Was nach dem Opener ‚Swallow‘ noch wie eine durchschnittlich gelungene Kreuzung aus modernem Alternative-Rock à la GARBAGE und dunkel gestimmten TripHop im Stile TRICKYs anmutet, gewinnt nach und nach immer mehr an individueller Kontur. Die Grundkomponenten bleiben erhalten: Gedrosselte Loops, atmosphärische Soundscape-Anleihen, harte Riffs und der leicht unterkühlte, helle Gesang Danielle Harrisons prägen auch weiterhin das Klangbild des Albums. Doch die Detaildichte nimmt zu, und ungewöhnliche Soundeffekte, klassische Arrangements und diverse Industrial-Einschübe formen die Songs SKINDIVEs zu kleinen, fast schon abstrakten Kunstwerken.
Wärme und Geborgenheit wird der Hörer in diesen Gebilden vergebens suchen, doch trotz der spröden, bisweilen am Verstörenden grenzenden Ausstrahlung des Albums fasziniert und fesselt es in seinen besten Momenten doch mit einer visuellen Stärke, der man sich als denkender und fühlender Mensch kaum entziehen kann. Kaum erstaunlich, dass Gerry Owens, Gründer, Songschreiber und Gitarrist der Band bekennt, Soundtracks interessierten ihn weit mehr als der Großteil aller gegenwärtigen Veröffentlichungen der U-Musikszene.
Der entscheidende Protagonist von „Skindive“ ist die Atmosphäre
Obgleich also allen Songs herkömmliche Kompositionsstrukturen inklusive einprägsamer Refrains zugrunde liegen, ist der entscheidende Protagonist des Albums die Atmosphäre. Und die mutet futuristisch an, wie ein Abbild einer leidenschaftslosen, trägen, kalt-grauen Gesellschaft, in der Emotionen zwar noch existieren, ihnen aber in der öffentlichen Wahrnehmung nur mehr eine Randrolle zugestanden wird. BladeRunner ohne Farbe. Aliens 1 in groß und ohne Monster. Riesige Straßenschluchten aus Beton und Stahl, in denen unscheinbare Lebewesen ihres isolierten Weges gehen.
Nur selten begehrt das Leben auf, bricht ein weniger synthetischer Lichtstrahl durch den diffusen High Tech-Smog und schafft hoffnungsfrohen Kontrast, der rasch wieder entschwindet. Oder am Horizont pulsiert, greifbar nah und doch zu unwirklich, um von Dauer zu sein. Wie ‚Space Age Lullaby‘, das tröstend-zart dahinfließt, mit wehmütigen English Horns, die sich mit Streichern und Querflöten über den leisen Ryhthmus legen. Nur, um schließlich in orchestraler Kakophonie und kalten Computertönen zu enden.
„Skindive“ ist kein lauter Donnerschlag, sondern ein schleichendes Beben
Grandios auch ‚No More Good Guy‘, ein postmoderner Trauermarsch, der sich behäbig dahinschleppt und mit fast schon stoischer Miene das antiquierte Modell „Hoffnung“ zu Grabe zu tragen scheint. Oder ‚In For The Kill‘, perfekt inszenierter Industrial Rock, der die Charts im Sturm nehmen würde, wenn er nicht auf aufmerksamkeitsheischende Ekzentrik und pathosschwangere Gestik verzichten würde. Und damit im Gesamtkonzept des Albums vollkommen aufgeht. Nein, „Skindive“ ist kein lauter Donnerschlag, eher ein schleichendes Beben: Zunächst unspektakulär, in seiner Natur aber nachhaltiger und dazu angetan, die Tiefe auszuloten. Und selbst wenn es mit ‚Love Me Still‘ geradezu versöhnlich ausklingt, so ist dieses Album doch vor allem eines nicht: Easy Listening. Einen leisen Anflug depressiver Verstimmung sollte man schon mitbringen, um SKINDIVEs Klang-Elaborate auf volle Distanz genießen zu können…
Spielzeit: 51:44 Min.
Line-Up:
Gerry Owens – Guitars
Alan Lee – Bass
Danielle Harrison – Vocals
Ger Farrell – Drums
Label: Palm/Zomba
SKINDIVE „Skindive“ Tracklist
- Swallow
- In For The Kill
- Confession
- Space Age Lullaby
- Tranquilizer
- Salt Peter
- Skindive
- Zero Now
- No More Good Guys
- Contrition
- Sweetness
- Love Me Still