blank

QUAM LIBET RECORDS: Höchstens zwanzig Würste

Banken, Schokolade und Käse – davon gibt es in der Schweiz reichlich. Auch ein beachtliches Lot an Bands tummelt sich in Helvetien – punkto Metal-Labels sieht die Landschaft allerdings wesentlich karger aus. QUAM LIBET RECORDS tun etwas gegen diese Kargheit und geben Einblick in ihre Labelarbeit…

Banken, Schokolade und Käse – davon gibt es in der Schweiz reichlich. Auch ein beachtliches Lot an Bands tummelt sich in Helvetien – punkto Metal-Labels sieht die Landschaft allerdings wesentlich karger aus. Erfolgreich international agierende Metalplattenfirmen gibt es bei den Eidgenossen praktisch nicht, kleine Nischenvertriebe ausgenommen. Seit 2004 mischt allerdings ein bewusst nicht puristisch auf einen Stil festgefahrenes Label die karge Landschaft auf und setzt hier und da eindrückliche Farbtupfer – der aktuellste dürfte das PUNISH-Album “Dawn of the Martyr” sein. Somit Grund genug, einen Blick hinter die Kulissen des Aargauer Labels QUAM LIBET RECORDS zu werfen und bei Jan virtuell vorstellig zu werden…

Mein erster Kontakt mit QUAM LIBET RECORDS war eine Sampleranfrage von eurem “Heavy Metal Nation“-Sampler, der mittlerweile schon in die vierte Runde geht. War der Sampler für euch der Startschuss, anno 2004 ein Label ins Leben zu rufen oder wie lassen sich die Anfangstage von QUAM LIBET RECORDS zusammenfassen?

Heavy Metal Nation” als erster Teil dieser Samplerreihe war tatsächlich unser erstes öffentliches Projekt, welches sich dann erst noch als Minierfolg erwies: Wir durften nach der Versendung eines Projektbeschriebes von Anbeginn weg auf die Mitarbeit eines Vertriebes zählen und Musiker wie auch Metalfans drückten ihr Interesse am ersten wahrhaftigen Undergroundsampler jüngerer Zeit in der Schweiz aus. Hätte das nicht hingehauen, dann gäbe es unser kleines Metallabel mit seinen über zwanzig Veröffentlichungen heute wohl nicht und man würde wohl noch dazu über uns herziehen. Das Vertrauen, welches diese ersten 18 Bands in unsere Arbeit hatten, ermöglichte uns wirklich erst alles, das sich seither ergab, da ja auch zahlreiche Bands zunächst auf einem unserer Sampler waren, bevor sich eine innigere Zusammenarbeit mit Labeldeal ergab. QUAM LIBET RECORDS gründeten wir kurze Zeit vor der Idee zu “Heavy Metal Nation” zur Unterstützung von PYLONs erstem Album, welches zu recht obskur geblieben ist, haha. Damals hätten wir uns nicht vorstellen können, wieviele Nächte wir fortan vor dem Computer verbringen sollten … was wohl auch besser war!

In der heutigen Zeit von Myspace, Downloads etc. werden Sampler-CDs oft als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Wie verhält es sich da mit dem “Heavy Metal Nation“-Sampler? Verkauft man in der heutigen Zeit überhaupt noch Sampler und wie steht es mit der Nachfrage danach von den jungen Schweizer Bands aus?

Wir selbst lieben Sampler-CDs. Dies soll als Hintergrund gesagt sein, damit verständlich wird, weshalb wir ausgerechnet solch ein Projekt immer wieder durchführen und dabei auch noch lachen. Sampler-CDs sind, wenn du so willst, das genaue Gegenteil der elektronischen Möglichkeiten: Es baumeln dir nicht Tausende von Würsten vor der Nase, sondern höchstens zwanzig. “Take them or leave them” ist natürlich durchaus ein Aspekt, denn klar: Niemandem werden zwanzig verschiedene Stimmen oder Gitarrensoli gefallen, aber die Chance, dass auch für dich DIE Hammerband drunter ist, die ist groß.

Aus unserer Sicht ist jeder unserer Sampler wie ein Greatest Hits-Album konzipiert: das Beste vom Besten und gleichzeitig wie ein reguläres Album durchhörbar. Alphabetisch geordnete Compilations funktionieren meistens nicht gut, es kann keine Stimmung aufgebaut und durch den Sampler hindurch getragen werden.
Wir stellen fest, dass das Projekt von drei für die Bands relevanten Warten erfolgreich ist: Es ergeben sich immer wieder gemeinsame Konzerte von Bands, welche sich “auf einer Heavy Metal Nation-CD kennengelernt” haben, aber auch mehr und mehr Leute sprechen uns an unseren Verkaufsständen darauf an, dass sie den einen oder anderen Namen auf unserer Auslegeware bereits von einer “Heavy Metal Nation“-CD kennen. Was wir erst kürzlich – dafür gleich mehrmals – erfuhren, ist, dass selbst Clubbesitzer und Eventveranstalter Bands über unsere Sampler für sich entdeckten und sie in der Folge buchten. Das ist doch eine tolle Sache!

