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NECROPHOBIC: Es braucht eine Tapeversion, damit man mit seiner Boombox die Poser in der Stadt strafen kann!

NECROPHOBIC-Gitarrist Sebastian Ramstedt spricht über das neue Album “Mark Of The Necrogram” und den Nutzen von Musik-Kassetten

Necrophobic-bandfoto-2018NECROPHOBIC haben sich mit ihrem aktuellen Album “Mark of the Necrogram” selbst ein eindrückliches Denkmal gesetzt. Die Stockholmer Death Metal-Legende startet hiermit international wieder voll durch und präsentiert sich energiegeladen und eigenständig. Höchste Zeit also, mit Lead Gitarrist Sebastian Ramstedt Kontakt aufzunehmen, während er sich backstage im Club Gagarin in Tel Aviv auf den nächsten Auftritt vorbereitet.

 

Zuerst einmal muss ich noch einmal meine absolute Begeisterung für „Mark of the Necrogram“ kundtun. Wie fühlst Du Dich nach den ersten Rezensionen, die ihr hierfür erhalten hab

Sebastian: Es fühlt sich geil an! Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass das Feedback derart positiv sein würde. Als wir die Lieder für „Mark of the Necrogram“ schrieben, schrieben wir sie eigentlich ganz einfach für uns. Als Musiker ist es einfach auch mal cool, sich nicht zurückzuhalten und einfach aufs Ganze zu gehen. Manchmal schreibt man Passagen oder Riffs, bei denen man fast schon weiss, dass das Publikum sie nicht mögen wird – aber man selber findet sie interessant oder cool zu spielen. Dieses Mal haben wir solche Sachen komplett vermieden.

Es ist schon eine Weile her, seit ich an einem NECROPHOBIC-Album mitgeschrieben habe und ich wollte auf jeden Fall, dass „Mark of the Necrogram“ sich eher an „Hrimthursum“ und „Death To All“ orientiert als an „Womb of Lilithu“. Wir wollten keine unnötigen Passagen oder Übergangsteile. Eher direkt zur Sache kommen und nur Elemente anwenden, die wirklich zu NECROPHOBICs Stil passen. Das Risiko, wenn man eine solche Scheibe macht, ist, dass sie leicht ihren Reiz für einen selber verlieren kann, sprich, wenn sie zu eingängig ist. Aber ich denke, dass die Qualität der Songs dazu führen wird, dass „Mark of the Necrogram“ überlebt. Es ist fantastisch, dass die Rezensenten sie mögen. Das ist sozusagen die Belohnung dafür, dass wir uns für die richtige Strategie entschieden haben!

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Das Cover von “Mark Of The Necrogram”

Als ich das Cover sah, dachte ich erst an „Darkside“ wegen des Designs. Es gibt ja Bands, die sich für ihr Cover-Artwork immer für Kristian „Necrolord“ Wåhlin entscheiden, aber ihr habt ja auch Albumcover von anderen Künstlern gestalten lassen. Wer hatte die Idee, für „Mark of the Necrogram“ wieder ein Necrolord-Cover zu wählen? War die rot-orange Farbgebung von Anfang an eure Idee?

Die Idee für das Cover hatte ich schon 1997, als ich „Darkside“ zum ersten Mal sah. Ich mag IRON MAIDENs Ästhetik der 80er Jahre-Ära, als sie jeweils visuelle Spuren der vorherigen Platte auf dem Cover der aktuellen Platte hinterliessen. So sieht man zum Beispiel auf der Rückseite von „Somewhere in Time“ die Pyramiden, die das Album visuell mit „Powerslave“ verbinden. Ich wollte, dass Kristian das malt, was jenseits des rötlichen Zauns in der Mitte von „Darkside“ ist.

Irgendwie kam es seit 1997 nie dazu – aber dieses Mal, als sozusagen ältere Mitglieder der Band „zurückkehrten“, passte es visuell perfekt. Die Musik auf „Mark of the Necrogram“ ist ebenfalls sehr retro und orientiert sich ans NECROPHOBIC anno 1996. Die zweite Black Metal-Welle – klar, dass dann ein Cover von Kristian Wåhlin hermusste, schliesslich war er für viele Cover dieser Zeit verantwortlich. Als ich ihm von der Idee erzählte, fand er sie cool. Wir sprachen am Telefon darüber und er nannte das Cover „Redside“.

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Das Cover vom 1997er Album “Darkside”

Passend! Da wir grad schon bei der Farbe „Rot“ sind: Die rote Vinylversion von „Mark of the Necrogram“ ist ja limitiert auf 100 Exemplare und war flugs ausverkauft. Hast Du selber ein Exemplar abbekommen? Und wird es noch weitere Farben geben?

Alle farbigen Vinyl-Versionen waren innerhalb von zwei Tagen ausverkauft. Ich selber habe natürlich von jeder Farbe ein Exemplar. Bald wird es auch noch eine goldene Version geben.

Mark of the Necrogram“ erscheint ja auch als Tape-Version. Sind Kassetten noch 2018? Hörst Du noch Tapes?

Natürlich muss es die Scheibe auch auf Tape geben, damit man „Mark of the Necrogram“ auch auf der Boombox in der Stadt spielen kann, um damit die Poser zu strafen! Hahaha! Ich höre mir schon noch Kassetten an, meine Stereoanlage hat auch ein Tapedeck. Meistens Demos, die ich an Konzerten bekommen. Ansonsten gibt es zuhause bei mir primär Vinyl.

Ist Nostalgie eigentlich wichtig für Dich?

Wenn man seit 1982 jeden Tag „The Number of the Beast“ anhört, dann wird es nie Nostalgie. Dann ist es ständig aktuell. Nostalgie ist irgendwie nicht wichtig. Ich höre mir das an, was ich mag und kleide mich so, wie ich aussehen will. Vielleicht sieht das für manche Betrachter nostalgisch aus, aber dieser Meinung bin ich nicht. Dahingegen kann ich bei Filmen eher eine nostalgische Perspektive einnehmen. Und wenn ich mir Gitarren kaufe, dann spielt Nostalgie oft eine Rolle. Ich mag 80er-Jahre-Gitarren. Gerne rosa oder getigert, oder mit einem draufgemalten Motiv. Ich bin zwar der Meinung, dass sie nicht die schönsten sind, aber da meldet sich dann meine nostalgische Ader.

Du hast ja vorher schon deine Vinylvorliebe erwähnt und natürlich gibt es die Vinylversion von „Mark of the Necrogram“. Welches ist eigentlich Deine Lieblingsscheibe aus Deiner eigenen Sammlung? Bist du ein Plattensammler

Es gibt echte Sammler wie zum Beispiel Chrille (Necro) von PEST. Er hat eine unbeschreibbar grosse Plattensammlung und kauft sich auch teure Erstpressungen. Es ist, als würde man einen Plattenladen betreten, wenn man zu ihm nach Hause kommt. Selber kaufe ich relativ viele Schallplatten, mindestens eine pro Woche. Aber ich weiss nicht, ob ich ein Sammler bin. Wenn ich was Gutes auf Spotify höre, dann kaufe ich es sofort auf Vinyl. Einige meiner Schallplatten besitze ich auch, weil sie ein cooles Cover haben. Aber bei meinem „Sammelverhalten“ gibt es keine Logik. Das ist auch nicht wichtig bei Originalpressungen. Ich habe zum Beispiel etwas mehr 100 IRON MAIDEN-Platten – aber das ist keine Sammlung. Wenn man von jeder Ausgabe ein Exemplar hat, dann ist das eher ein Beginner-Set. Das muss man ja haben. Eine Sammlung wird es, wenn man jede einzelne Pressung hat! Ich habe zum Beispiel nur vier Pressungen der ersten IRON MAIDEN-Platte, also muss ich noch hart an mir arbeiten, haha!

