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KVELGEYST: Blut, Milch und Thränen

Unkonventionelles aus der Schweiz: KVELGEYSTs zweites Album „Blut, Milch und Thränen“ bricht frech aus dem starren Korsett des rohen Black Metal aus.

Wie schnell öffnen wir die Schublade „Wahnsinn“? Der Eine ist wahnsinnig, denn er hat sich in dieser angespannten Wirtschaftslage ein Haus gekauft. Die Nächste ist wahnsinnig, denn sie wechselt mit 55 aus dem sicheren Beamtenverhältnis in die Selbstständigkeit. Und am wahnsinnigsten ist sowieso der Andere, weil er nicht die drei Jahre Produktgarantie für die neue Waschmaschine mitkauft. Auch in Sachen Musik wird dieser Terminus häufig verwendet. KVELGEYST, ein seltsames Gewächs aus dem Helvetiv Underground Committee laden auch dazu ein, vom Wahnsinn zu referieren. Doch eigentlich ist ihr zweites Album „Blut, Milch und Thränen“ vor allem eins: unkonventionell.

Kreativ und wild: KVELGEYST scheren sich auf „Blut, Milch und Thränen“ nicht um die Spielregeln des Black Metal.

Ich nehme mich ja gar nicht davon aus, vorschnell vom Wahnsinn zu schwadronieren. Gerade, wenn ein Album so intensiv und impulsiv beginnt wie „Blut, Milch und Thränen“. KVELGEYST gehen einen wahrlich spannenden Weg: Geradezu manisch wechseln sich roher, punkiger Black Metal und Psychedelia ab, ein wenig Pathos und noch einige düstere Momente zusätzlich, und fertig ist ein Gebräu, das irritieren würde, wäre es nicht so gewitzt geschrieben und performt. Ursprüngliches Riffing, und Drumming, die ergänzt werden durch viele weitere Elemente, wie bizarre Synthesizer, Saxophon und Drones. KVELGEYST lassen sich nicht limitieren und sind somit beinahe anarchistisch: Alles, was gefällt und im Kontext Sinn ergibt, darf in die Musik einfließen.

Davon abgesehen ist „Blut, Milch und Thränen“ ein sehr ursprüngliches Album und hat einen fast schon konservativen Kern. Der Furor im ersten Song „Stufe I: Von blitzartiger Wut in Visionen getaucht“, ist äußerst grimmig, das Mainriff in „Stufe II: In der Galgenvögel Gossen“ verankert sich schnell im Hirn. Generell ist jedoch die erste Hälfte ihres Zweitwerks mitreißender und furioser – doch vielleicht ist die zweite Hälfte ein introvertiertes Gegenstück zum eher extrovertierten Beginn des Albums. Starke Momente gibt es dort aber auch: Das brodelnd-atmosphärische, sich intensiv steigernde „Stufe V: Hauptraub durch Klingenhieb“ zeigt, wie verflucht gut KVELGEYST Spannungsbögen beherrschen.

KVELGEYST hebeln gekonnt die Prinzipien des Genres aus: „Blut, Milch und Thränen“ funktioniert auch ohne Corpsepaint und böses Image.

Dass dieses Album ein Wechselbad der Gefühle darstellt, deutet auch der Titel an. Wut, Experiment und ein Hauch Melancholie aka „Blut, Milch und Thränen“ sind die einzelnen Bausteine des Albums und ergeben einen unkonventionellen, aber ziemlich nahrhaften, manchmal vielleicht etwas ekligen Cocktail. Auch auf der Metaebene sind KVELGEYST also ziemlich pfiffig unterwegs. Verkopft ist dieses knapp vierzigminütige Album außerdem rein gar nicht, auch wenn die Songtitel das nahelegen. Man hört die Lust an der Spontaneität heraus. Das könnte schnell schief gehen, aber offensichtlich ist das Trio ziemlich gut eingespielt.

„Blut, Milch und Thränen“ ist eine deutliche Steigerung zum alles andere als schlechten Debüt „Alkahest“ aus dem Jahr 2019. Das Trio hebelt gekonnt die Spielregeln des Genres aus und lässt ihre Version des Black Metal schrullig und dennoch gefährlich klingen. Dass die Musik nicht eindimensional ist, deutet auch schon der Name der Band an. KVELGEYST weil Quälgeist? Je mehr sich das Schweizer Trio in mein Herz spielt, umso mehr meine ich, dass der kreativen Quelle der Band, ein ganz besonderer Geist innewohnt. Also von wegen Wahnsinn: Dem illustren Helvetic Underground Committee fügen KVELGEYST eine spannende neue Seite hinzu. Wer unkonventionellen Black Metal liebt und eher auf NOCTE OBDUCTA statt GORGOROTH steht, darf sich von „Blut, Milch und Thränen“ ausgiebig verzaubern lassen.

Wertung: 4,5 von 6 Mixgetränke

VÖ: 24. November 2023

Spielzeit: 38:20

Line-Up:
Urgeist – Vocals, Guitars
Meister T. – Bass, Keyboards, Vocals
V. Knüppelknecht – Drums, additional Vocals

Label: Eisenwald

KVELGEYST „Blut, Milch und Thränen“ Tracklist:

1. Bruder der Schlangen, Geselle der Eulen
Stufe I: Von blitzartiger Wucht in Visionen getaucht
Stufe II: In der Galgenvögel Gossen (Official Excerpt bei Youtube)
Stufe III: Purpur besiegelter Schwur

2. Abstieg zum Thronwagen
Stufe IV: Angstrad, Gallentrank
Stufe V: Hauptraub durch Klingenhieb (Official Excerpt bei Youtube) 
Stufe VI: Zum garstig‘ Bettelvolk zurückgetrieben

Mehr im Netz:

https://kvelgeyst.bandcamp.com
https://www.facebook.com/people/Kvelgeyst/100063454302256/

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