Daher sind wir uns aber auch unserer Verpflichtung bewusst, die idealen Songs eines eingereichten Albums zu wählen, um die Band im gegebenen Kontext für ein breites Publikum attraktiv präsentieren zu können… und wir nehmen jede Kritik an einem Sampler respektive an der Band- oder Songauswahl auch ernst.

Die Schweizer Metalszene ist ja ziemlich überschaubar und große Labels gibt es hierzulande nicht. Macht dieser Umstand die Arbeit für euch als kleines Label leichter oder schwerer? Kann man als Metallabel überhaupt in der Schweiz überleben oder habt ihr alle auch noch einen Broterwerb nebendran?

Wenn auch Studententum zählt, dann haben wir tatsächlich alle einen Broterwerb, ja. Deine Vermutung stimmt aber voll und ganz: Man muss überall im Rock- und Metalzirkus finanziell schon ein bescheidenes Gemüt sein, um dranzubleiben. Gewiss wäre es aus geschäftlicher Sichtweise attraktiv, wenn unser aller Musikstil kommerzieller wäre und Omas ihren Enkeln auf gut Glück Metal-CDs zum Geburtstag schenken würden. Aber andererseits: Elfjährige in den ersten Reihen bei KATAKLYSM oder NILE? Das muss ja auch nicht sein, oder?

Nein, irgendwie lieber nicht… Ihr seid ja ein Team von fünf Leuten. Wie sieht die Aufgabenteilung bei euch aus? Wer ist für was zuständig und wie ist das Label aufgebaut?

Matt und Jan machen alles selbst.

Genauer gesagt ist es so, dass wir beide das Label führen, aber wir haben prächtige Freunde in Nando, Peter und Sven, da Nando, welcher “hauptberuflich” für eure Kollegen von sounds2move.de arbeitet, viel Spaß an unseren Bands hat und sie gerne an Veranstalter und dergleichen vermittelt. Peter ist unser nicht-ganz-hauseigener Graphiker, welcher sowohl für die attraktive Gestaltung von unserer Label-Homepage und pylon-doom.net als auch für die “Heavy Metal Nation“-Covers verantwortlich ist. Jan hält allerdings wie eine Mutterbärin an ihren Jungen daran fest, dass er die Idee mit dem schwarzen Schweizerkreuz für das erste “Heavy Metal Nation“-Cover hatte! Sven ist unser Svengineer: Wenn etwas aus unserem hauseigenen Shadowland Studio kommt, liegt sein Soundsegen drauf.

Quam Libet Records Interview 2007 - Heavy Metal Nation Sampler
Das Schweizer Kreuz wurde zum Markenzeichen der “Heavy Metal Nation”-Sampler

Bleiben wir gerade beim Shadowland Studio, bei dem meines Wissens nach Matt ebenfalls tätig ist. Produziert ihr dort auch Metalbands, die nicht bei QUAM LIBET RECORDS unter Vertrag sind?

Nein, bis anhin nicht. Das Shadowland Studio ist primär das PYLON-Nest und wird für das Mastering der “Heavy Metal Nation“-CDs genutzt. Ob das Studio und seine Angebote noch ausgebaut werden, steht noch offen. Doch da unsere Freunde Christian und Mänu ihre Studios Transitionlevel und Zeus Productions ausgebaut haben und sehr gute Arbeit leisten, verweisen wir aufnahmewütige Bands am liebsten direkt an diese Herren, welche engagiert gute Arbeit für ein menschenfreundliches Entgelt leisten.

Ihr legt euch ja nicht auf eine Stilrichtung fest, seid also beispielsweise kein pures Death Metal-Label. Stattdessen decken eure Bands mehrere Genres ab, getreu eurem Labelnamen “Quam Libet”, welcher sich als “wie es beliebt” übersetzen lässt. Gerade in der Metalszene gibt es indes viele Puristen – warum also dieses klare Bekenntnis zur Vielfalt eurerseits? Und spiegelt diese Vielfalt sich auch im Geschmack der einzelnen QUAM LIBET RECORDS-Mitarbeiter wider?

Du hast ganz recht, die Wahl eines Labelprogramms ist sowohl eine Grat- als auch eine Feld-, Wald- und Wiesenwanderung.

