CANNIBAL CORPSE, DARK FUNERAL, INGESTED am 24.3.2023 im Komplex 457, Zürich

Schon der ganze Tag ist stürmisch, doch just als man in Zürich auf den Bus will, fängt es an zu gießen. Vereinzelte CANNIBAL CORPSE-Fans zeigen optimistische Frühlingsgefühle und haben sich spontan schon mal die SLAYER-Shorts montiert, selbst wenn sie nun fröstelnd im Bus stehen. Zwei Stationen später taucht das Komplex 457 rechts auf und man hört schon beim Eingang, dass INGESTED bereits die Meute bearbeiten. Der Saal ist ausverkauft, in der Mitte tobt ein Moshpit, Schweiß und Regennässe vermengen sich in der hohen Luftfeuchtigkeit. Die Aussage eines Teenagers im Vorfeld, dass das Komplex 457 mittlerweile eher etwas für jüngere Leute sei, bewahrheitet sich an diesem Abend so gar nicht – jung im Mosh Pit, ja. Um den Mosh Pit herum gediegen mit einem Bier stehen und garantiert über 35 sein – ebenfalls ja. 

INGESTED

INGESTED haben das Publikum an diesem Abend fest im Griff. Der Pit ist eine permanente Realität während ihres Gigs. Das aktuelle Album “Ashes Lie Still” wird wuchtig vorgestellt und die Briten setzen in gefühlt jedem Song auf mindestens eine ausgedehnte Slam-Passage, die unweigerlich Erinnerungen an SUFFOCATION und den vergangenen Brutal Death Metal-Reigen MOUNTAINS OF DEATH aufkommen lassen. Der Körpereinsatz der Band überträgt seine Energie an das Publikum und INGESTED räumen an diesem Abend definitiv tüchtig ab. 

Setliste INGESTED

Rebirth
No Half Measures
Shadows in Time
I, Despoiler
Impending Dominance
Invidious
Echoes of Hate

DARK FUNERAL

Der Gedanke, dass nach den bewegungsfreundlichen INGESTED die seriös-hüftsteifen DARK FUNERAL spielen, erinnert an die Metalmeetings Ende der 90er, als es quasi einen Publikumswechsel zwischen den Death Metallern und den MARDUK-Fans gab. Das ist an diesem Abend allerdings nicht der Fall. Zuspätkommende werden von Szenekennerinnen gleich darüber aufgeklärt, dass STORMRULER nämlich einen mehr als überzeugenden Black Metal-Opener abgegeben hätten, die es trotz Ami-Herkunft locker mit Norwegern aufnehmen können. Also etwas verpasst – punkto Merchandise sind STORMRULER allerdings sehr gut vertreten und bieten stilvoll-designte T-Shirts. 

Merchandise zu Schweizer Normalpreisen

Überhaupt ist reichlich Merchandise (T-Shirts für 30 CHF/Euro) vorhanden. DARK FUNERAL ziehen – überraschend unschwedisch – Bargeld zur Zahlung vor. Dafür ist der “We are the Apokalypse“-Zipper der schwedischen Black Metaller von wirklich toller Qualität und wirklich flauschig (ja, auch Black Metaller wollen Weichheit um ihre Spikes herum). Für 50 CHF/Euro also ein Schnäppchen – man greift hier eher zu als vor einigen Wochen bei KREATOR, die ganze 80 CHF/Euro für ihr Hoodie wollten und so gar bei den Prä-Credit Suisse-Niedergang-Schweizern die Preisschmerzgrenze übertroffen hatten. Punkto Merchandisepreisen ist an diesem Abend alles beim Alten. Dafür muss man an der Bar schon beim Bezahlen erstmal tüchtig schlucken: Das Komplex 457 zockt 6 CHF/Euro für 3dl Cola Zero im Plastikbecher ab, verlangt 7 CHF/Euro für ein alkoholfreies Heineken, der 4dl Alkohol-Bier gibts für 8 CHF/Euro und wer einen kleinen Gin Tonic will, greift für 16 CHF/Euro tief in die Tasche. Da ist ein Turnbeutel von INGESTED gar preiswerter!

