KYUSS: 20,5 Jahre "Blues For The Red Sun"

Für die einen ist es ein Album unter Tausenden, für die anderen ist es gottgleich: mit "Blues For The Red Sun" traten KYUSS vor ziemlich genau zwanzigeinhalb Jahren eine staubtrockene Welle knarzig-scheppernder Musik los, die bis heute ungebremst ihre Ausläufer an Land schwappen lässt: Stoner bzw. Desert Rock.

Für die einen ist es ein Album unter Tausenden, für die anderen eine Offenbarung: mit Blues For The Red Sun traten KYUSS vor ziemlich genau zwanzigeinhalb Jahren eine staubtrockene Welle knarzig-scheppernder Musik los, die bis heute ungebremst ihre Ausläufer an Land schwappen lässt: Stoner bzw. Desert Rock.
Zum wohl bekanntesten, wahrscheinlich wichtigsten und prägendsten Album der Genregeschichte haben wir uns in der Szene umgehört und Ahnenforschung der etwas anderen Art betrieben: Wann seid ihr das erste Mal auf Blues For The Red Sun getroffen, was bedeutet es euch und wie hat es euch beeinflusst?
Mit Statements von David Eering (THE MACHINE), JE (BLACK SPACE RIDERS), Thomas Vedder (SAMSARA BLUES EXPERIMENT), Olli Buster (ELECTRO BABY), Jochen Fopp (MIRROR OF DECEPTION) und vom vampster-Team.

 

 

(c) 

JE (BLACK SPACE RIDERS)
1992 hab ich in einem Plattenladen in Münster, ELPI, gejobbt. Ich war der Metal-Alternative-Typ unter den anderen Neil-Young- und Bob-Dylan-hörenden Verkäufern da. Generell war Anfang der 90er schon eine aufregende Zeit für neue, schwere Riffs und Bands. MONSTER MAGNET´s Spine Of God von 91, geile Platten und Riffs von SOUNDGARDEN, TAD, Mudhoney, C.O.C., MELVINS, etc.
Ich hab im Laden immer morgens den Wareneingang durchgecheckt, was so als Neuheiten dabei war, was man mal in den Player packen könnte. Und da war dann Blues for The Red Sun. In den Player rein, schnell bevor Günni Bob Dylan, Manni Neil Young oder Charles Bob Marley reinschmeißen konnte. UND DANN …. nach dem Intro von Thumb … WUMMER WUMMER DRÖHN DRÖHN.
Ich dachte:
1. Boh ey, ist das dumpf
2. Sind die Boxen im Arsch?
3. Hat Charles wieder alle Höhen an der Anlage rausgedreht?
4. Ist bestimmt nen Produktionstrick, gleich macht´s wusch und der Sound ist normal
Dann klang der zweite Song Green Machine aber genauso komisch. Da dachte ich Die meinen das ernst! Das muss so! Wow! Das ist konsequent! Das ist anders! Das ist geil Die anderen schrien natürlich längst mach den Scheiss aus (haben sie immer geschrien, wenn ich was aufgelegt habe), aber ich hab mich durchgesetzt und wir haben weitergehört. Die haben aufgehört zu rufen, da kam dann bei Molten Universe – Alter, klingt wie Sabbath!“ und beim Oberhammer Freedom Run HEEEEENDRIX, Alter, Respekt, ey, nicht schlecht!.
Ich war damals (öh, bin´s heute immer noch) besessener Musik-Missionar, hab die Leute belabert ohne Ende: das MUSST Du Dir anhören!!! Heute wird ja gerne so getan, als ob jeder damals Blues for the Red Sun gekauft hat und ja gerne so getan, als ob jeder damals Blues for The Red Sun gekauft hat und das war ne Inititalzündung für ne ganze Szene, blabla … mal ganz ehrlich: das hat damals kaum einer gehört, ich hab unsere Clique infiziert, wir haben das wie wild gehört und weitergetragen und dann später nach … Welcome To Sky Valley und insbesondere ab dem Release von And the Circus leaves town habe ich KYUSS dann auch als bekannt empfunden, aber ich kenne persönlich nur einen Typen, der sich Blues for The Red Sun am Veröffentlichungstag gekauft hat: mich! (Höhöhö .. die kleine Angebernummer musste ich mir jetzt mal gönnen)
Blues for The Red Sun war geil und anders und ich hab sie gerade mal wieder eingelegt, als ich diese Zeilen geschrieben hab … Sie ist es immer noch!