Die “ganz trven” Gesellen jedwelchen Subgenres werden die Näschen rümpfen, aber wir machen die Erfahrung, dass es interessanter ist, einem breiten Publikum ausgewählte Produktionen aus jedem Feld ehrlich ans Herz legen zu können, als gehauen oder gestochen zweihundert Grindcore-Scheiben zu führen, nach welchen kein Hahn kräht und welche wir selbst weder kennen oder noch ausstehen könnten.

Dass selbst jeder Händler von gängigen Erfolgstiteln der “großen” Bands auf ein breites Spektrum setzen muss, ist kein Geheimnis. Da die Bands in unserem Label-, Sampler- und Mailordersortiment aber diesen Status nicht genießen, ist es wichtig, dass wir die Metalfans quasi abholen können und es großen Spaß macht, im Gespräch zunächst herauszufinden, was ihnen gefällt und dann mit Bestimmtheit einen Titel empfehlen zu können, dessen Geschichte wir sogar oftmals auch selbst kennen.

Und da gibt es ja reichlich Auswahl. Ganz eurem Labelnamen zufolge habt ihr ein breit gefächertes Sortiment. MABON für die Thrasher, PUNISH im Rahmen des technischen Death Metals, PYLON spielen Doom, EX-ORTATION grooven sich durch Thrash / Hardcore Gefilde – gleichzeitig habt ihr aber auch weniger “harte” Bands wie die Partymetaller TEMPESTA bei euch unter Vertrag. Nach welchen Kriterien wählt ihr die Bands aus, denen ihr einen Deal anbietet? Gibt es sozusagen einen roten Faden, der sie alle verbindet? Und fällt ihr die Entscheidungen über ein neues Signing gemeinsam?

Der rote Faden ist in erster Linie – kitschig, wie dies auch klingen mag – Freundschaft und Respekt: Wenn wir ausgiebig mit Musikern (welchen man spaßhaft ja ohnehin gelegentlich ein ungewöhnliches Sozialverhalten zuzuschreiben pflegt) zusammenarbeiten sollen, dann muss da von beiden Seiten viel von Herzen kommen, da Labelei viel Fleißarbeit bedeutet! Du darfst nicht vergessen, dass bei uns keineswegs der große Rubel rollt und man auch nicht wahl- und mühelos Blei eines neuen Signings zu Gold verwandeln kann.

Entsprechend liegt es auf der Hand, dass wir die Werke unserer Bands in höchstem Masse schätzen und auf Kritik an diesen stets ein deutliches und ehrliches “Aaaaber…” entgegnen werden.

Bei aller Vielfalt – welche Art von Bands würdet ihr nicht signen? Wo zieht ihr sozusagen die Grenze im stilistischen (nicht qualitativen) Bereich? Und da Signings oft mit dem eigenen Geschmack verbunden sind: Haben die einzelnen Mitarbeiter von QUAM LIBET RECORDS Genre-Vorlieben? Wenn ja, wer hat welche? Und welche Band(s) haben euch ursprünglich zum Metal gebracht?

Hui, das sind ja gleich drei Fragenkomplexe in einem! – Beginnen wir doch in der Mitte:
Peter und Sven sind eher Vegetarier, da sollte schon “Classic” oder “AOR” draufstehen, daher beschränken sich ihre Tätigkeiten im Dienste von QUAM LIBET RECORDS auch auf ihre graphischen und sonischen Hobbies. Matt, Jan und Nando jedoch sind Omnivoren: Fleisch oder Gemüse, Holz oder Stein – einfach her damit! Matt kehrt wohl gelegentlich zu irgendwelchen obskuren belgischen Black Metal-Bands der ersten Stunde zurück und Jan stöbert durch Vaters DEEP PURPLE-, QUEEN– und JETHRO TULL-CDs, doch all das macht allen auch bloß wieder Lust auf das Neueste der mit Gitarren bewaffneten Truppen des Landes.

Wiewohl es uns an freundlichen und auch durchaus interessanten Anfragen weiterer Bands keineswegs mangelt, haben wir einen Punkt erreicht, an welchem zusätzliche Signings einzig aufgrund des Arbeitsvolumens zu Ausnahmen werden müssen. Ja, nur ein ganz geringer Anteil unserer Absagen erging bis anhin an Bands, mit deren Texten oder Philosophien wir uns nicht anfreunden können.

Soweit ich weiß, sind die meisten Bands, die bei euch unter Vertrag sind, aus der Deutschschweiz. Spielt der Röschtigraben [geographische Sprachscheide zwischen den deutsch- und französischsprachigen Regionen der Schweiz. Das italienischsprachige Tessin wird durch die Alpen isoliert] eine Rolle bei euren Labelaktivitäten? Oder wollt ihr euch zukünftig auch mehr in der Westschweiz und im Tessin engagieren?

