rarität im Underground. Alles in allem war die zweite Ausgabe des GUITARS AGAINST CANCER jedoch ein gelungener Anlass, der im organisatorischen Bereich klar zulegen konnte im direkten Vergleich zum letzten Jahr und nächstes Jahr hoffentlich zum dritten Mal ausgetragen wird.