Na, weil es im Frühling erscheint, ist doch klar! Sogar direkt zu Frühlingsanfang. Und da auch zu dieser Jahreszeit die Sonne eine nicht unerhebliche Rolle spielt beim Spazierengehen, entfaltet dieses Album jetzt schon einen ganz besonderen Zauber – wenngleich ich mir sicher bin, dass ich auch im Herbst nochmal dazu greifen werde, denn es ist einfach zu schön, um wahr zu sein, es ist endlich passiert: Jemand hat es geschafft, den Zauber von SUMMONINGs „Dol Guldur“ und des bisher leider einzigen Albums von CALADAN BROOD, „Echoes Of Battle“, in neue Musik zu gießen.
Und das ist keine einfache Übung, denn obwohl es haufenweise Dungeon Synth gibt und auch ein paar durchaus von SUMMONING beeinflusste Künstler im Untergrund ihr Unwesen treiben, lassen mich deren Werke doch meistens kalt. Nicht so im Falle von CERCLE DU CHÊNE, dem Projekt der französischen Musikerin Joanna „La Griesche“ Maeyens, die sich hier gemeinsam mit vier männlichen Gästen aufgemacht hat, mit einfachen Mitteln ein zauberhaftes Konzept zu vertonen und es dabei Liebhabern der metallischen Märchenmusik der 90er Jahre mal so richtig warm ums Herz werden zu lassen.
Herbst- und Jagdgeschichten aus der Perspektive der Tiere
Dem Promotext zufolge geht es in ihrem Konzept um Geschichten von der Jagd, aber aus der Perspektive der Tiere, und da finde ich es dann gleich doppelt schade, dass mir die Texte nicht vorliegen und ich außerdem kein Französisch kann, denn gerne hätte ich gewusst, ob sich meine musikalisch evozierten Empfindungen mit den lyrischen decken: Ziehen die Tiere gegen ihre Peiniger in die Schlacht? Oder bewundern sie sie aus der Ferne, nur um dann hinterrücks erschossen zu werden?
Man weiß es nicht, aber was ich höre und fühle, ist – wie oben bereits angedeutet – eine Mischung aus dem dunkel-glitzernden Zauber verwunschener Wälder und einer erhabenen Streitmacht, die sich aufmacht, für das Wahre, Gute und Schöne in die Schlacht zu ziehen, und ja, ich weiß, das ist albern, kitschig und romantisch, aber meine Rezeptoren reagieren nun einmal darauf, und es tut niemandem weh, also Ruhe jetzt!
CERCLE DU CHÊNE setzen den Stich ins Herz so gekonnt wie die großen Vorbilder
La Griesche hat die große Kunst Richard Lederers, mit wunderbar simplen Melodien die allergrößten Gefühle hervorrufen zu können, wirklich verinnerlicht: Direkt im ersten Song hören wir einen Synthie-Klang, wie er direkt von einem alten SUMMONING-Album stammen könnte, mit einer melancholischen Tonfolge, die den Stich ins Herz ganz tief setzt und mich spontan wieder 17 werden lässt. Und so geht es weiter: Die Melodien werden ewig wiederholt, immer wieder verändert sich die (meist schleppende) rhythmische Untermalung etwas, so dass es spannend bleibt, darüber wird intensivst gekrächzt und erhaben gesungen, ach, es ist einfach herrlich 90er, das alles.
Ein Highlight ist „La Croix entre les Bois“, in dem wir diese traumhaften Synthie-Bläser (Leon „Hyver“ Guiselin, bekannt von zahlreichen anderen Bands des Antiq-Labels, zeichnet für die Synthies verantwortlich) hören, von deren Klang ich irgendwie nie genug kriegen kann (am schönsten finde ich natürlich die synthetischen Holzbläser), aber eigentlich bietet jedes Stück massenhaft Material für nostalgisch-eskapistische Ausflüge in die Natur oder die eigene Traumwelt. Schön auch der Einsatz eines echten Dudelsacks – der klingt nämlich in Synthie-Version eher selten schön.
Was aber wäre diese Art von Musik ohne eine überzeugende Gesangsperformance? Eben. Daher legen sich die drei Herren in den überaus opulenten Chören aufs Edelste ins Zeug, und Madame La Griesche krächzt sich einen zurecht, dass es eine helle Freude ist. Die Produktion lässt alle Elemente elegant strahlen, und spätestens, wenn in „Un duel de rois“ das (vermutlich synthetische, aber das muss bei diesem Stil so) Schlagzeug den Schellenkranz auspackt, kann ich nicht mehr vor Rührung: Das ist genau die Musik, bei der ich mich vor 25 Jahren schon nicht mehr eingekriegt habe, perfekt ausgeführt und mit einem wunderschönen Cover, und deshalb ist das jetzt hier auch der Fall: Kauft „Récits de l’automne et de chasse“ von CERCLE DU CHÊNE, wenn ihr auch nur ein bisschen was für die großen Vorbilder übrig habt, und werdet kurz ein bisschen glücklich, bitte!
Spielzeit: 52:33 Min.
Veröffentlichungsdatum: 21.3.2025
Label: Antiq
CERCLE DE CHÊNE „Récits d’Automne et de Chasse“ Tracklist
1. Dans le Crystal du Givre
2. Le Trésor dans l’Onde Noire
3. Sur les Toits d’une Tour (Lyric-Video bei YouTube)
4. Aux Jours de Chasse (Lyric-Video bei YouTube)
5. La Croix entre les Bois
6. Un Duel de Rois
7. Retour vers l’Aube