Sehr gerne. Ein Zeichen für unser deutliches Interesse ist selbstverständlich die “Heavy Metal Nation“-Reihe, für welche der Titel Programm ist: Aus allen Ecken sollen sie kommen (selbst wenn schlussendlich doch wieder alle Englisch singen, haha!). Wir sind als Label auch bi- oder gar tri-lingue genug, um die Kommunikation zu ermöglichen, doch ist unser Kontakt zu metallischen Institutionen wie Konzertlokalitäten und Veranstaltern in den anderen Landesteilen noch nicht solide genug, um die Bands auch gleich vor Ort zufriedenzustellen. Weißt du, es ist nicht unser Ziel, viele Bands zu haben. Das wäre auch leicht erreicht. Wir wollen durchaus, dass Bands von einer Zusammenarbeit mit uns profitieren, vielleicht gar weiter aufsteigen können. Und diesen Punkt haben wir in jenen Regionen noch nicht erreicht.
(Für unsere Leser an den Geräten zu Hause in Deutschland und Österreich: Ihr mögt in euren Ländern die Distanzen kennen, welche problematisch sein können. Da lachen wir kleinen Schweizer nur: Bei uns braucht man alle 200 km nicht bloß zu tanken, sondern auch gleich noch eine andere Sprache sowie eine andere Mentalität aus dem Handschuhfach zu kramen.)

Nehmen wir an, eine junge Schweizer Metalformation wird durch dieses Interview auf euch aufmerksam. Was muss sie bei der Demo-Einsendung an euch beachten, bzw. wie geht sie richtig vor? Und bleibt ihr dabei, dass ihr nur Schweizer Bands unter Vertrag nehmt?

Quam Libet Records Interview 2007 - Big Boss
“Es ist diese Erwartungshaltung gegenüber den Bands und Musikern, welche zu einer Perversion führt: ‘Ich will bessere Kompositionen mit einer atemberaubenden Produktion… bloß bezahlen will ich nichts mehr.'” – Online-Piraterie macht den Labels das Leben schwer.

Wie der Großteil aller Labels richten wir bei Bands mit bevorstehendem Debütalbum unsere Lauscher sehr stark auf die Produktion der idealerweise pressfertigen Songs. Dies ist wohl zum einen der Zugzwang der internationalen Szenerie, andererseits sehen wir diesen Umstand auch als Kompliment an die Bands, welche nachhaltig die Energie aufbringen, auch selbständig Opfer für ihre Kunst zu bringen.

Denn stell dir mal vor, du würdest beim Händler eine CD kaufen, sie gespannt in den Player legen, auf Start drücken und dich beim einsetzenden Lärm an der Baustelle unten an einer Ecke wähnen: Playmobilkeyboards, scherbelnde Gitarren, ein Schlagzeug, welches den Gesang übertönt (was noch gut ist, da der Kerl offensichtlich heiser um sein Leben schreit)… Nein, damit täte sich keine Band einen Gefallen!

Da ist es doch besser, wir erklären einer Band diese Situation und geben ihr Tipps bezüglich möglicher Studioaufnahmen und staunen hinterher Bauklötze, wenn sie sich zwei Jahre später wieder melden und wir unser untertänigstes Interesse bekunden dürfen, bevor Vampster ihnen die Höchstnote verpasst, nicht wahr?

Es soll im Übrigen aber auch nicht vergessen gehen, dass wir in Zusammenarbeit mit der Agentur Weathertop auch die Mailänder Oldschooltruppe BOARDERS nach Kräften bedienen. Auf dieses dankbare Experiment ließen wir uns aber nur aufgrund der genannten Zusammenarbeit ein und müssen leider feststellen, dass sich die Befürchtungen bezüglich der geringen Verankerung der BOARDERS in der Schweiz an den CD-Verkäufen bewahrheiten. Dies braucht aber nicht das letzte Wort in der Sache der nicht-schweizerischen Bands gewesen zu sein.

Als junger Metalhead gibt man sich gerne der Illusion hin, dass im Metal die Uhren anders ticken, dass es noch um echte Werte geht und vor allem um die Musik! Wie erhaltet ihr euch den Glauben daran, dass es Unterschiede zum sonstigen Pop-Business gibt und sollte es doch Unterschiede geben, worin liegen die eurer Meinung nach?

Gut, hier ist es schwierig, objektiv zu bleiben, wenn man halt selbst in den entsprechenden Kreisen verkehrt, wenn man die Musikschaffenden wie auch die Hörer kennt und sich die eigene Mailbox mit deren Korrespondenz füllt. Genau hiermit sei aber auch klar gesagt, dass wir Rocker und Metaller schon mal sicher Menschen aus Fleisch und Knochen sind. Dadurch, dass die Karriere von Metallern üblicherweise nicht allzu abrupt und steil verläuft, bleiben diese Leute auch lange greifbar und – mit der Ausnahme von ein paar Höhenflügen verschiedener Art vielleicht abgesehen – auf dem Boden.

