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GARISH: Am Ende wird alles ein Garten

Bei den Österreichern GARISH, der vielleicht besten Indierock-Band für Kenner, klingt selbst die Wut noch sanft. Ihre hängenden Gärten zwischen Piano-Ballade, Alt-Pop, Bar-Jazz und Americana sind so schön und selten, dass man sie unter Naturschutz stellen will.

Eine richtig gute Indie-Rock-Band mit deutschsprachigen Texten? Schauen wir mal nicht nach Hamburg, wo die Elbphilharmonie im Nebel steht, nicht in Berlins Hinterhöfe und nicht nach Köln, wo Bauarbeiter seit 770 Jahren an diesem monumentalen Klotz werkeln, der sich Dom nennt. Schauen wir mal wieder – es ist ja kein Geheimnis – hinüber in die Alpenrepublik. Dorthin, wo sich (Vorsicht, es folgen Klischees!) Landhäuser an Weinschenken reihen, Kräuterwiesen an Vogelschutzgebiete, Buchenwälder an Schlösser. Herrgott! Schauen wir ins Burgenland.

Dort ist die Band GARISH zuhause. Sie sind schon seit 1997 am Start und legen mit „Am Ende wird alles ein Garten“ – bitte vormerken für den schönsten Albumtitel des Jahres – ihr mittlerweile achtes Studioalbum vor. Das erste seit langer Zeit, denn „Komm schwarzer Kater“ datiert bereits auf das Jahr 2017.

Und es ist wieder so ein Album, das von einigen übersehen werden könnte, zumindest in Deutschland. Aber es ist doch ein phänomenales Album, ein einschmeichelndes und sanftwütiges Schmuckkästchen voller liebevoller Inszenierungen und guter Texte. Oder, ganz dem Albumtitel entsprechend: tatsächlich ein üppiger Garten, behutsam angelegt, aber nicht zu korrekt, mit dezentem Wildwuchs, Käfern und zirpenden Grillen. Steht dort nicht sogar ein Reh? Man könnte schnell die Doppeldeutigkeit des Albumtitels übersehen, denn wenn am Ende alles ein Garten wird, ist auch die dezente Ahnung des Todes nicht weit – das alles Überwuchernde, sogar die Abwesenheit des Menschen. Es ist ein tröstendes Bild auch für Chaos.

Landschaftsarchitekten subtiler Arrangements

GARISH haben als Indierock-Bands mit leicht bedeutungsschwangeren Texten angefangen, auf dem ersten Album zeigten sich noch deutlich Britpop-Einflüsse. Doch sie haben dann ihren Sound immer mehr verfeinert und um Nuancen angereichert, haben Alt-Country und Barjazz hinzugenommen, auch eine melancholisch-romantische Atmosphäre.

ELEMENT OF CRIME sind ein wiederkehrender Vergleich, aber man könnte fragen, ob sie nicht doch näher an Bands wie CALEXICO oder WILCO liegen. Denn auch bei ihnen gibt es Americana-Feeling und folkige Klänge, ganz behutsam eingeflochten, und manchmal sogar -Chapeau!- einen Hauch von Chanson. Die Songs sind oft sehr reduziert gehalten, das Grundgerüst mit viel Akustikgitarre und fast jazzigen Arrangements. Der Bass von Kurt Grath hat einen warmen Klang, die Gitarre von Julian Schneeberger kommt mal leicht fuzzig, dann wieder countryesk-melodisch daher.

Auch auf dem vorliegenden Album zeigen die vier Musiker, allesamt Könner, wieder eine beeindruckende Arrangierkunst. Sie mischen Bläser in ihren Sound und Percussion, eine Vielzahl an Instrumenten: Klarinette und Saxophon, Bratsche und Cello, das Piano und die Hammondorgel gehört seit jeher zu ihrem Klangkosmos. Aber das alles ist so behutsam in Szene gesetzt, dass gar nicht auffällt, wie opulent die Zutaten mitunter sind. Die Songs fließen sanft und wirken nie überladen, auch weil die vier Musiker sie nicht überfrachten. Es sind oft wenige Motive, die die einzelnen Instrumente gestalten und umkreisen, sie lassen Raum und Luft zu atmen. Das gibt der Musik bei aller Schwermut eine fast unverschämte Leichtigkeit und ein einschmeichelndes Gefühl.

Suche nach Leichtigkeit

GARISH machen keinen Hehl daraus, dass sie auch nach Leichtigkeit suchen. „Hände hoch und dann/ auf und davon/ mein Herz“, so lautet die erste Zeile des Albums, bis Thomas Jarmer die alles entscheidende Frage stellt: „Schwerelos, wie geht das noch?/ Komm, ich schieß dich auf den Mond!/ Da, wo deine Beine stehen,/ kennt die Schwerkraft kein Pardon!“

Natürlich, die Schwerelosigkeit hat hier einiges Gewicht, eine melancholische und durchdringende Gravitation: Es ist mehr eine Suche denn ein Statement. „Pardon“ schwebt leicht und zurückgelehnt mit Hammond-Sounds, hingetupften Gitarrenakkorden und jazzigen Drums dahin, bis der Song tatsächlich zu schweben beginnt. Die ätherischen Chöre erinnern an THE BYRDS, während sich im Mittelteil kurzzeitig Latino-Grooves dazugesellen.

