SUNDOWN FESTIVAL 2004: Gaildorf – 22.11.2003

Tief in die schwäbische Provinz hatten die Veranstalter einen erlesenen Querschnitt durch die süddeutsche Düstermucke-Szene eingeladen. In einer etwas verfallenen Industriehalle, umrahmt von lohnenden Essen-, Getränke- und Klamottenständen bat man zum mal düsteren, mal harten Vergnügen. Und der Weg nach Gaildorf hatte sich gelohnt, für die zahlreich Fans wie auch für die meisten Bands…

Tief in die schwäbische Provinz hatten die Veranstalter einen erlesenen Querschnitt durch die süddeutsche Düstermucke-Szene eingeladen. In einer etwas verfallenen Industriehalle, umrahmt jedoch von lohnenden Essen-, Getränke- und Klamottenständen bat man zum mal düsteren, mal harten Vergnügen. Und der Weg nach Gaildorf hatte sich gelohnt, für die zahlreich erschienenen Fans (hierzu hatte der vernünftige Ticketpreis von 15 EUR sicherlich beigetragen) wie auch für die meisten Bands…

DESPAIRATION

Den Anfang machten DESPAIRATION, die, ergänzt durch einen neuen Schlagzeuger, die hereinbrechende Dunkelheit nutzten, um ihren verspielten Gothic Rock dem pünktlichen Teil des Publikums vorzustellen. Neben den besten Stücken von ihren letzten beiden Scheiben gab es auch zwei Kostproben des noch nicht veröffentlichten Albums Music for the Night, die sich nahtlos ins Gesamtbild einfügte. Im Mittelpunkt des Auftritts stand Sänger Sascha Blach, der mit seinem weißen Hemd die Blicke auf sich zog und mit seiner voluminösen Stimme den Liedern seinen Stempel aufdrückte. Die Band ließ sich auch nicht von der anfangs etwas verhaltenen Resonanz abhalten, mehr und mehr in der Musik aufzugehen, so dass gegen Ende meine Lieblingssongs Magic Caravan und Blue Haven mit Leidenschaft und Bestimmtheit dargeboten wurden. Alles in allem war das Quintett also ein gelungener Auftakt für das Festival. (Jutze)

MS WEDNESDAY

Hoppla, das ging ja flott! Innerhalb von wenigen Minuten hatten MS WEDNESDAY, die vermutlich als Lokalhelden eingeladen waren, ihr Material auf die Bühne geschafft und legten unvermittelt ohne Vorwarnung einfach los. Entsprechend heftig kam ihr Nu-Metal-Gebräu rüber. Vor allem der Opener hatte es in sich, und auch wenn man erst mal kurz schlucken musste, um den krassen Wechsel von ruhigen, gothicangehauchten Klängen hin zu Gemoshe und Gebrüll zu verkraften, wurde die Hoffnung auf ein noch unentdecktes Juwel geweckt. Die vier Jungs bangten, moshten und hüpften denn auch, als ginge es um ihr Leben, was ihrem Auftritt zusätzliche Energie verlieh. Doch leider ging ihnen nach zwei, drei Songs musikalisch die Puste aus. Das Liedmaterial wurde gleichförmiger und strotzte nicht mehr so vor Kraft. Daher konnten MS WEDNESDAY nicht ganz überzeugen. So bleibt der Wunsch, dass die Band weiter an ihrem Stil feilt, um bald auch über die volle Strecke voranpreschen zu können. Die Rahmenbedingungen stimmen jedenfalls schon mal.

DRECKSAU

Gespannt war ich schon auf DRECKSAU gewesen. Doch leider konnten sie die Erwartungen – in meinem Falle eine dick mit Mörtel zugedonnerte Soundwand – nicht erfüllen. Zu simpel und berechenbar waren ihre Kompositionen, zu platt die Texte, soweit man sie im Gebrüll des Sängers verstehen konnte. Gerne wäre man wohl provokativ wie CARNIVORE und brachial wie TOTENMOND, aber dazu fehlen noch Welten. Zu angestrengt wirkte die Härte, zu undifferenziert wummerte Song um Song am Ohr des Zuhörers vorbei.

UNDERTOW

Wie man wirklich effektiv Krach macht und dabei quasi nebenbei noch leidenschaftliche, finstere Melodien einbaut, zeigten im Anschluss UNDERTOW. Gerade mal zu dritt brachten sie es fertig, die eigentlich von DRECKSAU erwartete meterdicke Soundwand aufzubauen. Hinzu kamen die knallharten Vocals von Sänger Joschi, dessen Organ sämtliche Leiden dieser Welt besang, ohne dabei weinerlich zu werden. Dafür regierte das Testosteron. Härte und Leidenschaft – diese beiden Extreme vereinbarten UNDERTOW an diesem Abend noch perfekter als auf der Tour mit END OF GREEN. Da hatte Joschi es nicht mehr nötig, auch in den Ansagen den bösen Buben zu markieren. Lieber kommunizierte der massige Kahlkopf mit dem Publikum auf tiefstem Schwäbisch, freute sich sichtlich über die Reaktionen und verbreitete gute Laune, die dem düsteren Songmaterial aber nicht abträglich war, zumal die Band den Schwerpunkt auf die flotteren Stücke ihres Repertoires gelegt hatte, die zum gepflegten Abgehen einluden.