Ja, wir glauben, dass der Hinweis auf Fleisch und Knochen oder Blut und Schweiß gar nicht so unglücklich ist. Überleg dir beispielsweise mal, wann du das letzte Photo von der schwitzenden MADONNA, von ausgepowerten TAKE THAT, vom rumlümmelnden MICHAEL JACKSON gesehen hast. – Nie? – Kein Wunder: Journalisten sind zugelassen, sobald die Make-up-Halbgöttin gewirkt hat, Livephotographien lediglich während der ersten zwei, drei Songs erlaubt, solange das Kostüm noch piekfein sitzt. Wir Hartwurster sind nicht nur Menschen, sondern manchmal gar Tiere: Mund/Maul auf, Zunge raus, transpirierend, idealerweise mit einer Buddel Eistee, äh, Whisky in der Hand, mit bloßem Oberkörper die Kumpels und Fans umarmend: Jawohl, man zeigt sich in der Hitze des Gefechts, nicht verträumt in die Ferne blickend neben einem Arrangement eigens aus Thailand eingeflogener Langstielrosen.
Und verflucht: Man flucht.

Und verflixt: Man hat einen Job – fast keiner lebt von der Musik. Am Montagmorgen ist der Leadgitarrist wieder aus den Lederhöschen raus und malocht, der Sänger nimmt wieder telephonische Beschwerden entgegen und der Schlagzeuger lernt fürs Examen. Bloß der Bassist macht Musik: Schließlich muss er ja endlich mal diese komplexen E-E-E-E-A-A-A-A-D-D-D-D-E-E-E-E-Pasagen auswendig lernen, ne?

Haha! Wenn ihr euch – als kleines Metal-Label – anschaut, welchen Aufwand die Großen heutzutage betreiben, um dem Problem der Online-Piraterie Herr zu werden, ist dieser Aufwand für euch nachvollziehbar? Hat man als kleines Label eine andere Betrachtungsweise, ist man von dem Problem stärker oder weniger stark betroffen, als die Großen?

Um das aus den Augen der Großen betrachten zu können, fehlen uns natürlich die Möglichkeiten. Ganz klar ist aber auch für uns, dass unsere Kapazitäten irgendwo Grenzen haben, und dass sich nicht an jeder Ecke Leute finden, welche wie wir lieber ohne Lohn am Rumwuseln sind als zu arbeiten oder Freizeit zu genießen. Sprich: Da andere Labels teilweise unter dem Druck stehen, Mitarbeiterfamilien durchfüttern zu müssen, ist der Spaßfaktor wohl geringer.

Wie du von deinen eigenen Erfahrungen weißt, bietet das Netz großartige Möglichkeiten, täglich, stündlich neue Musik zu entdecken und dich so vielleicht zu animieren, eine CD (oder einen kostenpflichtigen Download) zu kaufen oder an ein Konzert zu gehen, was du ohne dieses virtuelle Häppchen sonst nicht getan hättest. Diese Möglichkeiten machen viele traditionelle Wirkungsbereiche eines Labels hinfällig, da niemand mehr mit Flugblättern auf die Straße stehen und schreien muss: “Oi, Leute, da gibt`s `ne Band und die spielt heute Abend im Club da drüben! Kommt und schaut sie euch an, denn sie sind wirklich gigantisch!” Nee, man schickt einfach eine E-Mail rum, bastelt sich eine MySpace-Seite, und binnen eines Tages können mehr Leute deine Musik kennenlernen als vor dem Jahrtausendwechsel in einem Jahr. Das ist absolut toll, bringt durch die Masse jedoch mit sich, dass die einzelnen Höreindrücke verschwimmen, da sie keinen Gesichtern, keinem Bühnengebaren mehr zugeordnet werden können. Und wieso soll man der Band denn nun noch den Gefallen tun, die Scheibe zu kaufen oder ein Konzert zu besuchen? Man “kennt” ja jetzt schon ein paar Schnipsel, was für ein Dankeschön seitens der Band gefälligst genügen sollte … schließlich hat man sie ja auch als “Freund” erkoren.

Es ist diese Erwartungshaltung gegenüber den Bands und Musikern, welche zu einer Perversion führt: “Ich will bessere Kompositionen mit einer atemberaubenden Produktion… bloß bezahlen will ich nichts mehr.” – Ja, aber weshalb sollte eine Band dann tatsächlich noch mit teuren Aufnahmen aufwarten (davon sprachen wir ja vorhin) und eine CD herstellen, wenn die Hörer hinterher mit den MySpace-mp3-Schnipseln glücklich sind? Wenn sich die Bands nicht durch ihren Idealismus über Wasser hielten (oder sich ganz einfach von anachronistischen Idealen gängeln ließen), dann wären neue Releases nurmehr Bandraumaufnahmen auf CD-R: Kosten nichts und können umsonst abgegeben werden.

