JAVELIN, FALLEN ANGEL, OSYRIS, SAINT DRAGON in Dedinghausen, 30.9.2000

Wenn man zu einem Underground-Konzert mit Freibier in der Wallachei fährt, kommen lustige Dinge dabei heraus. Und man hört gute Musik – aber lest selbst.

Bevor ich diesen Bericht beginne, sei eins gesagt: Wenn man mit dem Auto zu einem Metal-Konzert gefahren wird, bei dem man umsonst reinkommt, und bei dem man Freibier bekommt – ja, richtig, Freibier gab´s da -, dann fällt es schwer, einen sachlichen und nüchternen Bericht darüber zu schreiben. Böser Alkohol. Ganz böse…

Nun aber genug der Vorrede. Nachdem sich die Hinfahrt in die Weltstadt Dedinghausen (das ist bei Lippstadt irgendwo) als eine Neuauflage der Irrfahrt des Odysseus herausgestellt hatte (ihr glaubt ja nicht, wie viele Käffer es gibt, die mit „-inghausen“ enden!) und wir für die zehn Kilometer von Lippstadt nach Dedinghausen beinahe eine Stunde gebraucht hatten, waren wir endlich am Bürgertreff in Dedinghausen (Kult!) angelangt, wo schon einiges los war. Erstaunlich, wie viele Metalheads zu einem Konzert von vier eigentlich so gut wie unbekannten Bands kommen – so muß das sein! Wer da noch den Metal für tot erklärt, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Noch ein paar Worte zum Ambiente im „Bürgertreff“: Der Boden war gefliest, die Lichtanlage so gut wie nicht vorhanden, und an der Wand hing ein Emblem eines Schützenvereins. That´s Metal! Oder so ähnlich…

Der Bierstand war dann auch schnell ausgemacht, und nachdem ich das erhebende Gefühl, „auf der Gästeliste“ zu stehen, sowie meine ersten zwei Bier genossen hatte, begannen SAINT DRAGON aus Geseke mit ihrem Auftritt. Die Jungs spielten, bis auf eine Ausnahme, nur Coversongs, was sich logischerweise als Anheizer gut eignete. Man begann mit „Aces High“, spielte „For Whom The Bell Tolls“, „Breaking The Law, „Eagle Fly Free“, „The Trooper“, einige andere Stücke und als Abschluß „Hail and Kill“ – eine wundervolle Setlist, wenn ihr mich fragt. Die Instrumentalisten wußten zu gefallen, Stimmung war auch nicht schlecht, nur der Sänger sang ein wenig schief. Das machte aber nichts, denn Party war angesagt. Der einzige eigene Song der Band, „Wake Up The Dragon“, klang dann *sehr* nach Helloween und war in meinen Ohren schöner Durchschnitt.

Nachdem ich weitere zwei Bier geleert hatte (böser Alkohol, böses Freibier…), erklommen OSYRIS aus Ahlen die Bühne. In Ahlen wohne auch ich, so daß ich hier leider nicht sonderlich objektiv sein kann. Aber auch Außenstehende sollten eigentlich die hohe Qualität dieser Band erkennen, denn man spielte relativ anspruchsvollen Power Metal mit einer gehörigen Portion Melodie und sehr viel Aggression – also ein schöner Kontrast zum sonstigen Tralala-Metal der anderen Bands. Alles hatte Hand und Fuß, das Publikum (besonders natürlich der Ahlener Fanclub *g*) ging ordentlich ab, mit „The Evil That Men Do“ von Maiden hatte man noch einen arschgeilen Coversong im Gepäck, und technisch gesehen sind OSYRIS sowieso über jeden Zweifel erhaben. Schade nur, daß der Soundmann das Gesangsmikro viel zu leise gedreht hatte – bei Nichtkenntnis der Songs mußte man die Gesangslinien teilweise schon erraten. Echt schade.

