Soloalben sind doch eigentlich Produkte von egozentrischen sowie exzentrischen Musikern größerer Bands oder auch von chronisch arbeitslosen Musikern. Auf JACOPO GALLI trifft keines der beiden Symptome so richtig zu. Ingenieur ist der Mann hauptberuflich. Der Italiener war bisher bei den weniger bekannten Landsmännern von INNER MAZE und BAD ATTITUDE beschäftigt. Haben wir ihn möglicherweise überhört?
Alleine das Cover von „Timedrops“ verrät schon, mit was man sich hier auseinandersetzen muss. Es handelt sich um progressiven Rock. Das Cover macht Lust auf die Scheibe. Der Opener „Answer Me“ fängt wunderbar geheimnisvoll verträumt mit Strings und Piano an. Dann ein aufwühlendes Keyboard und E-Gitarren Riff. Der Song baut sich schön auf. Bis zu dem Punkt, an dem der Gesang ins Spiel kommt. Ausdruckslos erzählt JACOPO GALLI seine Zeilen herunter. Und auf einmal wird man sich dem ganz schwachen Sound dieser Scheibe bewusst. Einfach kraftlos wirkt das alles. Das hört sich vernichtend an.
Trotzdem habe ich mich irgendwie mit dieser Scheibe angefreundet. Das liegt zum einen daran, dass JACOPO GALLI auch stärkere Gesangsmomente als in den Strophen von „Answer Me“ hat und vor allem auch daran, dass die Musik einfach fantastisch ist. Verträumt – das Gefühl für die richtigen Zwischentöne hat der Mann auf jeden Fall. Interessante Klangbilder aus Rock, Jazz und Klassik mit einigen ganz dezenten Heavy Metal Einflüssen prägen das Bild. Die Songs sind im Gesamten recht gleichförmig, aber in sich sehr vielseitig. Treibende Passagen wechseln sich mit ruhigen Keyboard Passagen ab. Manchmal gibt es auch mehrstimmigen Gesang wie in „Passion Rules“. Ein außergewöhnlicher Song ist auch „Hope?“, der ganz getragen beginnt und dann in fast MALMSTEEN übliche Sololäufe ausartet, um dann wieder in einem ganz ruhigen Thema auszuklingen.
Wie JACOPO GALLI jedes Instrument perfekt spielt, ist schon beeindruckend. Wahrscheinlich wirkt alles so aus einem Guss, weil er alles tatsächlich auch selbst einspielt – keine Gastmusiker, nur JACOPO GALLI. Schön auch, wie er am Schlagzeug die Balance findet und dynamisch agiert. Mal ruhig, fast Percussion-artig – Mal treibender und rockiger. Und das alles kommt ohne zu ausufernde Soloarbeit aus. Einige kurze Keyboardsolos, Gitarrensolos oder Momente, in denen der Bass prägnant ist, sind drin, aber man guten Gewissens von songorientierter Soloarbeit reden. Die Harmonie steht im Vordergrund und man könnte die Platte gut als Entspannungsmusik zum Träumen laufen lassen.
So schön und bereichernd die edlen Klänge auch sein mögen, komme ich nicht drum herum zu sagen, dass das Gesamtwerk unter dem wirklich total kraftlosen, dumpfen Sound und dem uninspirierten Gesang, der maximal das Prädikat harmonisch korrekt bekommt, leidet. Wenn man manchmal das Gefühl hat, die Platte würde etwas vor sich hin plätschern, dann hat das ziemlich viel mit dem Sound zu tun. Ich hoffe einfach, dass das nicht die letzte JACOPO GALLI sein wird und er einfach den Gesang auf der nächsten Scheibe streicht. Die Musik würde wunderbar ohne selbigen auskommen. Es sind letztendlich die Kontraste und die Stimmungen, welche die Platte am Leben erhalten.
Veröffentlichungstermin: 2003
Spielzeit: 60:00 Min.
Line-Up:
Jacopo Galli – Vocals, Guitars, Keyboards, Bass, Drums
Produziert von Jacopo Galli
Label: Independent
Homepage: http://www.risestar.cl/jacopogalli/
Email: jgalli@supereva.it
Tracklist:
01. Answer Me (8:27)
02. Passion Rules (5:57)
03. Timeless Reality (9:06)
04. Beneath the Veil (5:51)
05. Days Have Gone (7:06)
06. Hope? (3:51)
07. Keys to Imagination (6:52)
08. Timedrops (12:25)