Die Uber Eats Music Hall füllte sich am 13. November bereits früh. Vier Bands – vier Stilrichtungen. Und ein Publikum, das sichtbar bereit war, sich einmal quer durch das moderne Metal- und Alternative-Spektrum treiben zu lassen.
CANE HILL eröffneten den Abend – und während sich die Halle mit Beginn des Openers zusehends füllte, blieb der musikalische Eindruck eher zwiespältig. Die Band aus New Orleans, welche in den letzten Jahren immer wieder zwischen Nu Metal, Metalcore und düsterem Alternative hin- und herpendelte, präsentierte sich zwar energiegeladen, aber stilistisch etwas unrund.
Zwar versuchte Frontmann Elijah Witt, mit seinem charakteristischen Wechsel zwischen klagendem Clean-Gesang und harschen Shouts, Dynamik zu erzeugen, doch die Songs blieben insgesamt ein wenig blass. Dennoch feuerte der Auftritt die Menge zusehends an, denn vor der Bühne bewegte sich etwas: Die ersten Headbanger ließen sich blicken, einige Fans schienen die Band bereits zu kennen, und beim letzten Track taten sich sogar zwei kleine Moshpits auf – ein Anzeichen dafür, dass die Crowd zumindest bereit war, sich auf den Abend einzulassen. CANE HILL lieferten damit zwar keinen musikalischen Höhepunkt, aber einen ordentlichen Warm-up-Moment
CANE HILL Fotogalerie



















Ein waberndes blaues Licht und ein episches Trommel-Klavier-Intro legten einen fast filmmusikreifen Start für SAOSIN hin – atmosphärisch dicht, verheißungsvoll und deutlich professioneller inszeniert als beim Opener. Für einen kurzen Moment schien es, als würde die Band ihre post-hardcore-geprägte Vergangenheit mit einem kinoreifen Anspruch verbinden wollen. Doch kaum stand das Quartett auf dem Podium, driftete der Sound unvermittelt in Richtung Highschool-Rock ab. Melodischer, freundlich polierter Pop-Rock, der eher unserer Meinung nach nicht so recht in die Halle passte.
Allerdings: Das Publikum sah das teilweise anders. Man merkte schnell, dass SAOSIN einen höheren Bekanntheitsgrad und eine treuere Fanbase haben. Ein beachtlicher Teil des vor der Bühne ausharrenden Fußvolks setzte sich sofort in Bewegung. Es wurde mitgewippt, genickt, textsicher mitgesungen – nicht ekstatisch, aber durchweg positiv gestimmt.
Später folgte dann der obligatorische Moment, den mittlerweile viele Künstler in ihrem Set unterbringen: Die Bitte, die Smartphone-Lampen hochzuhalten. Ein Lichtermeer aus LED-Punkten füllte die Halle.
Zum Ende hin wollten SAOSIN den Core-Charakter ihrer Wurzeln nicht ganz verlieren.
Beim letzten Titel wurden schließlich doch noch ein paar schroffe Screams kredenzt, die daran erinnerten, dass die Band einst ein zentraler Name im frühen Post-Hardcore war.
Prompt formte sich im Zentrum der Menschenmenge ein nennenswerter Moshpit – deutlich energischer als zuvor. Für einen Moment blitzte die alte Kante von Saosin auf, bevor das Set in einem Mix aus Nostalgie und wohlwollendem Applaus endete.
SAOSIN Fotogalerie
















