SCARVE: The Undercurrent

Ein Trip in eine fremde, biomechanische Welt: Bizarr, düster, völlig eigen, mitreißend und anstrengend. Schön, dass SCARVE sich treu geblieben sind.

Es muss tief Luft geholt werden, bevor man hinabsteigt, in die tiefen Höhlen in denen solche außergewöhnliche Musik strömt. The Undercurrent, das vierte Album von SCARVE steht endlich in den Startlöchern und lasst es euch gleich sagen – das ist kein Zuckerschlecken. Zumindest für Einsteiger, aber das ist ja bei anderen Alben des französischen Sextetts nicht anders. Dieser Trip in eine fremde, biomechanische Welt ist bizarr, düster, völlig eigen, mitreißend und anstrengend. Schön, dass SCARVE sich treu geblieben sind.

Auch wenn man anderes vermuten hätte können, denn nach dem langen Songwriting-Prozess, dem Ausstieg des charismatischen Sängers Guillaume Bideau und den sehr arbeitsaufwändigen Arbeiten von Drummer Dirk Verbeuren mit SOILWORK standen die Zeichen für die französischen Originäre erstmal schlecht. Und sie haben sich an den eigenen Haaren aus dem Dreck gerissen, The Undercurrent ist ein gnadenloses Album, das SCARVE im Bereich des polyrhythmischen Metal konkurrenzlos dastehen lässt. Ein tödliches Riff jagt das andere, ein Song ist spannender als der nächste, die Kinnlade klappt vor derart durchdachten, vielschichtigen Songs nach unten und will nicht mehr nach oben.

Wer Irradiant mochte und es gerne noch einen Tick extremer hätte, der ist mit The Undercurrent bestens bedient – es ist schlicht ein konsequenter, logischer Nachfolger und fesselt von der ersten bis zur letzten Sekunde. Die Musik hat enormen Wiedererkennungswert, dennoch bleibt sie nur schwer im Gedächtnis. Nach einiger Zeit entwickeln sich der gnadenlose Opener Endangered, das epische The Plundered und brutale Granaten wie Assuming Self und Fathomloss Descent in richtige Ohrwürmer. Das ist jedoch nichts im Vergleich zum abschließenden Rebirth, das als Gesamtes zwar das einzige Stück ist, das leicht schwächelt, aber das Hauptthema des Songs ist ein Riff, das den Hörer ohne die geringste Kraftanstrengung zerquetscht. A Few Scraps of Memories lässt sich viel Zeit und ist zunächst sehr leise, bis es geradezu explodiert.

Leider sind auf The Undercurrent nur acht Songs vertreten, die Spielzeit von 37 Minuten ist ebenfalls zu mager – nach über drei Jahren hätte man sich mehr Material gewünscht. Dafür wird man aber mit ausschließlich mitreißenden Songs verwöhnt, die immer wieder zum erneuten Hörgenuss zwingen – was glaubt ihr, warum dieses Album nun schon zum dritten Mal am Stück bei mir läuft? Hervorragend ist auch die Performance vom neuen, auch schon wieder ausgeschiedenen, ehemaligen DARKANE-Sängers Lawrence Mackrory, der sich stilistisch nicht sonderlich von seinem Vorgänger abhebt, aber dennoch recht eigen klingt. In Verbindung mit seinem souverän brüllenden Gegenpart Pierrick wirkt dies wie üblich großartig. Dirk Verbeuren liefert am Drumkit großartige Arbeit ab, ebenso bekleckern sich die Gitarristen Sylvain und Patrick durchaus mit Ruhm, messerscharfe Riffs, großartige Leads und Soli sorgen für permanente Spannung, ebenso wie die vermehrt eingesetzten Samples und Synthies, die vor allem A Few Scraps of Memories zu einer reinen Höllenfahrt werden lassen.

Wieder von Daniel Bergstrand meisterhaft produziert, besticht The Undercurrent mit einem massiven, dichten Soundgewand und sorgt dafür, dass manche Details gut versteckt werden, die nach mehrmaligem intensiven Hören aber ans Tageslicht kommen; ein Soundchaos wie bei Luminiferous ist das aber nicht geworden. SCARVE sollten nun endlich aus dem Schatten von Größen wie MESHUGGAH und STRAPPING YOUNG LAD treten können, ohne weiterhin als Zweitligisten angesehen zu werden. Mit ihrer vollkommen originellen Art, extremen Metal zu spielen, sollten sie alle unsäglichen Bands ausstechen, die heutzutage ihr Unwesen treiben. Intelligenter Metal hört sich so an und wird hoffentlich den ganzen versoffenen Metalkids, die sich in den Jugendzentren dieser Erde aufhalten, zu neuem Bewusstsein verhelfen.

Veröffentlichungstermin: 27. April 2007

Spielzeit: 37:04 Min.

Line-Up:
Pierrick Valence – Raw Vocals
Lawrence Mackrory – Polished Vocals
Patrick Martin – Guitar
Sylvain Coudret – Guitar
Loic Colin – Bass
Dirk Verbeuren – Drums

Produziert von Daniel Bergstrand
Label: Listenable Records

Homepage: http://www.scarve.net

Tracklist:
1. Endangered
2. Imperceptible Armageddon
3. Senseless
4. The Plundered
5. Assuming Self
6. Fathomless Descent
7. A Few Scraps of Memories
8. Rebirth

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