Also wenn ich irgendwo Drama oder gar Melo-Drama lese, dann bin ich ratzfatz weg. Die Deutschen sind mir meist zu aufgeblasen, zu dramatisch um des Dramas willen, Franzosen neigen da eher zu tränentreibenden Kitsch, nee, nicht meine Welt. Dann doch lieber Richtung Skandinavien schauen, die wissen, wie man gute Filme mit Tiefgang macht. Dementsprechend neugierig war ich auf Stockholm Ost, zumal man es mit vertrauten Gesichtern bekannter Stars zu tun hat, die man immer wieder gern sieht. Multitalent Mikael Persbrandt kennen Krimifans als den knurrigen, unangepassten und oft eigenwilligen Kollegen Gunvald Larsson vom knuffigen Kommissar Beck. Und hossa, heiliger Bergtroll, er wird in Kürze auch als Gestaltwandler Beorn zu sehen sein, wenn er als der geheimnisvoller Hüne dem Zauberer Gandalf, Bilbo Beutlin und den dreizehn Zwergen in Der kleine Hobbit Unterschupf bietet. Mit dem garantierten Megahit wird wohl auch Persbrandt seinen internationalen Durchbruch haben. Ihm gegenüber steht die attraktive Dänin Iben Hjejle, die man unter anderem vom Schwedischen Krimihelden Wallander kennt oder auch von der unterhaltsamen US-Komödie High Fidelity. Diese beiden Schauspieler sind Zentrum des Films, die ebenfalls gut besetzten Nebenrollen ihrer Beziehungspartner überzeugen, viel mehr Menschen finden nicht mehr statt.
Die Story ist typisch schwedisch recht schräg und ließe reichlich Freiraum für Kitsch und Gefühlsduselei, die Reduzierung auf die zwei Menschen im Strudel von Liebe, Schuld und Lüge lässt dies zum Glück nicht zu. Johan (Mikael Persbrandt) überfährt ein kleines Mädchen, dieses stirbt. Im Krankenhaus sieht er dessen Mutter Anna (Ibe Hjejle) und fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Anna verdrängt den Tod ihrer Tochter, Mikael ist zerfressen von Schuldgefühlen. Es kommt zu weiteren Begegnungen – Anna war nicht bei der folgenden Gerichtsverhandlung, bei der Mikael freigesprochen wurde, und kennt ihn daher nicht – und es entwickelt sich wenig überraschend eine leidenschaftliche Beziehung, anfangs hinter dem Rücken der eigenen Partner. Natürlich werden sie von Anna´s Freund erwischt, der Mikael von der Gerichtsverhandlung kennt, die Lügen fliegen auf – eigentlich vorausschaubar, aber mit genügend Wendungen. Wo die Story selbst auf große Überraschungen verzichtet, da punkten die Schauspieler, Persbrandt und Hjejle nimmt man jede Minute des Films ab. Fast mag man meinen, die tiefe Zuneigung zwischen den beiden wäre echt, mit wenigen Blicken schaffen sie mehr Tiefgang als so mancher kompletter Film. Die Kamera hält einen fast immer etwas auf Abstand und macht einen zum heimlichen, fast verschämten Zuschauer, das Spiel aus dunklen Bildern und schön anmutenden Szenen schafft eine gelungene Intimität. Die Thematik hätte allerdings mehr Raum vertragen, die Lovestory überdeckt doch oft das Auseinandersetzen mit dem Tod, der Trauer, der eigenen Schuld, man fühlt sich gelegentlich zu schnell in die nächste Szene geschoben. Mag sein, dass es wie so oft eine längere Kinoversion gab, die für das Fernsehprogramm geschnitten wurde. Trotzdem bleibt Stockholm Ost ein gelungener, ergreifender Film, der zum Mitleiden einlädt.
Ein beeindruckender Film, der in Zeiten all des Ami-Kitsches gut tut, traurig macht, auch mal wieder bewusst macht, wie wertvoll Liebe ist, egal ob zum Partner, den eigenen Kindern, Eltern oder auch engen Freunden. Stockholm Ost schaut man sich gerne wieder an, wer anspruchsvolle Filme mag sollte hier zugreifen. Bonusmaterial gibt es nicht.
Vorab kann man sich einen Trailer anschauen:
STOCKHOLM OST: Film-Trailer bei YouTube
Format: Dolby, PAL
Sprache: Schwedisch (Dolby Digital 5.1), Deutsch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Region: Alle Regionen
Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Veröffentlichungstermin: 23.11.2012
Spielzeit: 91 Min.
Hauptrollen:
Mikael Persbrandt (Johan)
Iben Hjejle (Anna)
Henrik Norlén (Anders/Partner von Anna)
Liv Mjönes (Kattis/Partnerin von Johan)
Label: Edel:Motion