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THE HYENA KILL: A Disconnect

Hoffnungsträger des Alternative Metal: THE HYENA KILL aus Manchester liefern auf ihrem zweiten Album melancholische Schmerzenshymnen, die jeden Moment in einer Supernova aus tonnenschweren Gitarren und aggressiven Screams explodieren können. Angetrieben vom variablen Spiel der Schlagzeugerin Lorna Bundell, haben sie mit „A Disconnect“ ein zuweilen sperriges, aber empfehlenswertes Kleinod aufgenommen.

Es gibt Alben, da fällt es schwer, sie in Worte zu fassen. Und deshalb möchte ich zunächst zitieren, was Promoterin Lisa Coverdale zu der Band im Promotext schreibt: „Das sind THE HYENA KILL, eine Band, die mit allerlei persönlichen Widrigkeiten und Tragödien zu kämpfen hatte und diesen Schmerz in das verwandelt hat, was Sie jetzt hören. Dies ist ihre bisher kathartischste Veröffentlichung. Schmerzhaft, roh und echt. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Band supporten, es von den Dächern schreien und über sie berichten, sie zum Essen einladen oder für eine Umarmung. Manchmal glaubt man einfach so sehr an eine Band, dass es innerlich schmerzt, und man alles dafür tun will, damit die Welt von ihnen erfährt.“

Das sind natürlich große Worte und -sicher-: Das mit der Umarmung ist in Zeiten von Corona vielleicht nicht die beste Idee. Es gehört zur Promo-Routine, dass Label und Promoter ordentlich auf den Putz hauen. Nur: Im Fall von THE HYENA KILL nimmt man Lisa die Begeisterung unbedingt ab. Denn das Quartett aus Manchester hat ein eigenständiges, gutes und überraschendes Alternative-Metal-Album geschaffen. Eines, das es dem Hörer nicht leicht macht. Zuweilen gar sperrig daher kommt. Aber so emotional und gewaltig klingt, dass man teils mit offenem Mund vor der Anlage sitzt. Songs, bei denen man sich fragt, warum die dazugehörigen Videos bei Youtube nur wenige tausend Klicks haben. Könnte diese Band groß werden? Ich denke schon.

„A Disconnect“: „An einem Tiefpunkt meines Lebens geschrieben“

THE HYENA KILL wurden 2012 von Sänger und Gitarrist Steven Dobb und Schlagzeugerin Lorna Blundell gegründet: zunächst als Duo, das sehr rotzigen und explosiven Rock’n’Roll spielte. Die Liebe zu Bands wie QUEENS OF THE STONE AGE, DEFTONES, HELMET und TOOL habe sie zusammengebracht, so heißt es im Promotext. Mittlerweile ist die Band um Gitarrist und Keyboarder Sam Jones und Bassist Charlie Seisay angewachsen. Und das ist keine schlechte Sache. Wo auf dem Debüt „Atomised“ von 2016 noch eine charmante Ungestümtheit vorherrschte, ist dank der neuen Mitstreiter nun Raum für mehr Nuancen, mehr Tiefe – für ein variableres und dichteres Soundbild.

Dabei tönt das Album schwer und düster. „Der Großteil des Materials wurde an einem Tiefpunkt meines Lebens geschrieben. Als Ergebnis kommt dieses Album mit einem Gefühl von Klaustrophobie und Endgültigkeit daher, als wäre man in einem Krankenhausbett gefangen, angeschlossen an lebenserhaltende Maschinen, unfähig, selbst zu handeln und der Situation zu entkommen, in der man sich befindet“, berichtet Sänger Steven Dobb. „Von den Traumata der Vergangenheit gefesselt sein, unfähig, sie abzuschütteln, bis man sich schließlich von ihnen erdrückt fühlt.“

