KILLL: Killl [CD/DVD]

Auch wenn bei KILLL (mit drei L!!!) weder Justus J., Peter S. oder Bob A. am Start sind. Wer ein Herz für extreme Hör- und Bildkost hat, könnte das erste Abenteuer dieser Band durchaus spannend finden.

KILLLs Killl (mit drei L!!!) flattert mir als großer Unbekannter ins Haus. Das Debüt kommt als Live-DVD+CD-Doppeldecker daher. Präsentiert wird das Ganze in einem wirklich sehr schön aufgemachten Digipack, dessen Design gut zur Aufschrift des darauf prangenden Aufklebers passt. Dieser bezeichnet die musikalische Ausrichtung der Band als Stroboscopic Avant Metal From Norway. Vermutlich bin ich nicht der Einzige, der sich auch weiterhin keinen Reim darauf machen kann, was da wohl auf einen zukommt.

KILLL wurden 2003 anlässlich eines Festivalauftritts ins Leben gerufen und setzt sich aus den Musikern Espen T. Hangård (ALTAAR, DISKORD), Martin Horntveth (JAGA JAZZIST), Are Mokkelbost (SINGLE UNIT) und Erlend Mokkelbost (Ex-JR EWING, MONTEE) zusammen. Eine Band mit vielfältigen Einflüssen und der gemeinsamen Leidenschaft für extreme Musik. Bisher war das Nebenprojekt ausschließlich auf Livekonzerten zu erleben. Die visuelle Komponente ist fester Bestandteil der Bandphilosophie. Ohne ihr fünftes Bandmitglied, Lichtmann Kyrre Heldal Karlsen, geht die Band erst gar nicht auf die Bühne. Um das audiovisuelle Live-Erlebnis KILLL festhalten zu können, kam also nur eine Live-DVD in Frage, die CD dient lediglich als begleitender Soundtrack. Eine Band, die man in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich nennen kann, bevor man irgendetwas von ihr gehört hat. Ein seltenes Vergnügen.

Meine Begegnung mit dem Herzstück dieser Veröffentlichung fällt zwiespältig aus. Keine Frage, die visuellen Effekte, die aus der speziellen Belichtung des eigens konzipierten Backdrops resultieren, haben im Zusammenspiel mit der musikalischen Darbietung schon irgendwie ihren Reiz. Allerdings kann ich die Filmaufnahmen nur schwerlich genießen. Dafür sind mir die Schnitte häufig einfach zu hektisch ausgefallen. Von Überwachungskameras über Handykameras aus dem Publikum, bis hin zu professionellerem Equipment fanden allerlei Aufnahmequellen Verwendung. Hochauflösende HD-Aufnahmen darf man allerdings nicht erwarten. Wer es grell mag, kann sich beim bis zur Raserei steigernden laut-leise Wechselspiel Red mal so richtig die Strobokelle geben – irgendwie muss ich bei dem Song immer an Dauerwelle vs. Minipli von DIE ÄRZTE denken. Nee, da halte ich mich doch lieber an den Soundtrack.

Die Herren mit den drei L machen ihrem Namen dem Wortlaut nach alle Ehre. Der experimentelle, über weite Strecken rein instrumentale Mix aus Metal und Noise, inklusive Synthies, Samples und Effekten, killt alles Mögliche: die letzten Nerven deines Nachbarn, die Geduld deiner Freundin und irgendwie auch deine Zeit, jedenfalls wenn man Songs im gängigen Format erwartet. So sehr ich die Eigenwilligkeit im Songwriting der Band begrüße, einigen der im Zeitraum von 2005 bis 2009 mitgeschnittenen Songs auf Killl –  einschließlich der älteren Proberaumaufnahme RAV –  haftet doch etwas Fragmenthaftes an. Dies spiegelt sich auch in den seltsamen drei(!!!)buchstabigen bzw. -ziffrigen Namen der Songs wieder. So gibt es, wie im verstörenden Gruseloutro von WRA (bei dem es passenderweise auf der Bühne zappenduster bleibt) oder dem von Orgelklängen untermalten, schwarzmetallischen Finale von CHO zwar eine Menge coole Passagen zu entdecken, als Gesamtkonstrukt wirklich überzeugen kann allerdings nur knapp die Hälfte der Songs. Der Bandsound wird maßgeblich von präziser, wie dynamischer Rhythmik und Klanglandschaften geprägt, die zwischen Harmonie und Disharmonie pendeln. Solistische Kabinettstückchen sucht man hier vergeblich.

Für mich sind KILLL immer dann am stärksten, wenn ihre Songs von einer roten Klammer zusammengehalten und (fast) ausschließlich instrumental dargeboten werden. So kommt mir entgegen, dass das überwiegend verzerrte Gebrüll der drei Vokalisten, mit Ausnahme der Nummern Kam, Wra, Red, und Rav, so gut wie gar nicht zu hören ist. Selbiges dient der Band als zusätzlicher, lautmalerischer Farbtupfer. Lyrics im herkömmlichen Sinne gibt es bei KILLL nicht. Das kurzweilige, recht sphärische GAT ist der mit Abstand stimmigste Song der Platte und steht auf  meinem Siegertreppchen der Albumhighlights ganz oben. Zu den runden Ergüssen darf sich auch das starke Eröffnungsduo zählen, das sich aus RID (Monotonie kann so schön sein) und dem von jeder Menge Elektrospielereien flankierten Stampfer SLO zusammensetzt. Auch BLA und die Black Metal-lastige Abrissbirne 194 wissen zu überzeugen.

Zur groben Orientierung würde ich die Jungs mal als eine Kreuzung aus
LITURGY (NYC) und MESHUGGAH verorten, und weiß, dass ich ihnen damit doch nicht gerecht werde. Schließlich sind KILLL kein Klon, sondern haben genug Eigenständigkeit im Tank, um ihr Revier selbst zu markieren.

Hörer mit einem Herz für extreme Hör- und Bildkost, die sich nicht daran stören, dass die weniger runden Songs leicht in der Überzahl sind und die sich auch von audiovisuellen Herausforderungen nicht ins Bockshorn jagen lassen, sollten definitiv mal ein Ohr und ein Auge riskieren…oder alle beide. Sie könnten durchaus Gefallen am intensiven KILLL-Universum finden, zumal die Qualität der Audioaufnahmen wirklich ordentlich ist und man auch der audiovisuellen Low-Budget-Produktion anmerkt, dass hier mit viel gestalterischer Hingabe agiert wurde.

Veröffentlichungstermin: 16.09.2011

Spielzeit: 45:52 Min.

Line-Up:
Espen T. Hangård – Guitar, Vocals
Martin Horntveth – Drums, Effects, Vocals
Are Mokkelbost – Bass, Synth, Sampler, Effects, Vocals
Erlend Mokkelbost – Guitar
Kyrre Heldal Karlsen – Lights

Label: Fysisk Format

Homepage: http://www.killl.org
Mehr im Netz: http://www.myspace.com/killlnorway

Tracklist:

CD/DVD:

1. RID
2. SLO
3. KAM
4. WRA
5. RED
6. GAT
7. BLA
8. 194
9. CHO
10. WAL
11. RAV

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