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David (THE MACHINE)
Es ist ein gutes Album, besonders die ersten vier Songs hintereinander: Thumb, Green Machine, Molten Universe und 50 Million Year Trip (Downside Up). Ich meine … nach dem Intro von Thumb, wenn die komplette Band loslegt, ist es richtig schwer, nicht zu headbangen und die Füße oder sonst welche Gliedmaßen stillzuhalten, die man gerade zur Verfügung hat.
Aber um ehrlich zu sein: zur Albummitte hin sind zwei, drei Songs echte Lückenfüller. Natürlich ist Blues For The Red Sun ein Meilenstein, allerdings ist es nicht mein Liebling von KYUSS. Nachdem Scott Reeder zur Band kam – also nach BFTRS – klangen sie irgendwie sexier. Und das ist gut so.
Blues For The Red Sun war mein zweiter Kontakt mit KYUSS, so vor ca. 10 Jahren; also habe ich 10jähriges Jubiläum, haha!
Mein erster Kontakt war der Song Un Sandpiper, den habe ich irgendwann mal aufgeschnappt, danach bin ich die komplette Diskografie durchgegangen. Blues For The Red Sun ist eine heavy Hommage an den Swing und Psychedelic Rock der 60er und 70er, in Verbindung mit einer punkigen Aggression und Intensität und war genau das, wonach ich in den späten 90ern und Anfang 2000 suchte. Genauso wollte ich auch spielen und nun also entdeckte ich eine Band, die das schon vor mir getan hatte.
Ich weiß nicht, ob KYUSS direkten Einfluss auf mich hatten, jedoch haben sie mich inspiriert und bestärkt, mit dem weiterzumachen, was ich im Kopf hatte. Es ist quasi genau das, was wir heute mit THE MACHINE machen.

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Thomas (SAMSARA BLUES EXPERIMENT)
Die meisten Stoner-Fans hatten irgendwann mal eine oder mehrere KYUSS-Phasen. Ich natürlich auch. Bei mir fings dann aber nicht wie bei den meisten  mit Blues for the Red Sun und auch nicht mit Sky Valley an sondern mit And the Circus Leaves Town…. Für mich auch eines der ganz großen Stoneralben. Irgendwann damals kam dann ein Kumpel mit der Blues For The Red Sun an und sagte, die soll ich mal als nächstes hören. Ich hab sie sofort in den Player gepackt und schon bei den ersten Tönen von Thumb war klar, in welche Richtung das gehen würde. Absoluter Hammer! Thumb ist auch das Riff, das ich immer im Kopf habe, wenn ich an KYUSS denke. Das ganze Album – ein Groovemonster!!!
Ist natürlich auch dem BRANT BJORK zu verdanken. Perfekter Stoner-Drumsound und ich denke, dass jeder Stonerdrummer hier irgendwie beeinflusst ist…

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Olli (ELECTRO BABY)
Eine Gitarre von ganz weit weg, man sieht sie förmlich in der Hitze flimmern. Man spürt, dass es sogar den Klapperschlangen zu heiss ist. Als dann mit einem Doppelschlag die ganze Band zu Thumb einsetzt, war es so ganz und gar um mich geschehen. Einen so herrlich basslastigen Sound hatte ich bis dato noch nie gehört. So schmeckt die Wüste, so muss eine Band klingen. Man steht bildlich direkt vor ihr und wird wie von einem Wüstensturm von ihr weggefegt. Das Gegenstück zum polierten Sound der späten 80er und frühen 90er, darauf wo wir so lange gewartet haben. SOUNDGARDEN hatten mit Louder Than Love schon in diese Richtung vorgelegt, sind dann doch leider nach Badmotorfinger in kommerzielle Gefilde abgedriftet.
KYUSS… das ist es!!! Blues For The Red Sun war dann ganz lange nicht mehr aus meinem CD-Schacht wegzudenken, der Wüstensand hinderte sie daran, jemals wieder ausgespuckt zu werden, jammen war wieder angesagt. Hatten wir dank BLACK SABBATH unsere Gitarren auf D gestimmt, so stimmten wir sie nun hinunter auf C.
Und diese unglaubliche Schönheit des Innencovers: Ein Bass in der Wüste vor einem Acoustic-Stack!
Auch wenn Green Machine immer noch alle Tanzflächen füllt, und ich liebe Blues For The Red Sun für seine ungestüme Art, hat doch der barfuß spielende Hippie Scott Reeder mit seinem (Fuss-)Abdruck KYUSS in musikalisch grenzenlose Sphären katapultiert, was in dem Meisterwerk …and Circus Leaves Town (leider) endet.
Nichtsdestotrotz ist Blues For The Red Sun genau das, worauf ich gewartet hatte: Jungs, die mit BLACK SABBATH und MOTÖRHEAD zum Frühstück aufgewachsen sind. Die Schwere und Verspieltheit kommt von IOMMI und Konsorten, der Dreck und die Rauheit von Herrn Kilmister mit Hintermannschaft. Und ich fühlte sofort, ich bin auch einer von denen! KYUSS haben mir gezeigt, dass es die Wüste auch im Norden vom Schwarzwald gibt.