Für Euphorie bei uns sorgte dann noch die Ankündigung, daß man nächsten Monat ins Studio gehen wolle, um eine CD aufzunehmen (die dann hoffentlich viel Beachtung findet), und daß man am 31.12. zusammen mit ANGEL DUST im Bürgerzentrum Schuhfabrik in Ahlen spielt! Wenn da nicht eine Karriere beginnen sollte, läuft irgendwas falsch in Deutschland. Gut, das ist nichts neues, denn wenn sogar Centuty Media Records Alben von grottenschlechten Punk-Bands veröffentlicht anstatt den Metal-Underground nach vorne zu bringen… na ja.

Nach dem großen „Hit“ der Band, „Faster Than The Light“ (als MP3 übrigens auch auf zu finden), der am Ende leicht impovisiert werden mußte, da irgendjemand ein Gitarrenkabel rausgerissen hatte, endete ein weiterer solider Auftritt von OSYRIS, die aber bei ihren nächsten Auftritten ruhig mal neue Songs spielen könnten. 😉

Für ein Großteil des Publikums war nun mit FALLEN ANGEL wohl der Höhepunkt des Abends gekommen, denn die ortsansässige Bands hatte einen gewaltigen Fanclub dabei. Und verdient hatten sie die Superstimmung und den Applaus dann ja auch, denn man spielte Helloween-beeinflußten Metal ohne Schnörkel, der sich wirklich gut als Hintergrundmusik zum Biertrinken oder auch zum Moshen eignete. *g* Ich jedenfalls zog aufgrund meines total lädierten Nackens ersteres vor und stürzte mich nur noch einmal ins Getümmel, nämlich als man die obligatorische Coverversion spielte: „I Want Out“ von Helloween!

Den Abschluß dieses geilen Metal-Abends machten dann JAVELIN aus Hamm, die mit ihren guten Power Metal-Songs ebenfalls eine sehr solide Leistung ablieferten. Sogar der ständig besoffene Schlagzeuger machte keine Fehler, und so knallten die Songs recht ordentlich. Ein Problem bei der Sache war nur, daß die Jungs (wobei dieser Begriff beim ziemlich hohen Altersdurchschnitt der Band ein wenig fehl am Platze wirkt) keinen eigenen Fanclub dabei hatten, und so mußten die Ahlener diese Aufgabe erfüllen. Auch ich stand jetzt wieder vorne, mit meinem kaputten Nacken (GANZ böser Alkohol…), und moshte und stagedivte (was für ein Wort). Bei letzterem tat sich besonders ein gewisser Herr H. aus A. hervor (nein, nicht ich), der sich alle zwei Minuten auf die Bühne stellte, um von dort auf die etwa fünfzehn Menschen vor ihm zu springen (der Rest der eigentlich sehr zahlreichen Gäste hatte wohl keine Lust mehr). Mein einziger Dive-Versuch wurde im übrigen dadurch eingeleitet, daß ich beim Versuch, auf die ca. 40 cm hohe Bühne zu gelangen, stolperte und voll auf die Bretter, die die Welt bedeuten, knallte. Das tut jetzt noch weh, lacht nicht!

Das Ende des Abends bekam ich dann nicht mehr mit, was *nicht* am Bier, sondern an der Tatsache, daß ich abgeholt wurde, lag.

Abschließend möchte ich noch bemerken, daß dieses Konzert, wie eingangs schon erwähnt, mal wieder gezeigt hat, wie lebendig Metal ist (denn so viele Leute bei einem Konzert in der Wallachei, das ist schon klasse), aber daß ich auch gleichzeitig bemerkt habe, daß viele Leute nur bei einer Band abgegangen sind. Wieso geht man zu einem Konzert von vier Bands, wenn man dann keine Party feiert? Wieso muß man mit verschränkten Armen dastehen, wenn auf der Bühne „Eagle Fly Free“ gespielt wird? Warum wechselt das Publikum direkt vor der Bühne, wenn eine andere Band spielt als die seiner Freunde? Muß sowas sein?

Wie dem auch sei, wenn irgendwo Underground-Bands ohne Deal spielen, GEHT HIN! Es lohnt sich!

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