Wer seine CD im Laden stehen hat, muss schauen, dass sie sich von den anderen abhebt. Die großen Brüder schenken eine DVD als Bonusdisc zum neuen Album (man müsse schon einen Fernseher umsonst geben, damit noch irgendwer das neue Album kaufe, lautete kürzlich ein Votum), Newcomers jedoch sind voll und ganz auf Unterstützung angewiesen: von Leuten, welche Konzerte besuchen, Bekannten ein Album empfehlen (das ist nicht ganz dasselbe wie “sämtlichen Kumpels das Album brennen”)… naja, und vielleicht auf solche Gesellen wie uns, die wir Mails versenden und am Merchandisingstand den Besuchern eine CD empfehlen, da “Made in Switzerland” bei Rock- und Metalmusik unbegründeterweise noch nicht dasselbe Prestige hat wie bei Uhren, Schoko und Käse. – Aber gemeinsam schaffen wir das schon noch… vertraut uns einfach, haha!

Wir als Online-Zine kämpfen in den letzten Monaten wieder verstärkt mit dem Problem, von vielen Labels als Geschäftspartner nicht ernstgenommen zu werden. Unter der Hand bekommt man mit, wie sich in vielen Chefetagen die Meinung “für Online-Mags interessiert sich doch keine Sau” etabliert hat. Es ist leichter Unterstützung in Form von Werbeschaltungen von anderen Medien zu bekommen, als von der Metal-Industrie selbst. Was für andere Geschäftspartner ganz normal ist, gilt bei vielen Plattenfirmen als undenkbar. Welchen Stellenwert hat bei euch das Thema “Online-Magazine”?

Auch für uns ist dies ein wichtiger Diskussionspunkt. Aber die Sache beginnt woanders: Der Geldfluss funktioniert in der Metalszene nicht richtig. Einen Faktor sprachen wir mit den CD-Verkäufen bereits an. Verkaufen wir beispielsweise keine CDs, können wir uns keine schönen Blinkebanner auf Partnerseiten leisten, ja selbst die Bemusterung wird zu einem substantiellen Faktor, wenn es ums Budget für einen neuen Release geht. Das Problem ist nämlich, dass es sich nicht zurückverfolgen lässt, ob dieses oder jenes Review – gut wie es auch gewesen sein mag – Verkäufe generiert hat. Welche an `Zines “verschenkte” CD hat sich also gelohnt? Denn auf eine verschenkte müssten zwei verkaufte kommen, damit es aus kommerzieller Sicht vorwärtsginge…

Und da es eine grenzenlose Anzahl Webzines gibt, wird die Wahl sehr schwierig: Alle berücksichtigen kann man nicht – nicht zuletzt auch, da einzelne bloß auf Frei-CDs auszusein scheinen -, gar keine `Zines zu bemustern wäre auch Irrsinn, denn schließlich ist ein Review ja auch kostengünstige Werbung.

Wir probieren gerne neue Webzines aus. Da wir allerdings keine reinen Masochisten sind, fallen jene, welche sich bloß im Zerreißen üben, unverzüglich wieder raus. Wie du ja selbst auch weißt, gibt es Besprechungen, welche von Kompetenz zeugen und von welchen positive wie negative Aspekte mit Respekt vermittelt werden. Und dann gibt es solche Schreiber, welche sich besser ein Schlagzeug kaufen würden, um ihren Frust rauszudröhnen. Wir verlangen Respekt und Kompetenz.

Was ihr spürt, das sind zum einen wohl die widerlichen Folgen der genannten Suppeversalzer unter euren Mitstreitern und zum anderen sind dies die Konsequenzen der Volatilität: Jeden Tag, jede Stunde wird Neues gefordert – die Masse soll`s machen. Die einzelnen Beiträge, sorgfältig recherchiert und stilistisch ausgewogen verlieren dergestalt ebenso an Wert wie die Musik selbst: Wo früher “40 Minuten Musik = 1 LP-Album” galt, jammern die Vertriebe heute, dass bitte mindestens 50 Minuten – lieber noch eine Stunde – Musik auf einer CD sei, um den Kaufpreis zu validieren. “Fillers, no killers, please!”

Aber weißt du, Arlette, genau jetzt profitiert QUAM LIBET RECORDS von diesem Umstand, denn wenn EMI etwas höflicher zu euch wäre, dann hätten sie dieses Interview gekriegt, nicht wir. – Drum: Hussa!