THE HYENA KILL: Melancholie, raue Melodien – und gewaltige Gitarrenwände

Das ist die Ausgangssituation, aber so viel sei gespoilert: Es ist dem Können der Musiker*innen geschuldet, dass hier mehr geboten wird als ein zermürbender Trip in menschliche Abgründe. Das Album startet mit dem Intro „Septic“, ein fiebrig drönendes und unheilvolles Instrumentalstück. Doch schon der Opener „Passive Disconnect“ ist ein flotter Alternative-Rocker, in der Strophe eine flehende, melodische Stimme. Der Song wird vorangetrieben vom wuchtigen Drumming der Schlagzeugerin Lorna Blundell, die sich als Geheimwaffe des Albums entpuppt. Sie weiß genau, wann sie die Songs voranpeitschen muss, sie mit einem schweren Groove unterlegen – oder sich zurücknehmen, teils sehr komplexe Drum-Patterns spielt. Der Refrain bäumt sich auf, Sänger Dobb schreit sich den Schmerz aus den Leib, die Gitarren grooven schwer. Zum Ende hin steigert sich der Song immer mehr, wird aggressiver und giftiger: Vergleiche mit TOOL und DEFTONES sind hier nicht aus der Luft gegriffen.

Das folgende „Cauterised“ ist ein kleiner Hit, vielleicht der eingängigste Titel der Platte. Er beginnt sanft mit melodisch hallenden Gitarren, Sänger Dobb schluchzt und seufzt: bis sich auch dieser Song aufbäumt: im Refrain ein schwerer, hymnischer Doom-Rocker. Es wird deutlich, dass THE HYENA KILL bombastisch dröhnende Gitarrenwände lieben, Schicht auf Schicht übereinanderlegen. Wall of Sound, oder besser: Wall of Noise. Aber das ist nur ein Element. Immer wieder wird auch das Tempo rausgenommen, wird den Songs Raum gegeben, zeigen sich dezente Momente von Zartheit und Schönheit. Auf eruptive Ausbrüche folgt innere Einkehr. Die Gitarren zirpen und pluggern, bilden eine Art Echoraum, bis sie wieder Anlauf nehmen, in einer Lärmorgie explodieren.

THE HYENA KILL beherrschen das Spiel mit Dramatik und Energie

Dieses Spiel mit Dramatik und Energie ist es auch, das diese Platte so reizvoll macht. Und mitunter schwer zugänglich. Es braucht Zeit, die Details zu entdecken. Man muss bereit sein, sich in dem Malstrom aus Schmerz und Klaustrophobie zu verlieren. Aber es lohnt sich.

„Witness“ beginnt als melodische Rocknummer, Drummerin Lorna übernimmt in der Strophe den Background-Gesang. „Close Enough“ kommt im Refrain mit schwer groovenden Stoner-Rock-Gitarren daher. Und beide Songs steigern sich, enden in einer Kakophonie aus harschen Riffs und verzweifelten Schreien. „Thin“ setzt dann einen Kontrapunkt, ist eine herzzerreißend traurige Ballade, begleitet von einem Flügelhorn, Akustikgitarren und Streichern. „The Demons will always lie to you“, schluchzt Dobb.

Es folgt der zweiminütige Wutausbruch „Bleached“. Ein Punk-Rock-Song, oder mit den Worten des Sängers: „ein bösartiger Ansturm von Riffs und Shouting.“ Dobb schreit sich im Refrain die Kehle aus dem Leib. Hier klingen REFUSED und harsche MELVINS durch.

Die letzten Titel sind dann die ätherischsten – und progressivsten. „Glass Scene“ ist ein intimer und fast zartschmelzender Downer, melodisch flirrende Gitarren und kunstvolle Patterns, wenn hier auch der kakophonische Ausbruch fehlt, der viele andere Songs kennzeichnet: Fast kann man an Bands wie THE CURE denken. Doch schon bald springt einem die Hyäne wieder ins Gesicht. Zwar beginnt auch „Incision“ zunächst ruhig und in sich gekehrt, aber schon türmen sich die Gitarren wieder auf, um einen zu zermalmen und hinab in den Strudel zu ziehen. Das abschließende „Mire“ entlässt einen dann elektronisch fiebend in die kalte Nacht. Ein gelungenes Album, das Narben hinterlässt – möge Promoterin Lisa noch viele umarmungsfreudige Unterstützer*innen finden.

8,5 von zehn Punkten

Veröffentlichungstermin: 5. März 2021

Label: APF Records

Bandcamp: THE HYENA KILL

THE HYENA KILL “A Disconnect” Tracklist

1: Septic
2: Passive Disconnect
3: Cauterised (Video bei Youtube)
4: Witness (Video bei YouTube)
5: Close Enough
6: Thin
7: Bleached (Audio bei YouTube)
8: Glass Scene
9: Incision
10: Mire