DARKSEED

DARKSEED hatten es nach dieser Glanzleistung natürlich alles andere als leicht, ähnlich überzeugend die Bretter zu entern. Und trotz doppelt soviel Bühnenpersonal und einer ewig währenden Umbaupause gelang es ihnen nicht mal ansatzweise, eine ähnliche Soundwand zu erschaffen und mit dem Publikum ähnlich direkt und ungekünstelt umzugehen. Stattdessen langweilte die Band wie schon auf dem Summer Breeze mit ihren neuen Songs, die den Abstieg von einer hoffnungsvollen, vielversprechenden Band mit eigenem Gesicht zu einem Gothicrock-Abklatsch dokumentieren. Dünne Gitarren, nicht wirklich sicherer Gesang und biederstes Songwriting (als Running Gag: der ruhige Mittelteil nach dem zweiten Vers…) genügten eigentlich schon, um den Auftritt scheitern zu lassen, auch wenn die vorderen Reihen sich das Feiern nicht verderben ließen. Richtig ärgerlich wurde er jedoch durch die verschobene Perspektive, was die Selbstwahrnehmung bei DARKSEED angeht: Ansagen wie Gebt auch den anderen Bands eine Chance, geht nicht gleich heim! wirken zwar vordergründig kollegial, waren aber angesichts des noch frühen Abends und des nun wahrlich nicht in Headlinerregionen angesiedelten Status der Bajuwaren wohl eher Ausdruck der Selbstüberschätzung und des gekränkten Musikeregos angesichts der Tatsache, dass man den Platz im Billing mit END OF GREEN tauschen musste.

END OF GREEN

Rachendrachen hat END OF GREEN mittlerweile zwölfmal live erlebt und entsprechend viele Konzertberichte geschrieben. Dementsprechend bin ich jetzt an der Reihe, obwohl ich die Band vorher lediglich von einem Konzert vor vielen Jahren her kannte. Zum Glück entpuppte sich die Musik der fünf Jungs als durch und durch live-tauglich. Während die unzähligen Gitarren auf der Bühne entsprechend Druck erzeugten, drückte Sänger Michael Huber den Stücken einen eigenen Stempel auf. Wie schon bei UNDERTOW kam es dabei weniger auf Deutlichkeit oder gar Virtuosität an. Vielmehr ging Huber in der Musik voll und ganz auf, besonders als er zwischendurch seine Gitarre beiseite legte. Trotz teils recht seltsamer Ansagen wurden die Stücke dazwischen mit reichlich Applaus bedacht. Überhaupt übertrug sich die lebhafte Stimmung direkt von der Bühne auf alle Anwesenden, zumal die einzelnen Songs prägnant und eingängig waren. Dass ich nicht mit dem Songmaterial vertraut war, tat diesem Energiefluss keinen Abbruch. END OF GREEN haben abgesehen von ein paar Stockungen im Schlagzeugbereich sicherlich eine tadellose Show gespielt, wobei sie sichtlich ihren Spaß hatten. Somit bleibt als Fazit zu bemerken: END OF GREEN haben gerockt! (Jutze)

FLOWING TEARS

Als FLOWING TEARS schließlich loslegten, galt alle Aufmerksamkeit zuerst einmal der neuen Sängerin Helen Vogt. Schon nach wenigen Tönen wurde deutlich, dass sie auf alle Fälle ein würdiger Ersatz für Stefanie Duchêne war. Im Laufe des Auftritts brach sie jedoch selten aus dem vorgegebenen Rahmen aus, weshalb vermutlich erst das nächste Album zeigen wird, was wirklich in ihr steckt. Nach der energiegeladenen Show von END OF GREEN wirkten FLOWING TEARS mit ihren atmosphärischen Songs ein wenig starr, nicht zuletzt, weil es auch reichlich Keyboards vom Band gab, die nicht so recht mit dem spartanischen Bühnenbild harmonierten. Gitarrist Benjamin Buss gab dennoch alles, ging bei den heftigen Passagen ab und versank in den ruhigeren Teilen in den ausufernden Klangmeeren. Für den Schluss hatte sich die Band mit Serpentine und Merlin zwei ihrer besten Stücke aufgehoben, die mit Biss und Kraft vorgetragen wurden. Den Preis für die melodischste Darbietung des Abends hatten FLOWING TEARS zu diesem Zeitpunkt ohnehin in der Tasche. (Jutze)

EVEREVE

Ich muss gestehen: Nachdem die ersten drei Songs von EVEREVE ähnlich nichts sagend und emotionslos wirkten und auch die angestrengt auf Psychopath getrimmte Bühnenshow sich nicht verbessert hatte seit dem Feuertanz-Festival, machte sich das vampster-Team vom Acker, um die nächtliche Rückfahrt durch unzählige schwäbische Kleinstdörfer in Angriff zu nehmen. Augen- und Ohrenzeugen des EVEREVE-Auftritts zufolge war das die richtige Entscheidung, da das Hauptmanko von EVEREVE – gesichtsloses Material, verkrampft lässig wirkendes Auftreten und stilistisches Hinterherhinken hinter den Strömungen der Szene – auch bei diesem Auftritt auf dem Sundown-Festival bestehen blieb.

Titelbild: http://www.sundown-festival.de

Fotos: Tammi

Layout: Andonis Dragassias (exhorder)

& Fierce

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