INFECTED RAIN: Endorphin

Wir seien Parasiten, lässt uns Frontfrau Lena gleich zu Beginn wissen. Aber es ist kein persönlicher Angriff auf uns als Individuen. Vielmehr rechnen INFECTED RAIN in „The Earth Mantra“ mit der Menschheit an sich ab, die wie eine Krankheit den Planeten befallen hat. Und so wird es nach dem zunächst heftigen Auftakt plötzlich leise und zerbrechlich, als die Sängerin uns konsterniert wissen lässt, was Sache ist.

Wir nehmen das nicht persönlich, denn ein Blick in die Tageszeitung erklärt viel von der Wut, die sich in den Moldauern angestaut hat. Auch wir fühlen uns oftmals hilflos, wenn wir die gesellschaftspolitischen Entwicklungen verfolgen. „Endorphin“ ist daher das Ventil; ein Versuch, sich all den Frust von der Seele zu schreien.

Auf “Endorphin” erfahren wir schnell, dass Fronterin Lena auch mit ausgesprochen viel Gefühl singen kann

Laut und ungemütlich wird es in den folgenden 40 Minuten daher so manches Mal. Die tief gestimmten Gitarren spendieren dem Modern Metal-Gemisch meist eine unterkühlte Atmosphäre, flirten in „Symphony Of Trust“ aber auch mit dem Nu Metal. Dort erfahren wir außerdem nicht zum ersten Mal auf „Endorphin“, dass Fronterin Lena mit ausgesprochen viel Gefühl singen kann, so es denn dem Song dienlich ist.

Das heftige „Black Gold“ unterstreicht jedoch, weshalb sich die Dame in härteren Gefilden mindestens genauso wohl fühlt: Lenas Screams bewegen sich stilistisch mehr in Richtung Maria Brink (IN THIS MOMENT) als Tatiana Shmaylyuk (JINJER), wodurch die Sängerin den modernen wie aggressiven Charakter des Songs auch auf stimmlicher Ebene transportiert. Dies setzt sich in „Symphony Of Trust“ sowie den groovenden „Walking Dead“ und „Pendulum“ fort, wo „Endorphin“ tatsächlich auch musikalisch an ältere IN THIS MOMENT erinnert.

INFECTED RAIN setzen zu oft auf das immergleiche Rezept

Nach dem Vorbild der US-Amerikaner achten INFECTED RAIN trotzdem stets darauf, dass „Endorphin“ nicht zu sperrig oder gar kantig wird. Fast jeden Track stützt versöhnlicher Background-Gesang, der auf nicht minder sanften Keyboardteppichen gebettet ist. Das macht die Platte zwar bei weitem noch nicht zum Kandidaten für den ZDF-Fernsehgarten, das immergleiche Rezept mit seinen ähnlichen Melodiebögen nutzt sich aber im fortschreitenden Verlauf zusehends ab.

Daher sind wir über das anarchisch-chaotische „Lure“ zur Halbzeit enorm dankbar. Hier verschmelzen Crossover und Nu Metal zu einem aggressiven Kotzbrocken, der uns zur Begrüßung erstmal das heimische Büro zerlegt.

Gegen Ende reichen uns INFECTED RAIN überraschend die Hand

Experimentell wird es dann erst wieder zum Ende, wo „Taphephobia“ seinen ruhigen Zwischenteil mit verqueren Synthesizern zu einer verstörenden Erfahrung macht, bevor das ätherische „Storm“ dem sonst so aufbrausenden „Endorphin“ einen überraschend zurückgenommenen Ausklang schenkt. Die Moldauer verzichten hier auf die genreübliche Instrumentierung und lassen Lenas zarte Stimme über eine dezente Ambient-Landschaft schweben.

In der Tat stimmen INFECTED RAIN gegen Ende versöhnlich, als reichten sie uns die Hand – kein Wort mehr von Ungeziefern oder Parasiten. Vielleicht ist das auch die grundlegende Botschaft von „Endorphin“ und seinem eindringlichen Artwork: Selbst wenn sich niemand von uns die Hände reinwaschen kann, halten wir in unseren kohlschwarzen Fingern doch unweigerlich das, was für uns alle wichtig ist. Wir müssen nur achtsam damit umgehen.

Veröffentlichungstermin: 18.10.2019

Spielzeit: 40:30

Line-Up:

Lena – Vocals
Sergey – Guitar
Vidick – Guitar
Vova – Bass
Eugene – Drums

Label: Napalm Records

Homepage: https://www.infectedrain.com/
Facebook: https://www.facebook.com/infectedrain/

INFECTED RAIN “Endorphin” Tracklist

  1. The Earth Mantra (Video bei YouTube)
  2. Black Gold (Video bei YouTube)
  3. Symphony Of Trust
  4. Pendulum
  5. Passerby (Video bei YouTube)
  6. Lure
  7. Victims
  8. Walking Dead
  9. Taphephobia
  10. Storm (Lyric-Video bei YouTube)
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