Jochen (MIRROR OF DECEPTION)

(c) 

Ein damaliger Arbeitskollge hatte mir kurz nach Erscheinen der Scheibe die Blues for the Red Sun wärmstens ans Herz gelegt und damit voll ins Schwarze getroffen. Wahnsinnsplatte, auch noch 20 Jahre später absolut zeitlos, und meiner Meinung nach nur noch vom Nachfolger …And the Circus Leaves Town übertroffen. Erinnere mich an einen kultigen Aufritt beim Dynamo Open Air (durch Sprung ins Drumkit vorzeitig beendet) und einen völlig überfüllten Gig in der Stuttgarter Röhre. Und irre, was KYUSS da losgetreten haben. Aus dem schnell völlig unüberschaubar gewordenen Wust an Epigonen gefiel mir RED AIM´S Orange EP noch ziemlich gut. Die diversen Nachfolge- und Nebenbands fand ich dann allerdings nicht mehr so interessant und habe mich auch KYUSS LIVES! erfolgreich entzogen. 

 (c)

Maren
Während JE´s Herz beim ersten Blues For The Red Sun-Hören 1992 offenbar auch die dreifache Größe gewachsen ist, habe ich vermutlich – ganz Desert Rock-like mit Schäufelchen im Sandkasten gespielt. Die Geburtsstunde DER Stonerlegende habe ich also spielend auf Kleinkindbeinen erlebt, alles ganz oberklasse.
Den ersten Kontakt mit KYUSS hatte ich in der Oberstufe – 11. Klasse muss es gewesen sein. Und Asche auf mein Haupt: sie haben mich nicht die Bohne interessiert. Green Machine war so lala und Freedom Run war .. ja, es war halt. THE ATOMIC BITCHWAX fand ich cooler, ASTEROID interessanter und COLOUR HAZE trippiger als schnöde KYUSS. Die immer mit ihrem Herumgedröhne, demselben fiesen Gesang und den Gitarren, die teilweise nicht als solche erkennbar waren… nee, du. Doch, wie kann es auch anders sein, hat sich diese Einstellung auch verändert; auch wenn Blues For The Red Sun nie meine Lieblings-KYUSS-Platte war und sich vermutlich auch nicht mehr mausert und diese wird, mag ich sie mittlerweile sehr gerne hören: Thumb, Allen´s Wrench und Thong Song sind meine persönlichen Aushängeschilder des Albums, klingen unverkennbar nach Sonne, Staub und den tiefsten 90ern. Auch wenn ich eher nicht zu Heldenverehrung neige (jaja, Ausnahmen bestätigen die Regel…) und es Alben und Bands gibt, die mir wesentlich mehr bedeuten: wenn man bei Blues For The Red Sun in die Knie geht, ist das vollkommen gerechtfertigt.

WOSFrank:

 (c)

