TONY NAIMA & THE BITTERS: Dismember

Coverversionen, die wirklich überraschen und überzeugen.

Mit Coverversionen zu punkten ist beinahe genauso schwer, wie mit eigenen Songs zu überzeugen. Denn spielt man ein Original möglichst genau nach, ist dies kein Garant für eine qualitativ gute Coverversion – logisch, live mag es ankommen, Songs von Bands, die entweder nie live auftreten oder bereits verblichen sind, möglichst originalgetreu zu präsentieren. Doch warum soll man sich ein solches Cover auf einem Album anhören, wenn man sich genauso gut das Original reinziehen kann? Die andere Variante ist natürlich, dass man der Neuinterpretation seinen eigenen Stempel aufdrückt und zeigt, dass auch in einem DESTINY`S CHILD-Track Metalpotential steckt, wenn man mit den verzerrten Stromgitarren ordentlich rübermäht. Die Reaktionen auf die zweite Art der Coverversion ist sowohl live als auch auf einem Album schwerer abzuschätzen – denn sie reichen von Blasphemievorwürfen seitens puristischer Fans bis zu Lob für den eigenständigen, alternativen Blickwinkel auf existierende Kompositionen. Und genau dieser Zweischneidigkeit setzen sich auch TONY NAIMA&THE BITTERS mit ihrem innovativen Werk aus.

Der Albumtitel verrät, an welchen ihrer Landsmänner sich die Schweden vergriffen haben: DISMEMBER. Und dennoch kommt ihr Album rein klanglich ohne einen Funken Death Metal aus. In einer guten Produktion wandeln TONY NAIMA und seine Kumpanen auf Pfaden, wo statt Todesmetall eher melancholische Streicher, Blues und Country zu Hause sind. Sei es ein kurzer melodiöser Fingerzeig zu EAST 17 zu Beginn von Of Fire, eine Parallele zu den späten BEATLES-Zeiten in In Death`s Cold Embrace, oder die Countrystimmung in Where Ironcrosses Grow – weit, sehr weit ist diese Darbietung vom ursprünglichen Musikgenre entfernt. Folgerichtig schweifen die Erinnerungen dann auch eher zur Atmosphäre eines TOM WAITS, zum Arizona Dream-Soundtrack, zu den ruhigen Minuten von CREDENCE CLEARWATER REVIVAL oder aber zur düsteren Countryformation 16 HORSEPOWER. Denn selbst wenn hier zeitweise die Rede von Country ist – hier ist die nachdenkliche Variante am Werk, also kein Kühe-Einfangen, keine pinken Cowgirl-Hüte und keine DIXIECHICKS-Mucke.

Trotz des Befremdens, welches Dismember zu Beginn auslöst: das Experiment ist letzten Endes erfolgreich. Wenn zu Dreaming In Red verträumt gewalzert wird und eine Songzeile wie take my fuckin` life plötzlich in einem romantischen Licht erscheint, wenn Let The Napalm Rain zur Ballade wird und die Titelzeile zur Liebeserklärung – dann schaffen TONY NAIMA & THE BITTERS, was das gelungene Frontcover verspricht. Der knuffige Teddy, die unverzerrten Gitarren, die cleanen Vocals an der Oberfläche, der DISMEMBER-Faktor mit Blut, abgetrenntem Arm (unmöglich, dabei nicht an die berühmten Köpfe vom 92er Werk Pieces zu denken) und tödlichen Lyrics im Hintergrund – alles wird hier passend, ungewohnt und eigenständig in Szene gesetzt. Denn man merkt trotz der genrefremden Interpretation, dass TONY NAIMA und seine Kumpels sich mit viel Respekt für die Originale an dieses Projekt gewagt haben – und dabei auch von DISMEMBER aktiv unterstützt wurden. Somit ein frisches, gewagtes Werk, welches aufgeschlossenen Geistern wärmstens zu empfehlen ist. DISMEMBER-Fans sollten sich jedoch gut überlegen, ob sie in Dismember hineinhören möchten – nachher zu erklären, warum man es dennoch gut findet, dürfte nämlich schwierig werden.

Veröffentlichungstermin: 01.12.2006

Spielzeit: 37:30 Min.

Line-Up:
Tony Naima: Gesang
The Bitters: Instrumente

Label: Regain Records

Homepage: http://www.myspace.com/tonynaima

Tracklist:
1. I Saw Them Die (Intro)
2. Of Fire
3. In Death`s Cold Embrace
4. Crime Divine
5. I Saw Them Die
6. Dreaming In Red
7. Let The Napalm Rain
8. Where The Ironcrosses Grow
9. I Saw Them Die (+ Hidden Track: alternative Version von Where The Ironcrosses Grow)

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