Dass es Mat McNerney, auch bekannst als Kvohst, stets in den Fingern juckt, ist nun wirklich keine Neuigkeit. Nachdem die Welt 2025 bekanntlich noch etwas mehr untergeht, als die Jahre zuvor, braucht es eine neue, zweite Band von ihm, die sich im Post Punk-Bereich ansiedeln lässt – wobei sich in abendfüllender Intensität streiten lässt, ob GRAVE PLEASURES nun Death Rock oder Post Punk spielen. Mit SCORPION MILK gibt es aber dennoch eine stilistisch leicht andere Ausrichtung zu hören. Nicht zu vergessen, dass McNerney hier auch selbst vollumfänglich kreativer Chef ist und sich mit hörbarem Enthusiasmus austoben kann.
„Slime Of The Times“, das Debütalbum von SCORPION MILK atmet nun sehr authentisch den 1980er Vibe und meidet den metallischen Überzug von GRAVE PLEASURES. Gibt es also mit „Slime Of The Times“ den geistigen Nachfolger zu „Climax“? Der Bandname deutet dies natürlich an, allerdings sind hier keine Riffs aus der Feder von Juho Goatspeed zu hören. Ergo: Ein „Love In A Cold World“ ist auf „Slime Of The Times“ nicht zu hören. Aber man verzage nicht: Mit „All The Fear“ beginnt SCORPION MILKs Debüt mit einem waschechten Hit: Ein simples, aber effektives Riff, energiegeladenes Drumming und eine offensive Hook gehen in die Beine, ins Ohr und runter wie Öl.
Hitalarm bei SCORPION MILK! „Slime Of The Times“ zeigt, dass Mat McNerney alleine starke Songs komponieren kann.
Also, wie könnte ein Album von und mit Mat McNerney auch misslingen? Eben. So beunruhigt es nicht, dass „The Will To Live“ ein bisschen das Gas rausnimmt und unauffälliger wirkt. Das Energielevel steigt sehr bald wieder, wo doch „She Wolf Of London“ und „Another Day Anotherm Abyss“ wieder auf Hit abzielen, ersterer Song mit charmanter B-Movie-Coolness, zweitgenannter etwas mehr Weltuntergangshysterie. Dann nimmt „Slime Of The Times“ eine etwas unerwartete, aber doch äußerst passende Wendung: „Wall To Wall“ und der Titelsong klingen rau, heavy und sehr düster, lassen deutliche KILLING JOKE– und leichte GODFLESH-Einflüsse erkennen.
Spätestens hier wird deutlich, warum diese Songideen nicht im GRAVE PLEASURES-Kontext Platz fanden und dass diese spröde Verzweiflung und Wut viel zu gut in diese Zeit passen. Dass sich diese Extreme sehr gut verbinden lassen, zeigen „Silver Pigs“ und „All Snakes No Ladders“, die SCORPION MILK als relativ eigenständige Band kategorisieren. Sprich, hier wird das Gaspedal etwas mehr durchgedrückt, die Riffs sind so primitiv und catchy wie möglich, die Rhythmen repetitiv – alles prima, um die Zähne zu fletschen. „Slime Of The Times“ folgt also einer sehr gut durchdachten Dramaturgie, die in dem melancholischen „Children Are Dust“ seine Conclusio findet. So endet das Album mit gewisser Hoffnungslosigkeit in getragenem Tempo – aber wunderbaren Harmonien.
…und dann kam Industrial: SCORPION MILK liebäugeln auf „Slime Of The Times“ nicht nur mit Post Punk.
SCORPION MILK ist nicht direkt anzuhören, dass es ein kreativer Alleingang ist. Mit VIAGRA BOYS-Drummer Tor Sjöden kommt viel Energie in den die Musik. Die Simplizität seiner Grooves ist daneben so effektiv und gekonnt, dass es niemals billig wirkt. Mit Bassist Nate Newton (CONVERGE, DOOMRIDERS) findet sich weitere wichtige Expertise auf „Slime Of The Times“: Seine Präsenz verleiht SCORPION MILK Bandcharakter. Die zusätzlichen Beiträge von Paul Ferguson (KILLING JOKE) und Will Gould (CREEPER) sind hingegen eher Zuckerl. Wobei es schon Charme hat, wenn neben Mat McNerneys wie immer tadelloser Stimme, die so herrlich zum Post Punk passt, auch ein paar Urschreie zu hören sind – in kleinen Dosen, versteht sich.
Das wirklich gut und schön laut produzierte „Slime Of The Times“ ist in Summe ein gelungenes Post Punk-Album mit einigen Twists und Überraschungen, gerade im Bereich Industrial. In den klassischen Momenten könnten sich SCORPION MILK etwas mehr von Mat McNerneys Stammband abheben. Außerdem: An die Genialität von BEASTMILKs einzigem Album kommen SCORPION MILK indes nicht heran, die Riffs mögen stark sein, die Songs tadellos funktionieren, das Überraschungsmoment hat „Slime Of The Times“ nur bedingt auf seiner Seite. Aber in der neuen Endzeit ist es manchmal nicht ganz schlecht, keinen Überraschungen ausgesetzt zu sein.
Wertung: 7 von 9 Doomsday Clocks
VÖ: 19. September 2025
Spielzeit: 37:18
Line-Up:
Mat McNerney
Gastmusiker:
Tor Sjöden – Drums
Nate Newton – Bass
Paul Ferguson
Will Gould
Label: Peaceville Records
SCORPION MILK „Slime Of The Times“ Tracklist
1. All the Fear
2. The Will To Live
3. She Wolf Of London (Video bei YouTube)
4. Another Day Another Abyss (Video bei YouTube)
5. Wall To Wall
6. Slime Of The Times
7. Silver Pigs
8. All Snakes No Ladders
9. Children Are Dust
Mehr im Netz:
https://scorpionmilk.bandcamp.com/
https://www.instagram.com/scorpionmilkmusic/