Unsere große Kritik an den Maßnahmen zur Bekämpfung der Online-Piraterie durch die Plattenfirmen ist, dass die getroffenen Maßnahmen im Allgemeinen am Ziel vorbei gehen. Den Nutzen von Fade-Out-Promos, Voice-Overs, etc., konnte uns zum Beispiel noch keine Plattenfirma dokumentieren. Wenn ein Label wie NUCLEAR BLAST dann noch dazu übergeht, offensichtlich ungeeignete Methoden zur Überführung von “Schwarzen Schafen” anzuwenden, keine Skrupel davor hat, auf Basis einer unsicheren Beweislage den betroffenen Redakteur öffentlich beim Namen zu nennen, ihn zur Anzeige zu bringen und es, nachdem sich der Verdacht als unhaltbar erwiesen hat, halbherzig entschuldigt, fühlt man sich auf der einen Seite in seiner Argumentation zwar bestätigt, auf der anderen Seite aber irgendwie auch verarscht. Sind solche Aktionen für euch nachvollziehbar, sind das ohnmächtige Verzweiflungstaten oder ist es viel wichtiger für euch, in der luxuriösen Lage zu sein, sich über solche Probleme gar keine Gedanken machen zu müssen, weil die Gewinnspannen in völlig unterschiedlichen Dimensionen liegen?

Quam Libet am Merchandise-Stande
“Wenn ein Heuschreckenschwarm die Ernte eines Bauers vernichtet, dann wird dieser dem einen Insekt, das er fassen kann, Flügel, Beine und Kopf einzeln ausreißen, um seinen ohnmächtigen Zorn irgendwie befriedigen zu können.” – …von der Hilflosigkeit großer Plattenfirmen…

Hahaha, Voice-overs, meine Allerliebsten! So gründlich und nachhaltig wie die verdirbt gar nichts die Lust auf ein Album! Köstlich.

“Verzweiflungstaten” ist der treffendste Ausdruck. Wenn ein Heuschreckenschwarm die Ernte eines Bauers vernichtet, dann wird dieser dem einen Insekt, das er fassen kann, Flügel, Beine und Kopf einzeln ausreißen, um seinen ohnmächtigen Zorn irgendwie befriedigen zu können.

Wichtiger ist zweifellos, dass ihr und wir immer mal wieder einen jungen Metalfan zur Seite nehmen können, ihn aber nicht zu sezieren, sondern ihn darauf hinzuweisen, an welchem langhaltigen Schaden er sich beteiligt, wenn er die Bands aus dem Zyklus des Verdienens an Musik ausschließt. Wie du das selbst weißt, ist der Thrill unvergleichlich, wenn fünfzig Fans an einem Konzert vor der Bühne toben. Aber wenn man jeweils bloß für ein Trinkgeld auftritt und einzig zwei CDs verkauft, verliert die Band auf lange Frist: zuerst nur Geld, aber irgendwann auch die Motivation. Dann heiraten wir, kriegen Kinder und spielen nur noch Jazz. Eine Tragödie erster Güte, nicht wahr?

Der Metal wird in der Schweiz ja nicht unbedingt gefördert und Medien wie Radio und Fernsehen kommen praktisch ohne aus. Außerdem gibt es neben dem METALWORLD keine Schweizer Metalpostille im Printbereich. Ist deswegen die Online-Promotion für euch für die Schweiz besonders wichtig (ihr seid ja z.B. auch auf Myspace vertreten)?

Ich möchte hier erwähnen, dass es mit dem TRANSIT MAG und dem DAILY ROCK – beide aus der Romandie, der französischsprachigen Schweiz – mindestens noch zwei weitere unabhängige Publikationen gibt, das Z7 LIVE und den gutgelaunten ROCK STAR nicht gezählt. Aber, nicht wahr, insgeheim sind wir doch alle ein kleines bisschen stolz, dass wir trotz unserer aktiven Elterngeneration noch ein wenig subkulturell sind und unsere Lieblingsmusiker nicht von der täglichen Schundpresse zerrissen werden!

Bezüglich der Printmedien ist die Schweiz auf jeden Fall stark von den großen Publikationen der Nachbarländer abhängig, welche an jedem Kiosk aufliegen. Vielleicht findet sich genau darin, dass diese Magazine doch einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung, genauer: auf die distanzschaffende Mystifizierung von Künstlern haben, einen Grund, weshalb hierzulande selbst ein “erfolgreicher” Metaller unerkannt und unangefeindet “die nette Person von nebenan” bleiben kann. Interessant wäre das Experiment, ein Magazin – online oder Print – Schweizer Musiker zu Lichtgestalten hochstilisieren zu lassen und die Auswirkungen an deren Konzerten oder CD-Verkäufen zu messen.
Die Printmedien haben es natürlich auch keineswegs leicht wegen… na, solcher Onlineschurken wie euch. Du weißt natürlich, was ich meine: Sie haben nicht bloß die Druckkosten zu bewältigen, sondern müssen sich auch noch den Vorwurf gefallen lassen, dass ihre Neuigkeiten nicht aktuell sind (oder sein können).

