Mit Sneeuw (niederländisch für Schnee) beschäftige ich mich nun endlich, da hierzulande der Frühling eingekehrt ist. PATRICK DOROBISZ selbst hat es ja auch nicht eilig gehabt, da tue ich es ihm gerne gleich. Sneeuw fährt Stücke aus den letzten dreißig Jahren auf, die der französische Avantgarde-Komponist neu überarbeitet und arrangiert hat. Wahrscheinlich sagt dir der Name PATRICK DOROBISZ genauso wenig wie mir, also ganz kurz das Nötigste zu seiner Person: Der 1955 geborene Musiker hatte nach seiner Zeit in der Progressive Rock-Szene der 1970er großen Anteil an der Entwicklung der Computermusik in Frankreich, ist mittlerweile aber auch als Maler, Architekt und Schriftsteller tätig. Das beinahe zweistündige Doppelalbum zeigt nun experimentelle Musik an der Grenze zwischen Neoklassik und elektronischer Musik.
Sneeuw ist von enormer Vielfalt. Mal sind die Stücke leicht verdaulich, mal komplex und an der Grenze zum Chaos, mal eher klassisch geprägt, dann wieder elektronischer Natur. Obwohl hier ein wenig der rote Faden fehlt, bietet jedes der Stücke die Möglichkeit, in eine neue Welt einzutauchen. PATRICK DOROBISZ beweist große Vielfalt beim Komponieren, aber erst durch die Interpreten wird die Musik wirklich facettenreich. Sowohl Streicher, Klavier, Percussions, Xylophon, Klarinetten oder elektronische Instrumente und Elemente hauchen den einzelnen Stücken Charakter ein und sorgen für Wiedererkennungswert. Besonders gelungen sind dabei die neoklassischen Stücke, wie Le Marteau Double mit Percussions, Klavier und detaillierten Streichern, das farbenfrohe und vielschichtige Quatour No 3, das düstere Extended Games, Le Serpent D´Or, das verstörende Colorfield In C Mj, das verträumte Klavierstück L´Orphéon De Jade mit seinen bizarren Entwicklungen und das bildschöne Xylophonstück Le Gai Savoir.
Aber auch die avantgardistische, schwerer zu konsumierende Seite bietet viel Hörenswertes. Beim vergleichsweise zugänglichem Computer Sonate besteht die Schnittmenge aus Streichern und Elektronik den Praxistext mit Bravour, Muziek Voor Klarinetten endet mit bizarren Sounds, die man über die sich duellierenden Klarinetten legt, und in Trois Plus Onze kämpft sich immer wieder Harmonie in Form von Klavier oder Streichern zwischen den verstörenden Soundscapes hervor. Ein einziger Rausch ist Wagner Express, in dem Der Ring der Nibelungen komprimiert und zu einer heftigen Lärmwand verdichtet wrd. Andererseits können, wie Jeu De Cloches und Il Était Une Fois zeigen, auch die elektronischen Kompositionen, die nicht selten an einen modernen VANGELIS denken lassen, in Sachen Komplexität und Harmonie mit den klassisch geprägten Stücken mithalten und zaubern ein Lächeln über das Gesicht.
Insofern ist Sneeuw wirklich ein denkbar schlechter Titel für PATRICK DOROBISZ´ episches Doppelalbum. Denn es ist so bunt, farbenfroh, warm und voller Schönheit – wie die ersten Frühlingstage. Dann wird es wieder kalt, verstörend und ungemütlich – wie die dazugehörigen Nächte. PATRICK DOROBISZ liefert ganz einzigartige Kompositionen, die alles andere als massentauglich und über weite Strecken schwer zu konsumieren sind. Freunde von MAX RICHTER und ÓLAFUR ARNALDS sollten Sneeuw also mit Vorsicht genießen. Wer jedoch Neoklassik und elektronischen Ambient gerne auf verlockende und verstörende Art und Weise verschmolzen sieht, für den ist dieses Album eindeutig ein Geheimtipp.
Veröffentlichungstermin: November 2014
Spielzeit: 54:07 + 60:55 Min.
Line-Up:
PATRICK DOROBISZ
Computer Music Ensemble
Arsis String Quartet
Pascal Preneta
Veronique Vanoucke
Caroline Dooghe
Annie Delplanque
Jean-Michel Moulin
Aiko Miyamoto
Jacques Merrer
Label: Atypeek Music
Homepage: http://www.patrickdorobisz.com
Mehr im Netz: ^https://www.facebook.com/pages/Patrick-Dorobisz/172711502533
Tracklist:
CD 1:
1. Le Marteau Double
2. Quatour No 3
3. L´Orphéon De Jade
4. Computer Sonate
5. Extended Games
CD 2:
1. Le Gai Savoir
2. Muziek Voor Klarinetten
3. Le Serpent D´Or
4. Jeu De Cloches
5. Colorfield in C Mj
6. Il Était Une Fois
7. Wagner Express
8. Trois Plus Onze