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NECROPHOBIC-Gitarrist SEBASTIAN RAMSTEDT

Man braucht schliesslich Herausforderungen… NECROPHOBIC ist ja mittlerweile bei CENTURY MEDIA unter Vertrag, ein Label, das für seine schönen Vinyl-Rereleases (zum Beispiel von ULVERs „Nattens Madrigal“) bekannt ist. Wird es solche speziellen Re-Releases auch von älteren NECROPHOBIC-Platten geben?

Unsere älteren Alben sind an die früheren Labels gebunden. Ich denke nicht, dass HAMMERHEART und REGAIN RECORDS diese Rechte einfach aufgeben. Aber HAMMERHEART macht ja auch Re-Releases, die wirklich klasse aussehen.

Anders Strokirks Rückkehr als Sänger war ja für viele eine Überraschung. Wie kam eigentlich der erste Kontakt mit ihm nach so langer Zeit zustande?

Als Tobias aufhörte, hatten wir zwei Optionen: Entweder neues Blut herschaffen oder in der Vergangenheit suchen. Persönlich denke ich, dass es besser war, den Sänger von „The Nocturnal Silence“ anzufragen, ob er zurückkommen möchte. Es ist immer heikel, den Frontmann auszutauschen. Aber da Anders ein Originalmitglied war, fühlte es sich nicht merkwürdig an. Er war sofort von der Idee begeistert. Fantastisch ist natürlich, dass seine tolle Stimme noch immer da ist und er nie seinen Stil geändert hat. Ein fantastischer Frontmann, Freund und Metaller

Ich habe irgendwo gelesen, dass zwei Liedtexte auf der neuen Scheibe von Tobias Sidegård seien. Welche sind dies und wer schreibt heute die Texte für NECROPHOBIC?

Nein, das ist nicht korrekt. Drei Lieder hatte ich geschrieben, bevor ich 2011 die Band verliess. „Lamashtu“, „Crown of Horns“ und „Odium Caecum“ waren das. Aber Alexander Friberg hat die Texte hierzu geschrieben. Die Idee war eigentlich, dass diese Lieder auf „Womb of Lilithu“ sein sollten. Aber als ich NECROPHOBIC verliess, wollte ich die Lieder mitnehmen. Ich fühlte, dass ich der sein sollte, der sie verwendet. Aber zu „Mark of the Necrogram“ passten diese drei Lieder wieder besser – also sind sie jetzt drauf. Ich und Alexander haben je vier Texte geschrieben, Anders einen.

„Tsar Bomba“ ist ein ungewöhnlicher Titel für einen NECROPHOBIC-Song. Ich habe gelesen, dass der Ausdruck „Tsar Bomba“ von den Amerikanern verwendet wurde, um über eine Bombe mit 50 Tonnen TNT zu sprechen. Gibt es da einen semantischen Zusammenhang?

„Tsar Bomba“ ist die grösste Bombe, die je detonierte. Es war die grösste Bombe der Sowjets während des Kalten Krieges. Wir schrieben diesen Song, als wir in Russland auf Tour waren. Wir sassen im Hotelzimmer und hatten ein paar Stunden tote Zeit bis zum Frühstück. Also haben wir die Gitarren rausgenommen und angefangen zu jammen – ganz ehrlich und altmodisch. Anders hatte das Strophenriff und den Kern für einen Refrain und einen Mittelteil. Ich und Johan fügten Riffs hinzu und waren richtig aufgeregt über das Resultat. Als wir rausgingen, schaute ich in den russischen Himmel hinauf und schrie „Das Lied muss Tsar Bomba heissen!“ Eigentlich ein Liedtitel, den ich von PEST-Chrille aufgeschnappt hatte. Er hatte mir nämlich YouTube-Clips darüber gezeigt und viel davon gesprochen. Es wurde der perfekte Titel und im Zusammenhang auch der einzig logische Titel.