Myspace ist zweifellos ein sehr wertvolles Werkzeug für uns wie für andere – da es umsonst ist. Unser Stolz ließ es bis anhin nicht zu, all unsere Informationen auch dort zugänglich zu machen; lieber versuchen wir, die Besucher zu einem Klick auf unsere Webseite zu animieren, um sich hier ausführlicher zu informieren. Schlussendlich hat aber jeder Nutzer seine Präferenzen. Ein Typus guter Werbung ist und bleibt Ubiquität, das Überall-Sein. Daher möchten wir uns schon hier, mitten im Interview, ganz herzlich bei euch Vampstern für eure tolle Unterstützung bedanken!

Bitte, gern geschehen. Aber du bist noch nicht mit den Fragen durch… Arbeitet ihr im Rahmen der Promotion bei all euren Bands gleich? Oder benutzt ihr für gewisse Bands andere Marketingkonzepte als für andere?

Wir sind jetzt seit drei Jahren als Label aktiv. Einige haben an diesem Punkt bereits den Bettel hingeworfen, da sie ihre gesamten Finanzen für die ersten zwei oder drei Releases verbraten haben, andere blicken erst nach 25 Jahren erstaunt auf ihre Erfolge zurück. Wir sind dankbar dafür, dass wir bis anhin keinen Schiffbruch erleiden mussten und dass einzelne unsere Veröffentlichungen sehr wohlwollend aufgenommen wurden (sapperlot, sind wir etwa gelegentlich trve genug?!?). Dies führte immer wieder dazu, dass uns selbst Außenstehende hilfreiche Tipps und Anregungen gaben, welche Wege wir beschreiten könnten; dergestalt ergaben sich auch immer wieder neue Marketingkonzeptchen; hier also ein deutlicher Vorteil davon, mit Bands aus verschiedenen Richtungen zu arbeiten! Als Band auf einem jungen oder kleinen Label indes muss man sich dessen einfach bewusst sein, dass weiterhin sehr viel Eigeninitiative und Selbstverantwortung möglich aber auch nötig sind. Die Zeit der “eine Runde Rolls Royces für alle!” ist, falls es sie je gegeben hat, vorbei. Dafür ist es ein schönes und befriedigendes, aber natürlich auch seltsames Gefühl, wenn wir wissen, dass einzelne unserer Bands ihr nächstes Album bereits bei der nächstgrößeren Firma abliefern werden.

Vor kurzem ist ja die neue PUNISH-Scheibe “Dawn of the Martyr” bei euch erschienen und soweit ich weiß, arbeiten die Death Metaller bereits am Nachfolger. Falls ihr schon was darüber sagen könnt: wird dieser auch wieder via QUAM LIBET RECORDS erscheinen? Und welche anderen Veröffentlichungen stehen in der nahen Zukunft bei euch an?

Es ist für uns eine große Ehre, von Punish ausgenutzt zu werden und dein treffendes Review war das Tüpfelchen auf dem i. Da wir unsere Grenzen gut abschätzen können, empfehlen wir all unseren Freunden – d.h. bevor wir sie “unsere Bands” nennen dürfen -, sich unbedingt erst umzusehen, ob vielleicht eine größere Firma mehr insbesondere in die Werbung für ein Album investieren kann. Dies ist auch der Konsens zwischen den PUNISHers und uns, nämlich dass sie gerne bei uns bleiben dürfen, aber dass wir uns bei einem Wechsel auch sehr für sie freuen würden.

Der Plan unserer weiteren Veröffentlichungen hängt entsprechend ein bisschen von derartigen Situationen ab: Werden EX-ORTATION, MAJESTY OF SILENCE, PYLON, SECONDHAND CHILD, MABON und PUNISH (um nur einige, welche an neuem Material arbeiten, zu nennen) weiterhin über uns veröffentlichen? … Bleibt dran: Nach “Heavy Metal Nation IV” geht`s hier weiter!

Quam Libet Records am Merchandise-Stand
“Newcomers jedoch sind voll und ganz auf Unterstützung angewiesen: von Leuten, welche Konzerte besuchen, Bekannten ein Album empfehlen, naja, und vielleicht auf solche Gesellen wie uns, die wir Mails versenden und am Merchandisingstand den Besuchern eine CD empfehlen, da “Made in Switzerland” bei Rock- und Metalmusik unbegründeterweise noch nicht dasselbe Prestige hat wie bei Uhren, Schoko und Käse.”

 

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner