blank

GROZA, THE SPIRIT, NORNÍR, ANTIKVLT: Konzertbericht – Turock, Essen – 10.12.2025

Vier Bands, ein klarer Fokus: GROZA, THE SPIRIT, NORNÍR und ANTIKVLT demonstrierten im Essener Turock, wie facettenreich Black Metal live funktionieren kann. Ein Abend zwischen Intensität und Schwermut.

Wer an Black Metal denkt, denkt unweigerlich an verschneite Landschaften, unwirtliche Wälder und den ewigen Frost des skandinavischen Winters. Eine Szenerie, mit der die Ruhr-Metropole Essen am 10. Dezember 2025 nicht ganz mithalten konnte – trotz eisiger Temperaturen, bei denen die Besucher über eine Stunde auf den verspäteten Einlass ins Turock warten mussten. Für die bedrückende Atmosphäre war jedoch gesorgt, denn mit ANTIKVLT, NORNÍR, THE SPIRIT und GROZA sollten an diesem Abend vier Bands völlig unterschiedliche Ansätze des extremen Metal präsentieren.

ANTIKVLT

Um 19:30 Uhr eröffneten die Österreicher von Antikvlt den Abend. Das 2023 gegründete Projekt von Gitarrist und Sänger Chris Marrok (ANOMALIE/HARAKIRI FOR THE SKY) brachte die frierende Crowd schnell auf Betriebstemperatur. Der Sound: roh, schnörkelos und ungefiltert. ANTIKVLT entfernt sich von der überladenen Ornamentik, die sich im modernen Black Metal in den letzten Jahren zum Leitbild entwickelt hat. Keine Kerzen, kein Weihrauch, keine Kutten – stattdessen konzentriert sich die Formation auf durchdringenden Sound und psychologisch aufgeladene Texte.

blank
Der Österreicher Chris Marrok dürfte Fans von modernem Black Metal bereits aus Bands wie ANOMALIE bekannt sein.


Wie schon auf ihrem Debütalbum „A Revelation of Intoxication“ (2025) erzählten ANTIKVLT in Essen eine bedrückende, aber dennoch greifbare Geschichte von gesellschaftlichen Abgründen und persönlichen Grenzerfahrungen. Die Band wechselte gekonnt zwischen brutaler Wut und Melancholie, konnte ihr volles Potenzial im Turock aber nicht entfalten. Die eindrucksvollen Stimmungswechsel, mit denen die Österreicher auf ihrem Erstlingswerk punkten, fielen der verkürzten Spielzeit zum Opfer. Lust auf mehr machte der Mix aus Melancholie, Sozialkritik und bedingungsloser Härte aber trotzdem.

Bildergalerie ANTIKVLT

NORNÍR

Die Black-Metal-Formation NORNÍR aus dem sächsischen Freiberg sprang auf der „Nadir over Europe“-Tour für die Briten von ANTE INFERNO ein, die sich im Herbst überraschend aufgelöst hatten. Und sorgte in Essen direkt für eine der Überraschungen des Abends. Corpse Paint, Spikes, Kunstblut – NORNÍR belebt die Metal-Ästhetik der 90er-Jahre eindrucksvoll wieder. Musikalisch stand sauber gespielter Black Metal auf dem Programm, der sich in den Texten an klassischen Themen wie nordischer Mythologie und Spiritualität orientiert.

blank
Klassischer Black Metal mit weiblichen Vocals? NORNÍR aus Freiberg bewiesen im Turock, wie gut das live funktioniert.


Die Band performte im Turock die komplette Tracklist ihres 2023 erschienen Albums „Skuld“. Einzig auf das WARDRUNA-Cover „Helvegen“ und das atmosphärische „Hel’s Postulate“ musste das Publikum verzichten. So wie auch auf eine überladene Bühnenshow, wie man sie von anderen Genrevertretern kennt. Stattdessen schickten die Sachsen das Publikum in Essen mit treibenden Gitarren und weiblichen, ätherischen Vocals auf eine musikalische Reise ins Unterbewusstsein.

NORNÍR – Setlist:

  1. Vigr
  2. Krigsrop
  3. Pest
  4. Galdr
  5. Høst, du ville kraft
  6. Dedicated to the Night
  7. Ere the World Falls
  8. Valr

Bildergalerie NORNÍR

THE SPIRIT

Nach zwei eher introspektiven Bands lockerten THE SPIRIT die Stimmung im Turock wieder auf. Ihre Geheimwaffe: ein intensiver, schneller Mix aus Black- und Death Metal. Der Sound der Formation aus Saarbrücken erinnert an Bands wie AT THE GATES und IMMORTAL und punktet mit perfekter Inszenierung und starken, gutturalen Vocals. THE SPIRIT erfindet das Genre nicht neu, lieferte in Essen aber einen handwerklich soliden Auftritt ab. Während das Publikum bei den ersten beiden Bands noch in stiller Andacht versunken war, flogen zu den ruppigen Melodien die ersten Haare – ein clever inszenierter Bruch im Programm, bevor es mit GROZA wieder düster und atmosphärisch werden sollte.

blank
THE SPIRIT stehen für schnörkellosen Black Metal, starkes Songwriting und eine technisch einwandfreie Performance.

THE SPIRIT – Setlist:

  1. Against Humanity
  2. Room 101
  3. Repugnant Human Scum
  4. Celestial Fire
  5. Pillars of Doom
  6. Illuminate the Night Sky
  7. Nothingness Forever / Cosmic Rain
  8. The Clouds of Damnation

Bildergalerie THE SPIRIT

GROZA

Kurz nach 22 Uhr erfüllte Nebel das Turock. Verschnörkelte Ornamente im Bühnenbild kündigten den Headliner des Abends an. Die Black-Metal-Kombo GROZA aus Mühldorf am Inn wurde 2016 gegründet und erinnerte damals stark an Genre-Größen wie MGLA und UADA. Das gemeinsame Erkennungsmerkmal: schwarze Kapuzen, Lederjacken und eine düstere, fast schon okkulte Bühnenatmosphäre. Während MGLA zuletzt durch die Nähe zur NSBM-Szene in die Kritik geraten war, konnte GROZA an Relevanz gewinnen und entwickelte seit 2021 einen zunehmend eigenen Stil.

blank


Mit ihrem 2024 veröffentlichten Album „Nadir“ hat sich die Band nun endgültig von ihren Vorbildern losgelöst und ist zu einer internationalen Größe gewachsen. Das bewiesen sie auch in Essen, wo sie mit ihrer beeindruckenden Bühnenpräsenz punkteten. Aber auch abseits ihrer optischen Inszenierung lieferte die Formation um Patrick „P.G.“ Ginglseder einen eindrucksvollen Auftritt ab. Nach dieser Show ist einmal mehr klar, dass sich die Bayern nicht mehr als Nachahmer bezeichnen lassen müssen.

Die Band hat sich vor allem in den Bereichen Songwriting und Komposition stark weiterentwickelt. Vom ersten bis zum letzten Song erlebten die Besucher im Turock eine schwere, wütende und emotional aufgeladene Atmosphäre. Die entlud sich erst, als P.G. zur Rotweinflasche griff und den letzten Song des Abends dem 2023 verstorbenen Bassisten Mike widmete. Umgeben von dichten Nebelschwaden sank er am Mikrofon auf die Knie und bescherte dem Publikum einen Gänsehautmoment, der noch lange nachwirken sollte.

Bildergalerie GROZA