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ARANIS: II [Eigenproduktion]

Eine fesselnde Mischung aus Kammerkonzert und KING CRIMSON. Wer das musikalische Gegenstück zu einem Spaziergang durch einen verwunschenen Wald sucht, ist bei ARANIS genau richtig!

Obwohl das vorliegende Album bereits 2007 erschien, wurde ich erst im November 2008 darauf aufmerksam, als ARANIS in Würzburg beim Freakshow-Festival spielten. Die Band um Kontrabassist und Komponist Joris Vanvickenroye räumte dort nach allen Regeln der Kunst ab. Dabei passt die belgische Gruppe eigentlich gar nicht in das typische Progschema. Statt Hammond-Orgel gab es Klavier, statt Mellotron echte Streicher, statt vertrackten Schlagzeugparts Akkordeonklänge und statt lästigem Fistelgesang geschmackvolle Akustikgitarren. Einzig die verspielte Querflöte erinnerte hier und da an JETHRO TULL, ÄNGLAGARD und Co.

Einerseits enthielten die Stücke – Prog-typisch – allerlei verzweigte Melodiebogen und immer wieder disharmonische Einwürfe. Andererseits agierte die Gruppe – völlig Prog-untypisch – mit sichtbarer, ungekünstelter Spielfreude. Das Programm wurde nicht einfach abgespult, sondern die Musik mit Herzblut zum Leben erweckt. Auf CD kommt dieser Aspekt natürlich nicht zur Geltung. Trotzdem kann ich das Album nur wärmstens empfehlen. Denn es gibt sowohl dem stagnierenden Prog-Genre neue Impulse, als auch der zeitgenössischen klassischen Musik eine Plattform abseits von Filmsoundtracks und Rock-meets-Klassik-Projekten. Ich würde solche Betrachtungen eigentlich als zweitrangig betrachten, wären die Strukturen in der Musikwelt nicht so festgefahren.

Die Musik von ARANIS gefällt vermutlich nur einem Bruchteil der aufgeschlossenen Musikfans, die abseits der Charts und Label-Veröffentlichungen die Ohren öffnen. Genau deshalb ist die Mehrheit der Leute, die eine Vorliebe für Progressive Rock haben, so begeistert von der geheimnisvollen, teils wirren, teils romantisch wilden Klangwelt, die ARANIS mit ihren Instrumenten erschaffen. Die fesselnde Mischung aus Kammerkonzert und KING CRIMSON besticht durch kreative Arrangements und gelungene Tonmalerei. Häufig verschleiern Taktwechseln und fast schon perkussive Akkordhämmer die eigentlichen Melodien. Einzig bei Looking Glass kann sich das Geigenthema voll entfalten. Doch auch dieses Stück belässt es nicht bei dieser einen (fast schon folkigen) Hookline. Zuerst umspielt das Klavier die Melodie, dann verschiebt sich abrupt die Betonung und Klavier, Geige und Querflöte stacheln sich gegenseitig an. Der dynamische Kontrabass hält das Ganze zusammen, während das Akkordeon immer wieder versucht, die Akteure aus dem Konzept zu bringen. Das Eingangsthema wird genau zum richtigen Zeitpunkt wieder aufgegriffen, ehe man als Hörer den Überblick verliert bzw. der Spannungsaufbau ins Chaos mündet.

Weitere Höhepunkte sind die 7/8-Nummer Moja und das fast schon besinnliche Vala. Klangflächen und Melodiefragmente werden hier gekonnt miteinander verwoben. Das vielschichtige Walking In One`s Sleep braucht eine Weile, um in Gang zu kommen, entwickelt sich dann aber auch zu einem wundervollen Hörerlebnis. Die Versuchung ist groß, einfach die Augen zu schließen und sich fallen zu lassen.

Beim Streifzug abseits der ausgetretenen Pfade entpuppen sich manche Ideen als Irrwege. Bei Waris wird die Atmosphäre beispielsweise von einer jazzigen Trompete gestört. Solche Ausrutscher sind jedoch die Ausnahme. Vermutlich haben diese Elemente für Freunde moderner Klassik ihren Reiz. Allgemein werden die häufigen Spannungsmomente nur selten zufriedenstellend aufgelöst. Wer Harmonie und Einigkeit sucht, ist mit Howard Shore-CDs sicherlich besser beraten. Wer aber das musikalische Gegenstück zu einem Spaziergang durch einen verwunschenen Wald sucht, ist bei ARANIS genau richtig!

Spielzeit: 54:43 Min.

Line-Up:
Linde De Groof: Geige
Liesbeth Lambrecht: Geige
Marjolein Cools: Akkordeon
Axelle Kennes: Klavier
Stijn Denys: Gitarre
Jana Arns: Querflöte
Joris Vanvinckenroye: Kontrabass

Homepage: http://www.aranis.be

MySpace: http://www.myspace.com/aranis

Tracklist:
1. Kitano
2. Vala
3. Looking Glass
4. Gona
5. Walk In One`s Sleep
6. Moja
7. Waris
8. Turbulentie
9. Trog
10. Lovey-Dovey
11. Mythra

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