AGALLOCH: Marrow Of The Spirit

Der perfekte Soundtrack für die kalten, rauen und wunderschönen Tagen des Winters

Alles markieren, löschen. Schon zum wiederholten Male. AGALLOCH dürfen es gerne als Kompliment auffassen, dass ich ihre Musik nicht so recht in Worte fassen kann. Obwohl deren Musik doch nur ein Schmelztiegel verschiedenster Genres ist, die man leicht zerpflücken kann. Black Metal, Folk, Doom, Neoklassik, Post Rock. Aber so leicht machen es AGALLOCH weder mir, noch irgendjemand anderem. Schon zum zweiten Mal an diesem Abend läuft das mehr als einstündige Album Marrow Of The Spirit, ebenso wie die Abende zuvor. Auch wenn ich in diese Musik tauchen kann, wenn sie mich packt und dann, in ein paar schwachen Momenten kurz verliert, bevor sie wieder härter zugreift, um mich nicht abermals davon driften zu lassen, bin ich herrlich ratlos.

Natürlich ist Marrow Of The Spirit wunderschön. Das von Jackie Perez Gratz auf dem Cello gespielte Intro sorgt schon für Bauchschmerzen vor Sehnsucht und trifft mit jeder Note ins Herz, danach wird dem US-Black Metal gefröhnt, wie man ihn liebt, wie AGALLOCH ihn schon seit jeher beherrschen und wie WOLVES IN THE THRONE ROOM ihn schließlich populär gemacht und perfektioniert haben. Ab sofort läuft das ganze Programm ab, grimmige, aber doch zärtliche Blast Beats mit Riffs, die geprägt sind von den frühen ULVER, melodiöse epische Momente, die mit Hilfe des Folk stets Wiedererkennungswert erhalten, aber immer angenehm introvertiert bleiben, so dass der Gedanke an TENHI aufkeimt. Besonders ist auch Black Lake Nidstang, mit seiner gewaltigen Länge von knapp achtzehn Minuten liebt es, sich im Post Rock zu verlieren und experimentiert zwischen Black Metal-Elementen und zweistimmigen Doom-Riffs munter vor sich hin, ohne dass es zu irgendwelchen Längen kommt.

Marrow Of The Spirit krankt vielleicht ab und zu an Momenten, die prägnanter hätten sein müssen, so dass dieses Album über die gesamte Spanne der fünfundsechzig Minuten den Hörer fesselt. AGALLOCH gelingt dieses Kunststück vor allem, wenn sie in Richtung kompromisslosen Black Metals schielen, was bei Into The Painted Grey und The Watcher´s Monolith gelingt, oder wenn sie den emotionalen Hammer auspacken und offen und ehrlich zum von Klassik beeinflussten Post Rock-Kitsch a la MONO stehen, wie im Gänsehaut erzeugenden Finale To Drown. Dazwischen gibt es immer wieder ein paar, für die Verhältnisse von AGALLOCH, platte Momente, die kalkuliert und nur mäßig gefühlvoll wirken. Das schwächt die Intensität von Marrow Of The Spirit leider ein wenig.

Davon abgesehen ist das vierte Full Length-Werk der Band aus Portland ein großes, wunderbar dicht komponiertes Album, das wie aus einem Guss geformt zu sein scheint. AGALLOCH zeigen, dass sie ihr Songwriting, auch in den Stellen, die subjektiv kitschig zu sein scheinen, voll unter Kontrolle haben und das realisieren, was ihnen Vorschwebt. Und so klingt auch das, was die vier Musiker erzeugen, ein von Hand geschmiedetes, authentisches, organisches und anspruchsvolles Kunststück ist. Ein Spagat zwischen den unterschiedlichen Formen von Underground-Musik, der so mühelos gelingt, als wäre es die leichteste aller Übungen. Dass die Instrumentalisten souverän und mit Weitblick agieren ist hierfür die Grundvoraussetzung, und auch der sparsam, aber stets effektiv eingesetzte Kreisch- und Klargesang spricht hier Bände.

Auch wenn AGALLOCH ein für den Hörer nicht ganz perfektes Album parat haben, da Marrow Of The Spirit jedem Hörer etwas gibt, aber auch für jeden Geschmack etwas Ballast an Bord hat, sie wählen den für sich intuitiv richtigen Weg. Einiges wird aber allen Hörern klar: Die warme, analoge Produktion ist die einzig richtige für diese mutige Mixtur und das Artwork ist ebenso liebevoll gestaltet, wie die Songs arrangiert sind. Auch ist unbestreitbar, dass AGALLOCH mit Marrow Of The Spirit ihre bisherigen Veröffentlichungen zwar locker übertrumpfen, aber in den letzten vier Jahren ist in diesem musikalischen Bereich so viel passiert, dass sie von anderen, die sich eben von ihnen selbst inspirieren ließen, seit Ashes Against The Grain überholt wurden. Wer den perfekten Soundtrack für die kalten, rauen und wunderschönen Tagen des Winters sucht, muss aber auf AGALLOCH zurück greifen, und sich in diese, von Schamanen und Erdgeistern bevölkerte musikalische Wunderwelt entführen lassen.

Veröffentlichungstermin: 19. November 2010

Spielzeit: 65:27 Min.

Line-Up:

Haughm
Anderson
J. William W.
Aesop

Produziert von AGALLOCH
Label: Viva Hate Records

Homepage: http://www.agalloch.org

MySpace: http://www.myspace.com/agalloch

Tracklist:

1. They Escaped The Weight Of Darkness
2. Into The Painted Grey
3. The Watcher´s Monolith
4. Black Lake Nidstang
5. Ghosts Of The Midwinter Fires
6. To Drown

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