Welches ist Dein Lieblingssong auf “Mark of the Necrogram” und warum?

Ich habe definitiv eine Schwäche für “From the great above to the great below”. Das war der erste Song, den Anders und ich als Demoversion mit Gesang einspielten. Ich hatte vorher noch nie mit Anders gearbeitet und wusste nicht, wie es sein würde. Ob wir überhaupt kompatibel sein würden beim Komponieren, zum Beispiel. Aber es lief extrem geschmeidig. Als ich danach am Abend heimkam, war ich ganz aufgeregt und konnte deswegen nicht schlafen. Ich bin auch sehr stolz auf den Text, ich denke, es ist einer der besseren, den wir geschrieben haben. Als Song ist es wohl kein „Hit“, aber „From the great above to the great below“ hat einen erzählerischen Fluss in seiner Struktur, der mir sehr zusagt. Ich sehe sozusagen Bilder vor meinem inneren Auge, wenn ich den Song höre.

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NECROPHOBIC live beim Inferno Festival 2018 in Oslo

Zwischen „Womb of Lilithu“ und „Mark of the Necrogram“ liegen fünf Jahre. Wann wurden die Lieder komponiert?

Wie gesagt, waren ja drei Lieder schon älter. Die anderen Songs schrieben wir im Frühling / Sommer 2017. Es war harte Arbeit. Ich bin jeden Morgen um 4 Uhr früh aufgestanden – vor meinem Arbeitsbeginn – und habe ein paar Stunden komponiert, bevor die Familie aufwachte. Ich brauche Stille um mich herum, wenn ich etwas erschaffe. Während dieser Morgenstunden ist die Welt still. Ich habe zuvor noch nie so viel Zeit in eine NECROPHOBIC-Scheibe investiert. Und ich habe vorher noch nie derart konzentriert innerhalb einer so kurzen Zeitspanne gearbeitet. Ich denke, dass „Mark of the Necrogram“ wie aus einem Guss ist und in sich stimmig. Man hört, dass die Entstehungszeit kürzer war. Sogar die drei älteren Lieder entstanden zeitlich nah beieinander, kurz nachdem „Death To All“ erschienen war.

Was war das Schwierigste am Schaffensprozess von „Mark of the Necrogram“?

Für mich sind die Gitarrensolos auf dieser Scheibe ein Level höher. Ich habe viel Zeit für sie aufgebracht. Und am schwierigsten ist es wohl, eine Band umzuformen. Wieder neu anfangen und wie ein Phönix aus der Asche steigen. Die Kraft wiederfinden, den Willen und die Energie, sich aufzurichten und weiterzumachen. Und das so gut zu tun. Keine Sekunde wollten wir ein schwaches Album abliefern. Wir wussten, dass wir gezwungen waren, ein sackstarkes Album zu kredenzen, um uns wiederaufzurichten. Ich denke, dass viele Menschen NECROPHOBIC schon abgeschrieben hatten

Im Februar 2018 hattet ihr einen Auftritt auf dem USA-basierten Metal-Kreuzfahrt „70`000 Tons of Metal“. Was war das Verrückteste, was euch auf dieser Kreuzfahrt passiert ist?

Es war eine saucoole Reise. Aber wir sind nicht mehr so verrückt wie früher. Am verrücktesten war wohl, dass Johan und ich beide zehn Stunden am Stück schlafen konnten! Männer…haha! Ich würde gerne nochmals bei „70`000 Tons of Metal“ auftreten…

Und wie sehen eure Live-Pläne für den Rest von 2018 aus?

Wir spielen auf Festivals und machen Mini-Tournéen. Gerade jetzt sitze ich zum Beispiel in Tel Aviv und beantworte diese Fragen…

 

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