Der Erfolg gibt VISIONS OF ATLANTIS Recht: Die Seeräuber-Chose ist im Fall der Österreicher mehr Gimmick als Identität und doch war eine Fortsetzung nach dem Erfolg von „Pirates“ (2022) wohl der einzig logische Schritt nach vorne. Mit dem Freibeuter-Leben hat die Formation abseits ihrer stilisierten Bühnenklamotten ja sonst wenig am Hut: Eingängiger und dadurch entsprechend gut verdaulicher Symphonic Metal steht auf dem Programm, wobei der Fokus ganz klar auf der Verträglichkeit liegt. Auftritte im ZDF-Fernsehgarten sind somit ebenso möglich wie der letztjährige Raubzug „Pirates Over Wacken“ (2023).
Warum denn auch nicht auf beiden Hochzeiten tanzen? Eine Erfolgsstrategie, die sich zuvor auch bei anderen Bands aus gleichem Stall bezahlt gemacht hat. Diesen Spagat zwischen Metal- und Massenpublikum meistert „Pirates II – Armada“ folglich mit ähnlicher Leichtigkeit wie FEUERSCHWANZ, DOMINUM, ANGUS MCSIX oder weitere Kollegen aus dem Napalm-Roster, ohne dabei jedoch vor bekannten Tücken gefeit zu sein.
Orchestraler Bombast und liebliche Melodien sind auf „Pirates II – Armada“ Trumpf
So mag das unbeschwerte „Magic Of The Night“ dem Folk-Spirit nacheifern, den NIGHTWISH beizeiten so leichtfüßig heraufbeschwören, ohne aber deren andersweltliche Magie einfangen zu können. An anderer Stelle fehlt VISIONS OF ATLANTIS die Bereitschaft, auch mal den Fuß von der Bremse zu nehmen. Wenn beispielsweise „Monsters“ mit unheilvoller Atmosphäre kokettiert, ist das Resultat schlussendlich näher an Disney denn an düsterer Freibeuter-Realität. Orchestraler Bombast und liebliche Melodien sind stets Trumpf, so dass letztlich der Eindruck eines schön zurecht gestriegelten Konsens-Albums bleibt: Metal for the Masses und damit auch jene, die ansonsten mit der härteren Gangart wenig anfangen können.
Das ist selbstverständlich mehr als legitim, hält die Band jedoch hin und wieder auch hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die folkloristischen Anleihen des tanzbaren „Tonight I’m Alive“ werden auf diese Weise in ein ähnliches Korsett gedrückt wie das restliche Material, anstatt die Extreme des eigenen Sounds auszuloten. Leider nimmt das „Pirates II – Armada“ ein wenig Dynamik, da VISIONS OF ATLANTIS letztlich immer zum gleichen Erfolgskonzept zurückkehren. Was im Einzelfall am Beispiel des zielgerichteten Titelstücks wunderbar funktioniert, verliert im Gesamtkontext bald an Faszination.
VISIONS OF ATLANTIS gehen kein Risiko ein
Zwar müht sich das Quintett mit der Ballade „Ashes To The Sea“ um Abwechslung, letztendlich bleiben die Melodiebögen aber auch hier zu gefällig, um uns wirklich zu berühren. Schade ist das insofern, da sowohl Clémentine Delauney als auch Michele Guaitoli gesanglich eine durchweg starke Performance abliefern und dabei zudem prächtig miteinander harmonieren. Ein guter Schuss Dramatik sorgt im siebenminütigen „Where The Sky And Ocean Blend“ immerhin für einen würdigen Abschluss, wodurch „Pirates II – Armada“ zumindest die seichten Gewässer mit sicher geführter Hand am Ruder dominieren. Nur kühnen Blicks in die offene See zu stechen, das trauen sich VISIONS OF ATLANTIS im Tausch für den wohlig-ruhigen Seegang des heimatlichen Hafens auch diesmal nicht so recht.
Veröffentlichungstermin: 05.07.2024
Spielzeit: 53:16
Line-Up
Clémentine Delauney – Vocals
Michele Guaitoli – Vocals
Christian Douscha – Guitar
Herbert Glos – Bass
Thomas Caser – Drums
Produziert von Felix Heldt, Jacob Hansen (Mix und Mastering)
Label: Napalm Records
Homepage: https://www.visionsofatlantis.at/
Facebook: https://www.facebook.com/visionsofatlantisofficial/
VISIONS OF ATLANTIS “Pirates II – Armada” Tracklist
1. To Those Who Choose to Fight
2. The Land of the Free
3. Monsters (Video bei YouTube)
4. Tonight I’m Alive (Video bei YouTube)
5. Armada (Video bei YouTube)
6. The Dead of the Sea
7. Ashes to the Sea
8. Hellfire
9. Collide
10. Magic of the Night
11. Underwater
12. Where the Sky and Ocean Blend