Nöö, bei Blues For The Red Sun denk ich nicht gleich an irgendwelche Lobeshymnen. Ich hatte das Teil direkt bei der Band bestellt, und die CD kam als megafettes, schweres Teil. Klasse, mein alter Technics-Player kam mit dem Ding überhaupt nicht klar, sodass ich sie bei einem Kumpel auf Kassette aufnehmen musste, um sie zu hören. Die dicken Dinger gab es damals oft aus den USA oder auch aus Japan, weil da anscheinend jeder mit einem Discman rumlief und die halt Schwierigkeiten hatten mit den leichten Standard-CDs, so hat es mir zumindest mal ein Ami erklärt. Na ja, irgendwann gab es den passenden neuen Player zur CD, geärgert hab ich mich trotzdem… 
Das Album selbst, nun ja, wenn man vorher bereits die SONS OF KYUSS-EP und das erste KYUSS-Album Wretch hatte, dann war das keine große Überraschung, was da kommen würde. Im Sommer ´92 konnte man auch noch zugeben, dass man als Doomer auf diesen mumpfigen, schweren Sound steht, gerade wenn man auf den klassischen Maryland-Doom stand, der ja auch nicht nur im Depri-Tempo daher kam. Als dann der Stoner-Trend die Welt zunebelte, war es hingegen fast eine Schande, wenn man beide Stile gehört hat, das ging ja mal gar nicht. Die einen zu träge Depri-Freaks, die anderen betont auf cool gemacht, nee, ging echt nicht, trotz des gleichen musikalischen Backgrounds. Heimlich hat man dann die andere Seite natürlich doch gehört.
Mir gefielen die jungen KYUSS besser, weil man beim Hören des noch rauen, naiven Sounds immer das Bild vor Augen hatte, wie die Band irgendwo in einem Wüstencamp auf ein paar Paletten steht und für ein paar Leute abrockte, Clubs gab es halt keine. Während die Rockbands mit immer besseren, saubereren Produktionen ankamen, klang Blues For The Red Sun, als wenn man nach einem wieder mal zu lautem Konzert nach Hause fährt und das Autoradio klingt, als wären die Boxen in Watte eingewickelt.
Rein musikalisch war das hier nicht wirklich groß, eher solide Arbeit, aber mit ihrem recht eigensinnigen Sound haben KYUSS immerhin das eine Album geschaffen, das man wohl als Grundstein des Stoner-Rock bezeichnen kann. Genreprägende Songs wie der tatsächlich nach fetten Pickups auf staubigen Pisten klingende Opener machen auch heute noch sofort Spaß, der kraftvolle Drive ist klasse. Wenn Green Machine mit seinem simplen Riff nach vorn prescht, ist man sofort am Abhotten, zähe Brocken wie Molten Universe mach(t)en dann auch den Doomer glücklich. I hate slow songs, so so…
Ok, gerade wenn man heute mal wieder rein hört, dann gibt es einige eher schwache Songs, die damals noch eine ganz andere Wirkung hatten, so manches coole Zwischenspiel ist heute eher albern. Aber immer wieder kommt dieser packende Groove, mal Popo tretend, mal zäh oder psychedelisch vernebelt, man hat nie das Gefühl, ein Relikt aus alten Zeiten zu hören, Blues For The Red Sun ist schlichtweg ein zeitloser Klassiker. Einer, der auch erst viel später gewürdigt wurde, als die erste Stoner-Welle fast schon am Abklingen war.
1992 hat sich kaum wer für das Teil interessiert, während musikalisch gar nicht sooo weit entfernte Bands wie MONSTER MAGNET oder SOUNDGARDEN schon anfingen, auf MTV zu rotierten.
Wie BLACK SPACE RIDERS Jochen schon so treffend beschrieben hat: wenn man damals von KYUSS und ihrem Blues For The Red Sun geschwärmt hat, dann war man für die anderen ein Freak – und man stand dazu!

(c) 

Cevin:
Bei wie so vielen der jüngeren Generationen begann meine aktive KYUSS-Hörphase erst lang nachdem das Original-Lineup um Homme, auf der einen Seite und Björk/Garcia, auf der anderen sich überworfen hatte. Die von Josh Homme als Nachfolgeband ins Leben gerufenen QUEENS OF THE STONE AGE starteten um die Jahrtausendwende richtig groß durch und waren mit dem Video zu No One Knows quasi omnipräsent auf einschlägigen Musikkanälen. Was das alles mit Blues For The Red Sun zu tun hat?
Nun, ich wurde auf den Geschmack gebracht, auch wenn der Sound der Queens nur am Rande etwas mit KYUSS zu tun hatte, wurde ich doch angeregt Grundlagenforschung zu betreiben. Und die Recherche zahlte sich aus, erst wanderte Sky Valley in meinen Besitz und wenig später folgte schließlich Blues For The Red Sun. Was mich immer an dieser Platte faszinierte war die Kombination aus purem Laid Back-Feeling in Songs wie 50 Million Year Trip bei denen man nicht überrascht gewesen wäre, wenn plötzlich grünliche Rauchschwaden aus den Lautsprechern aufsteigen würden und fast schon kontrastär dazu, die straighte, tiefe Heaviness, die durch das Gitarrenspiel Hommes über Bassequipment erzeugt wurde. Dann wäre da natürlich noch dieser unverwechselbare, fast schon poppige Groove in jedem Song der Platte – eine perfekte Symbiose aller Instrumente, geschaffen um den Hörer für die Dauer der LP in die Wüste zu beamen und ihm förmlich den staubtrockenen Sand in Nase und Mund zu pusten. Durch dieses fast schon bildliche Klangerlebniss war diese Platte (zusammen mit Welcome To Sky Valley) sicherlich eine Art persönliche Initialzündung, die mein Interesse bis zum heutigen Tag an Stoner Rock zu verantworten hat.

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