Amorphis - Borderland Cover

AMORPHIS: Borderland

„Borderland“ ist durch und durch gefällig konzipiert. Die neu gewonnene Leichtigkeit allein reicht aber nicht, um nachhaltig zu fesseln. Keine Bruchlandung, aber für eine Band wie AMORPHIS doch zu wenig.

AMORPHIS haben es geschafft: In all den Jahren schwang in der Musik der Finnen immer eine kleine düstere Note mit. Selbst in erhebenden Momenten, konnte sich das Gespann nicht von einem Hauch Schwermut trennen. Der 15. Anlauf aber erreicht, was kein Werk zuvor vermochte: Es entdeckt die Leichtigkeit und wirft sich ihr mit offenen Armen entgegen.

Die Essenz von „Borderland“ ist letztlich kein gänzlich unerwünschtes Resultat, wenn man der Band glaubt, die sich beim Schreiben zuvorderst auf Atmosphäre und Melodien konzentrieren wollte. Dieser Aspekt gelingt auch ausgesprochen meisterlich: Geradezu leichtfüßig tänzelt „The Circle“ durch den Äther, lässt die Gitarren ähnlich schwerelos erscheinen, wie es bisweilen in „Empty Opening“ auf „Eclipse“ (2006) der Fall war. Hauptaugenmerk allerdings liegt auf den Keyboards, die das gesamte Arrangements auf flauschige Wolken betten.

AMORPHIS beseitigen auf „Borderland“ jegliche Unreinheiten aus ihrem charakteristischen Sound

Demgegenüber stehen die drückenden Riffs von „Bones“, wo Tomi Joutsen mit markigen Growls eine Duftnote hinterlässt, die in bandtypischer Manier von orientalischen Klangfarben angereichert wird. Die Überraschung kommt im Refrain, der plötzlich wieder süßlich-unbekümmert die Seele streichelt. Der Hang zur Eingängigkeit hat hier einen Preis: Würde man die zarten Synthesizer durch Fanfarenstöße ersetzen, hätte hier auch SABATONs Joakim Brodén eine gute Figur gemacht.

Dass selbst der härteste Track des Albums mit angezogener Handbremse intoniert wird, ist der Dramaturgie der Platte nicht unbedingt förderlich. Weil eben die Peitsche in der Tasche bleibt, haben wir uns am Zuckerbrot schneller sattgegessen, als uns lieb ist. Selbstzufriedenheit scheint bisweilen der treibende Faktor, tauschen AMORPHIS doch den Ehrgeiz der vergangene Alben gegen eine gestriegelte Interpretation ihres charakteristischen Sounds.

„Borderland“ fehlt es an Ankerpunkten, obwohl die Handschrift AMORPHIS‘ zu erkennen ist

Besonders eklatant wirkt der Verlust der progressiven Anleihen im Schlagzeugspiel Jan Rechbergers, der in der auf Tanzbarkeit getrimmten Diskonummer „Dancing Shadow“ vornehmlich durch simple Rhythmik auffällt. Auch „Light And Shadow“ mit seinem an den Eurodance angelehnten Intro lässt jeglichen Tiefgang schmerzlich vermissen.

Obwohl AMORPHIS sich keineswegs von ihrer unverkennbaren Handschrift verabschieden, fehlt es „Borderland“ an Ankerpunkten. Der Fokus auf schöne und eingängige Melodien allein ist zu wenig, um über Albumlänge Bestand zu haben. Wo früher fordernde Strukturen oder zumindest harte Konturen für Kontraste sorgten, fließt das Material nun so harmonisch und glatt ineinander, dass wir die erinnerungswürdigen Kniffe und Augenblicke wohl nicht einmal zu fassen bekämen, sollten sie sich irgendwann aus der Zuckerwatte schälen.

„Borderland“ stirbt in Schönheit

Dieser Umstand allein macht einen Großteil der Kompositionen ja nicht einmal schlecht: Für sich genommen sind „The Strange“, „Fog To Fog“ oder der zwischen „Silent Waters“ (2007) und „Skyforger“ (2009) sitzende Titeltrack durchaus manierliche Stücke. Im Verbund jedoch tritt das Werk in seiner Unaufdringlichkeit schnell in den Hintergrund, als würde es sich schämen, auch nur einen Bruchteil unserer Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen. Immerhin bleibt „Borderland“ in dieser Hinsicht konsequent, so dass wir dem Sextett eine fehlende Vision keineswegs zum Vorwurf machen können. Ein wenig bitter ist es trotzdem, dass AMORPHIS es im 15. Anlauf endlich geschafft haben, die Leichtigkeit zu entdecken, nur um dann im Verlaufe der 50 Minuten in Schönheit zu sterben.

Veröffentlichungstermin: 26.09.2025

Spielzeit: 49:47

Line-Up

Tomi Joutsen | Gesang
Esa Holopainen | Gitarre
Tomi Koivusaari | Gitarre
Olli-Pekka „Oppu“ Laine | Bass
Santeri Kallio | Keyboards
Jan Rechberger | Schlagzeug, Perkussion

Produziert von Jacob Hansen

Label: Reigning Phoenix Music

Homepage: https://amorphis.net/
Facebook: https://www.facebook.com/amorphis
Instagram: https://www.instagram.com/amorphisband
Bandcamp: https://amorphis.bandcamp.com/

AMORPHIS “Borderland” Tracklist

  1. The Circle
  2. Bones (Video bei YouTube)
  3. Dancing Shadow (Video bei YouTube)
  4. Fog To Fog
  5. The Strange
  6. Tempest
  7. Light And Shadow (Lyrics-Video bei YouTube)
  8. The Lantern
  9. Borderland
  10. Despair