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UPRISING: III

W. von WALDGEFLÜSTER ist nicht nur naturverbunden, sondern auch verdammt wütend und empört – und das lässt er raus bei seinem zweiten Projekt UPRISING. Ob’s für den großen Aufstand reicht?

Jaja, die Welt, in der wir leben: Den meisten in der Metal-Szene vor sich hin lebenden Menschen erscheint sie als nicht unbedingt ideal. Die einen sehnen sich zurück nach „besseren Zeiten“ (mit allen negativen Begleiterscheinungen, die so etwas gerne mal mit sich bringt), die anderen direkt in eine Fantasie-Welt, und viele verlieren sich im Selbsthass und in der Innerlichkeit. Ein ganz paar wenige jedoch verstehen sich als politisch und wollen ein bisschen die Welt retten.

Explizit linke Künstler gab und gibt es vor allem in der Thrash-Szene, und so verwundert es nicht, dass auch UPRISING, ein Projekt von WALDGEFLÜSTER-Künstler „Winterherz“, musikalisch in erster Linie in dieser Ecke zu verorten ist – zwar mit ordentlich Black-Metal-Elementen gespickt, aber „III“, das – genau – dritte Werk des Bayern, hat musikalisch und atmosphärisch mehr mit neueren KREATOR gemein als mit irgendeiner Ausprägung aktuellen Black Metals.

Und so krächzt, grölt, schimpft und singt sich W. auf diesem Werk durch sechs recht lange Epen linkspolitisch bewegter Empörungsmusik: Da wird nach Vermögenssteuer gerufen, die Vorherrschaft der Alten Weißen Männer beklagt, die Gier der Reichen verdammt, die Verantwortungslosigkeit der Herrschenden gegenüber dem Klima gescholten und der breiten Masse vorgehalten, dass sie sich über die falschen Sachen empört.

„Tax the rich“ statt „Eat the rich“

Klar, solche Musik ist genau dafür da zu vereinfachen und seine Wut herauszuschreien, und ich finde es äußerst sympathisch, relativ große Namen der Black-Metal-Szene (Austin Lunn von PANOPTICON trommelt auf diesem Album, und das klingt wie gewohnt großartig!) in einem linken Rahmen zu sehen, aber ich kann mir nicht helfen, ich finde die Kombination aus Moralismus, linksliberalen Politikvorschlägen und aggressiver Musik irgendwie unfreiwillig komisch: Warum z.B. „tax the rich“? „Eat the rich“ hatte mehr Biss, irgendwie! Und das unglaublich geile Plattencover hat da doch auch mehr versprochen?

In „A Message to the Hypocrites“ jedoch haut W. endlich richtig auf die Kacke, indem er all den „besorgten Bürgern“ dieses Landes, die ihren Lebensstandard als gottgegeben betrachten und nicht angemessen würdigen, dass er auf Kosten großer Teile der Weltbevölkerung geht, ein gepflegtes „FUCK OFF“ entgegen schreit. Inhaltlich irrt W. allerdings: Diese Leute sind keine Heuchler in dem Sinne, dass sie ihre Verantwortung nicht wahrnehmen würden – diese Leute sind Nationalisten (oder „Patrioten“, wie sich auch gerne nennen, jedenfalls überzeugte Staatsbürger, die in ihrer Nation ihr Heil sehen und suchen): Sie wollen ihren jämmerlichen Wohlstand, ihre Drei-Zimmer-Küche-Bad, gegen den Rest der Welt durchsetzen – und genau deshalb sollen die Flüchtlinge auch immer bitteschön woanders hin oder am besten gleich draußen bleiben. Darin sehen sie ihre Verantwortung, darin nehmen sie sie wahr.