Punkt 19:45 Uhr begann das Set von CURRENTS – kaum erklangen die ersten lieblichen Metalcore-Djent-Töne, fühlte man eine Art akustische Wunderheilung. Es ging mitten ins Gesicht, als die Band innerhalb von Sekunden von Null auf Hundert schaltete, als hätte sich die Energie des gesamten Abends bis zu diesem Moment aufgestaut.
Was dann folgte, war eine Lehrstunde in moderner Metalcore-Gewalt: Ein Beatdown jagte den nächsten und drang durch Mark und Bein, der Bass vibrierte wie ein seismischer Impuls durch den Boden, und selbst die hintersten Ecken der Halle blieben nicht verschont. Die gutturalen Screams und Growls von Brian Wille – präzise, tief, aber nie übersteuert – trafen auf seine fast ätherischen Cleanvocals, die live überraschend stabil und glasklar wirkten. Jede emotionale Nuance war vorhanden, doch im Moshpit verpuffte davon naturgemäß so gut wie alles: Der setzte nämlich bereits mit dem ersten Ton ein, wabernd, kreisend, völlig unaufhaltsam.
Crowdsurfer schwammen unentwegt über ein Meer aus Körpern Richtung Bühne, als würde die Menge unter ihnen eine pulsierende Welle bilden. Security und Frontrow hatten alle Hände voll zu tun, während CURRENTS ohne einen Funken Gnade durch ihr Set bretterten.
Präzise Djent-Riffs, melodische Bridges, abrupte Bass-Drop-Abstürze – alles nahtlos, druckvoll und mit einer Bühnenpräsenz, die selbst auf Distanz einschüchterte.
Es wirkte beinahe, als könne man die Staubwolken sehen, die aus den Boxen herausgeblasen wurden, so heftig war der Luftstrom der Gitarrenwände und Drumfills. Wenn es zuvor noch Zweifel gegeben hatte, ob der Abend wirklich ins Rollen kommen würde – CURRENTS fegten sie weg. In diesen 45 Minuten fand die Stimmung der Halle zu dem zurück, was man bei einem Metalcore-Abend erwartet: absolute Eskalation.
CURRENTS – Fotogalerie











Die Uhr schlug um 21:00 und THE PLOT IN YOU betraten endlich die Bühne.
Das Bühnenbild zeigte sofort, dass hier jemand Wert auf Atmosphäre legte: Ein Fernseher, eingebettet in ein stilisiertes Wohnzimmer-Panorama, flackerte hektisch auf, simulierte Nachrichten- und Reizüberflutung, Weltuntergangsgefühl. Sobald die ersten Töne einsetzten, begann die Reise: Atmosphärischer, emotional aufgeladener Metalcore.
Kaum war das Set eröffnet, wurden die ersten Konfettikanonen gezündet – ein kurzer Farbregen, der unmittelbar darauf erneut gestopft und bereit gemacht wurde, als wolle die Band gleich mehrere Euphorieschübe hintereinander abfeuern. Mit fortschreitendem Set wuchs das Lichtermeer, überstrahlt von weit streuenden Scheinwerferstrahlen, während sich die Halle in einen tosenden, wogenden Kessel verwandelte. Crowdsurfer glitten im Minutentakt nach vorne, der Moshpit dehnte sich mit jeder musikalischen Eskalation weiter aus, wuchs organisch wie ein atmendes Wesen. Der Sound war dabei makellos abgemischt – klar, druckvoll, differenziert.
Umso bemerkenswerter war all das, wenn man bedachte, dass Frontmann Landon Tewers laut eigener Aussage „as sick as fuck“ war. Doch davon merkte man kaum etwas.
Kein geschwächtes Timbre, kein Zurückhalten. Im Gegenteil: Landon schmiss sich mit einer Intensität in die Performance, als müsse er den gesamten Saal ein letztes Mal niederreißen, bevor ihn sein Körper im Stich lassen könnte. Ob brachiale Shouts, fragile Falsetthöhen oder die typischen THE PLOT IN YOU-Ausbrüche voller emotionaler Verzweiflung – er zog alles durch und gewann.
Ein späteres Highlight setzte ein völlig anderes Zeichen: Bei „Silence“ setzte sich Landon in das kleine Wohnzimmer auf der Bühne, griff zur Akustikgitarre und verwandelte den wütenden Hexenkessel in einen stillen, fast zärtlichen Moment.
Dieser Kontrast – rohe Härte, explosive Energie und dann fast schon filmische Zerbrechlichkeit. Eine Show, die trotz Krankheit alles überstrahlte.
THE PLOT IN YOU – Fotogalerie






















THE PLOT IN YOU – Setlist
- Don’t Look Away
- Divide
- Pretend
- Paradigm
- THE ONE YOU LOVED
- Face Me
- NOT JUST BREATHING
- Been Here Before
- Silence
- Forgotten
- Spare Me
- Closure
- Time Changes Everything
- Left Behind
- FEEL NOTHING