DARK FUNERAL sind 2023 minimalistisch-satanistisch

DARK FUNERALs Show ist immerhin so genussfreundlich, dass man die teuren Getränke ohne Rempeleien schlürfen kann. Heljarmadr ist als Fronter wesentlich weniger theatralisch als es früher Emperor Magus Caligula war und seine Präsenz erinnert an das unterkühlte Böse, das auch Mortuus von MARDUK ausstrahlt. Die Stockholmer Black Metaller sind an diesem Abend unerbittlich und routiniert. Überflüssige Bewegungen gibt es genauso wenig wie Kunstblut. Stattdessen feuert man durchaus das Publikum an, gedenkt mit dem umgekehrten Kreuz den satanischen Band-Idealen und schwingt am Ende die bandeigene Flagge. Timing, Darbietung, Sound – DARK FUNERAL sind routiniert und doch leidenschaftlich, ein Fels in der schwedischen Schwarzmetallbrandung. Man spürt, dass das Publikum diese Art der Klasse schätzt, gleichzeitig jedoch die letzten Reserven auflädt, um dann bei CANNIBAL CORPSE die Sau rauszulassen. 

Setliste DARK FUNERAL

We Are the Apocalypse
Vobiscum Sathanas
My Funeral
The Secrets of the Black Arts
When I`m Gone
Nail Them to the Cross
Unchain My Soul
Let the Devil In
Where Shadows Forever Reign

CANNIBAL CORPSE

Denn CANNIBAL CORPSE brauchen Energie und verlangen diese nicht nur sich selbst, sondern auch ihrem Publikum ab. Die Ausrede “Ich bin alt” kann man sich ebenfalls schenken – denn CANNIBAL CORPSE waren gefühlt einfach schon immer da, wenngleich das gefühlt in ihrem Fall 1988 bedeutet. Und CANNIBAL CORPSE kennen auch an diesem Abend keine Müdigkeit. Kreisbanging von Corpsegrinder – aber sicher doch. Drummer Paul Mazurkiewicz kennt ebenfalls keine Müdigkeit – ergraut ist er, doch der Sound, der kompromisslose Florida Death Metal, das unerbittliche Geholze – das ist noch immer da, als wären es die 90er. Die indexfreie Schweiz war stets ein willkommener Spielplatz für CANNIBAL CORPSE und das ist an diesem Abend nicht anders. 

Tongewordene Serienkiller-Doku

CANNIBAL CORPSE bleiben ihrem Stil auch 2023 treu. Die Amis vertonen den haptischen Innereien-Aspekt gesammelter Netflix-Serienkiller-Dokus, den Gedärme- statt den Planungsaspekt. Noch immer muss man für die Faktenstunde zu MACABRE, aber für die inneren Werte aus Jeffrey Dahmers krankem Hirn und allen gesammelten Slasher Movie – ja, da ist man bei Corpsegrinder und seinen Mannen an der richtigen Adresse. CANNIBAL CORPSE mögen seit einer Ewigkeit im Business sein und zahlreiche Touren absolviert haben – aber einen schlechten Gig habe zumindest ich noch nie von den Amis gesehen. Alles sitzt perfekt und das Publikum im Komplex 457 gibt sich wieder voller Energie dem Moshen hin. Jung, alt – die T-Shirts an diesem Abend ziehen sich durch die gesamte Diskographie der Amis und am Ende lassen alle gemeinsam die Matten kreisen. 1998 oder 2023 – wer weiß das schon so genau, wenn man wieder mal musikalisch dem Schädel voller Maden huldigt. 

Setliste CANNIBAL CORPSE

Scourge of Iron
The Time to Kill Is Now
Murderous Rampage
Code of the Slashers
Fucked With a Knife
The Wretched Spawn
Gutted
Kill or Become
I Cum Blood
Evisceration Plague
Death Walking Terror
Inhumane Harvest
Necrogenic Resurrection
Devoured by Vermin
A Skull Full of Maggots
Stripped, Raped and Strangled

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