Das Gleiche gilt für die Herrschenden, die Reichen, selbst die Alten Weißen Männer: Wenn die etwas zu ihrem Vorteil bzw. zum Vorteil ihres Staates durchsetzen, dann tun sie das nicht, weil sie verkommene, böse Menschen wären, die aus Spaß an der Freud etwas Gemeines tun wollen. Nein, sie tun das aus wohlüberlegter Verantwortung ihrem Staat, ihrer Firma, ihrer Familie gegenüber. Und das bedeutet in letzter Konsequenz, dass diese Institutionen als solche bereits schädlich sind für die allermeisten Menschen, denn die allermeisten Menschen kommen darin mehr schlecht als recht weg.

UPRISING machen Musik für Idealisten

Dieser Idealismus – eigentlich wäre die Welt ganz in Ordnung, wenn nur die ganzen moralisch verkommenen Leute darin nicht ständig so viele böse Entscheidungen treffen würden! – zieht sich wie ein roter Faden durch das neue Werk von UPRISING, und natürlich ist die Enttäuschung, die daraus folgt, ein prima Nährboden für die Wut, die in ihm steckt und die darin nun wirklich formvollendet zum Ausdruck kommt. Wenn ich diese Enttäuschung aber nicht teile, sondern im Gegenteil doch genau weiß, dass die beklagten Missstände – die Zerstörung der Lebensgrundlagen von Mensch und Tier durch die Erderwärmung, die Anhäufung von Reichtum in den Händen weniger, Rassismus in den Köpfen und Händen der Leute usw. – ihre Ursachen im System und nicht in der moralischen Verkommenheit seiner Protagonisten haben, ich also diese Ursachen auch angehen möchte und nicht in erster Linie die „Schuldigen“ bestrafen – dann läuft diese Wut ins Leere.

„III“ ist anspruchsvoller Black/Thrash par excellence

Übrigens tut sie das auch bei W.: Mit „Raise A Glass“, dem m.E. besten Song des Albums, gibt es hier nämlich noch einen Ausdruck eines auch mir nicht ganz unbekannten Gefühls zu hören, des Gefühls der Resignation angesichts einer schier übermächtigen Scheißwelt, in der es für den Einzelnen nichts weiter zu tun gibt als sich mal ordentlich die Kante zu geben. Klingt ungesund, ich weiß! Deshalb empfehle ich es auch nicht, denn seien wir mal ehrlich, bei aller Kritik an den Grundlagen des Systems, in dem wir leben, ist doch das konkrete Leben jeden Tag niemals ohne Lichtblicke – aber wem sag ich das. Und auch mein Hinweis, dass das „Wir“, welches W. In „Raise A Glass“ besingt („Wir sollten uns anstrengen die Erde zu retten anstatt unseren Wohlstand zu vermehren“), ein fiktives ist – als Lohnarbeiter habe ich keine Verträge damit, „meinen Wohlstand zu vermehren“, sondern ich geh arbeiten, um jeden Tag was zu essen zu haben! -, wird ungehört verhallen.

Im Gegensatz zu „III“, denn von derartigen Überlegungen unberührt bleibt die musikalische Klasse dieses Werks: Das dritte Album von UPRISING ist anspruchsvoller Black/Thrash Metal par excellence, mit einem unglaublich mitreißenden Drumming (ich könnte mir Lunns Schlagzeugspiel ja auch ganz ohne weitere Instrumente anhören, so gut finde ich es!), angenehm variablem und kraftvollem Gesang und ein paar richtig geilen Ohrwürmern. Die Produktion hätte noch etwas mehr Wumms vertragen können, aber so wie sie jetzt ist, verströmt sie natürlich auch noch genau den Old-School-Vibe, dem der ein oder andere Metal-Liebhaber sicherlich auch alles andere als abgeneigt ist.

(Und wer sich ebenfalls an den Texten abarbeiten will, sie sind zu lesen auf der Bandcamp-Seite von UPRISING.)

Spielzeit: 40:24 Min.

Veröffentlichungsdatum: 19.7.2024

Label: AOP Records

UPRISING “III” Tracklist

1. Eternal Mantra (Audio bei YouTube)
2. Uprise III
3. Raise a Glass
4. A Message to the Hypocrites
5. While the World Is Burning (Audio bei YouTube)
6. Brace Yourself