2025 wird als das Jahr in die Geschichte (meine) eingehen, in dem ich wieder Gefallen an Emo und Blackgaze gefunden habe, und ein ganz großes Verdienst daran hat eine junge Szene aus Übersee, in der es offenbar zum guten Ton gehört, ständig Musik zu schreiben und aufzunehmen und dann für minimale Beträge auf Bandcamp zu stellen. Da mag manch ein Traditionalist die Nase rümpfen – mein DIY-Punk-Herz macht Freudensprünge, und die perfekte Unperfektheit der Aufnahmen tut ihr Übriges, um in mir genau den Sympathiefunken zu erzeugen, den es braucht, damit ich Musik erst so richtig in mein Herz schließe.
Klar, sie muss auch gut sein. Und das ist sie hier: Ich höre längst nicht alles, was da veröffentlicht wird (das ginge ja auch gar nicht), aber ich verschaffe mir einen Überblick, und „Dusk Garden“, das aktuelle Split-Album der DIY-Blackgaze-Szenegrößen SADNESS (Damien Ojeda, auch von TRHÄ bekannt) und LUX, sticht aus der Flut an Veröffentlichungen aber sowas von heraus und könnte – da lege ich mich fest – auch auf einem größeren Indie-Label ganz groß rauskommen, so schön und gut und überwältigend ist es.
Ein reines Testament der Hingabe und Leidenschaft
Abwechselnd bespielen die beiden Künstler die vier Kapitel, in die das Album aufgeteilt ist, und heraus kommen straffe 42 Minuten Abwechslung, Melancholie, Leidenschaft und Liebe. Diese ist zwar kalt („Cold Love“), aber wenn LUX gegen Ende dieses Emo-Opus voller Inbrunst „Open up your heart!“ singt, wird’s allerspätestens warm in unseren Herzen. Danach wird es wild, man meint, man habe aus Versehen THRÄ angemacht, denn das zentrale Riff und der Gitarrensound von „Midnight Rain“ würden auch in einem Stück dieses Projekts nicht groß herausstechen, und Blast Beats sowie D-Beat findet man sonst ja auch eher dort; aber nein, „Midnight Rain“ ist ein SADNESS-Stück, das spürt man spätestens, wenn der melodische Emo-Part kein Auge trocken lässt.
Und es ist vielleicht mein persönlicher Song des Jahres. Ich bin so glücklich, ihn gefunden zu haben, dass ich dieses Review einfach schreiben musste: Wie nach sieben Minuten purer Screamo-Raserei mit packenden Moll-Akkorden plötzlich nur noch eine leise Gitarre und dieses unfassbar emotionale Verzweiflungsgeschrei übrig bleibt, ehe sich der Song über herzzerreißenden Klargesang wieder zurück in die rasendste Wut steigert, bis das Ganze schließlich in edelstem Bombast am höchsten Punkt des Himmels wieder in sich zusammenfällt, das ist große Songwriting-Kunst und ein reines Testament der Hingabe und Leidenschaft.
In der sonnendurchfluteten Dämmerung
Danach und daneben können die restlichen zwei Stücke eigentlich nur abstinken, aber das tun sie gar nicht so recht, eher bieten sie den angemessenen Raum, sich von diesem Emo-Wirbelsturm wieder erholen zu können: „You Hold The Fire That Burns In My Eyes“ von LUX ist Emocore in Perfektion, auch hier wird leidenschaftlichst gesungen und gekeift (und wie auch schon bei „Cold Love“ ein wenig mit Sprechgesang experimentiert), aber das Fundament des Stücks ist eher konventionell gehalten, ebenso wie beim getragenen „On An April Night“, mit dem SADNESS das Album allen Ernstes sogar mit Anleihen beim Doom Metal beschließt. Beide Künstler schütteln dabei einfach so erneut Melodien aus dem Ärmel, die sowohl für das jugendliche Abhängen am Skate-Park als auch für das nostalgische Erinnern daran taugen und die sonnendurchflutete Dämmerung fast schon herbei zitieren.
Dass das Album darüber hinaus noch ein schönes Gemälde einer erfahrenen Malerin (Siobhain O’Hehir) ziert, ist das Tüpfelchen auf dem i und schlägt eine schöne Brücke zwischen den Generationen. Wo soll das nur noch hinführen mit der Kreativität dieser jungen Leute? Sie geben uns so viel, und wenn es nur die Hoffnung auf immer wieder neue großartige Musik ist: Hier wurde sie erfüllt.
Spielzeit: 41:44 Min.
Veröffentlichungsdatum: 17.10.2025
Eigenproduktion / digital: https://luxpbm.bandcamp.com/album/dusk-garden oder https://sadnessmusic.bandcamp.com/album/dusk-garden
Tracklist – SADNESS / LUX – „Dusk Garden“
1. LUX – cold love
2. SADNESS – midnight rain
3. LUX – you hold the fire that burns in my eyes
4. SADNESS – on an april night