„Wünsche sind/ das stimmt/ wie ein Gegenwind“, heißt es in „Ding Dong“. Hier kommen im Refrain opulente Bläser ins Spiel, und Thomas Jarmer zitiert den großen Udo Jürgens auf eine Weise, die nicht nur nostalgische Erinnerungen weckt, sondern auch daran erinnert, dass Jürgens mehr als ein Schlagersänger war – ein Meister des Chansons. „Ding Dong, Ding Dong/ Ich sitz vor deiner Tür/ an einem weißen Klavier,“ singt Jarmer, während die Bläser sanft schwingen und nie den Song erdrücken.

GARISH haben keine Weltflucht-Platte vorgelegt

Aber das hier ist keine Weltflucht-Platte. Es ist ein Album, „um den täglichen Wutausbruch einigermaßen gut hinzubekommen“, wie Starmer im Interview mit FM4 sagt. Er beobachtet angesichts der Wiederwahl von Trump und zunehmendem Hass, wie die weltpolitische Lage auch persönliche Beziehungen aus dem Gleichgewicht bringt oder zumindest bedroht, „das Bewusstsein, wie fragil das Zusammenleben ist und die Konventionen, auf die wir uns eingelassen haben“.

Und so kommt ‚Die Faust‘ als eine Art Protestsong daher, der sich nicht wie einer anhört – eine opulente Ballade mit Klarinette, Saxophon und Piano. Eine akzentuierte Gitarre klagt über einem zurückgelehnten Groove, während Starmer zwischen Liebe, Wut und Zukunftsängsten hin- und hergerissen scheint. ‚Das Leben ist ein Fest und ein hoffnungsloser Rausch‘, singt er und beklagt zugleich den Weltenlauf: ‚Wie die Welt sich dreht/ jeder neue Tag/ es regt mich einfach auf.‘ In die Sehnsucht nach Nähe mischen sich verzweifelte Gesten: ‚Das ist keine Hand, das ist eine Faust, beiß in meine Faust!‘, fordert er schließlich. Es bleibt die Frage, ob die Wut über die Welt stärker ist als der Wunsch nach Halt: ‚Halt mich/ Jetzt gleich/ es wär vielleicht kein Fehler/ Ich weiß es ganz genau‘.

Humorvolle Pointierungen

Nächtliches Grübeln und Wachliegen sind auch Thema im Titelsong. Sanft, fast flüsternd, tastet sich Jarmer in den Song hinein, begleitet von einer akustischen Gitarre: ‚Wir liegen die halbe Nacht lang munter,/ Was hat es eingebracht,/ zählen die Sorgen rauf und runter,/ Wecker auf kurz vor acht./ Was für ein Alptraum, kalt und dumber,/ Bin ich schon aufgewacht?‘ Allmählich wird der Song beschwingter und tröstlicher, ein Saxophon setzt im Refrain Akzente, „die Luft voll Melodien“. Häufig blitzt in den Texten Schmäh durch, ein Augenzwinkern. Es ist eine Stärke der Band, dass ihre Interpretation von Melancholie selten bitter klingt, sondern sich angenehm einschmeichelnd entfaltet.

So fallen kleine Nuancen auf, die den akustisch geprägten Rock auf fast witzige Weise akzentuieren. Der Latino-angehauchte Rhythmus in „Tausendmal ja“ – ist er vielleicht von ED SHEERANS „Shape of You“ entlehnt? „Etui“ klingt wie ein sanftes Wiegenlied, durchsetzt mit pointierten Zeilen wie ‚Die Welt ist schlecht/ Doch gut ist es daheim,/ Das Tageslicht brennt Löscher in dein Bein‘. Eine Hymne an das verlorene Kind in uns? ‚Dein Hang zur Hexerei ist lange schon vorbei,/ Das Universum hält uns keinen Parkplatz frei.‘ Es fällt nicht schwer, aus diesen Zeilen auch Humor herauszulesen, wenn auch subtil: keine Schenkelklopfer, sondern eher ein leises Schmunzeln über die eigenen Zweifel und Befindlichkeiten.

Apropos Americana: Manchmal flimmern und zerfließen die Songs wie die Luft über einem aufgeheizten Highway an einem schwülwarmen Sommertag. Dieses Album ist so durchdacht, behutsam arrangiert und von einer atmosphärischen Tiefe, wie man sie in der deutschsprachigen Musik nur selten findet. Der akustische Indie-Rock von GARISH ist so schön und selten, dass man ihn fast unter Naturschutz stellen möchte. In Österreich sind sie längst kleine Stars: Es wäre schade, wenn man sie in Deutschland überhören würde.

VÖ: 13. März 2025

Spielzeit: 34:30

Label: Ink Musik

Line-Up:

Thomas Jarmer: Gesang, Akkordeon
Julian Schneeberger: E-Gitarre
Kurt Grath: Bass
Markus Perner: Schlagzeug

GARISH „Am Ende ist alles ein Garten“-Tracklist:

1. Pardon (Video bei Youtube)
2. Jackpot
3. Ding Dong
4. Das können wir besser
5. Die Faust
6. Am Ende wird alles ein Garten
7. Tausendmal ja
8. Etui
9. Waterloo
10. Herz und Hirn

Mehr im Netz:

https://www.garish.at/