AMORPHIS, ORPHANED LAND, GHOST BRIGADE: Backstage Werk, München, 23.11.2010

Wenn schon mal ein derart hochklassiges Killer-Line-Up auf Tour kommt, dann gibt es kaum Ausflüchte, daheim zu bleiben. Egal ob nun Krankheit, fehlende Begleitung, Lethargie, oder chronischer Geldmangel der vorgeschobene Grund sein möge – eigentlich zählt das alles nicht auf dieser Tour. Das haben auch gut 900 Besucher erkannt, die dem werktäglichen Dienstagstermin trotzten und stattdessen den Weg ins gut gefüllte Münchner Backstage Werk fanden, um sich von AMORPHIS, ORPHANED LAND und GHOST BRIGADE die Müdigkeit des Arbeitstags aus den Knochen jagen zu lassen…

Wenn schon Mal ein derart hochklassiges Killer-Line-Up auf Tour kommt, dann gibt es kaum Ausflüchte, daheim zu bleiben. Egal ob nun Krankheit, fehlende Begleitung, Lethargie, oder chronischer Geldmangel der vorgeschobene Grund sein möge – eigentlich zählt das alles nicht auf dieser Tour. Das haben auch gut 900 Besucher erkannt, die dem werktäglichen Dienstagstermin trotzten und stattdessen den Weg ins gut gefüllte Münchner Backstage Werk finden, um sich von AMORPHIS, ORPHANED LAND und GHOST BRIGADE die Müdigkeit des Arbeitstags aus den Knochen jagen zu lassen.

GHOST BRIGADE

Zugegebenermaßen steckt die nicht nur in den meinen, als um acht mit GHOST BRIGADE die erste Band des Abends eröffnet. Eigentlich sind sie ja an dieser Position total verheizt, die Finnen, die so perfekt auf dem schmalen Grat zwischen Gefühl und angestauter Wut wandeln. Kann eine solche Ausnahmeformation vor noch halbleerer Halle mittlerer Größenordnung überhaupt eine solch intensive Show wie vor einem halben Jahr im kuscheligen Hansa wiederholen? Natürlich nicht, dazu sind die Voraussetzungen ganz andere.

Aber GHOST BRIGADE machen das Beste daraus und wählen mit “Deliberately” einen erstaunlich melancholischen Einstieg vom Debüt “Guided By Fire”. Auch wenn die Nähe der Musik zum Publikum aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten nicht ganz so greifbar und vor allem intim ist wie vor sechs Monaten, so weiß das Quintett auf seine Weise dennoch zu verzaubern. Vor allem als nach dem Einstieg aus dem Repertoire von “Isolation Songs” geschöpft wird, entwickelt sich ein impulsiver Spannungsbogen aus ruhigen Momenten wie dem wunderbaren “Into The Black Light” und den erbarmungslosen Wutausbrüchen “Lost In A Loop” sowie “Suffocated”, welche natürlich vom makellosen Live-Sound profitieren, der einen satten Bass mit differenzierten Gitarren verbindet.

Manne Ikonen legt ungemein viel Herz in seinen Gesang

Das atmosphärische Highlight markiert sicherlich das Instrumentalstück “22:22 Nihil”, das dank blau ausgeleuchtetem Nebel im Werk ebenso in den Bann zieht wie in den kleinen Clubs. Davon abgesehen bleibt wie immer Gitarrist Wille Naukkarinen der größte Hingucker, dessen Hardcore-Wurzeln besonders im energetischen Stageacting zur Geltung kommen.

Nach nur 40 Minuten beenden GHOST BRIGADE ihr Set mit dem reinigenden “A Storm Inside”, das zugleich darlegt, wie ungemein viel Herz und Ehrlichkeit Manne Ikonen in seinen Gesang legt – selbst wenn er wie hier die Strophe mit ungewohnt tiefer Stimme interpretiert. Selbst wenn im Nachhinein die Gewissheit bleibt, dass eine Truppe wie GHOST BRIGADE in einem kleinen Club besser aufgehoben ist, erfüllen die leidenschaftlich agierenden Musiker die Erwartungen spielend und sorgen für einen Auftakt, den die nachfolgenden Acts erst mal überbieten müssen.

GHOST BRIGADE Setlist

  1. Deliberately
  2. My Heart Is A Tomb
  3. Into The Black Light
  4. Lost In A Loop
  5. Suffocated
  6. 22:22 Nihil
  7. A Storm Inside

ORPHANED LAND

Mit “In Thy Never Ending Way” eröffnen ORPHANED LAND im Anschluss ungewöhnlich ruhig, nur um mit “Barakah” direkt danach Tempo und Härtegrad anzuziehen. Die fünf Mannen aus Israel sind sicherlich die exotischste Band dieses Tour-Pakets und das nicht nur aufgrund ihres orientalisch beeinflussten Progressive Metal, sondern auch wegen ihres eigenwilligen Auftretens. Okay, die Ethno-Instrumente und traditionellen Klänge kommen genauso wie der Damengesang bei “Sapari” vom Band, für das entsprechende Flair sorgt dafür Frontmann Kobi Farhi, der mit weißer Robe und offenem Haupthaar die Bühne betritt. Etwaigen fälschlichen Assoziationen kommt er jedoch umgehend zuvor: Ich bin nicht Jesus, ich hab’ “Allstar-Shoes”, lässt er die Münchner wissen und zementiert damit nur den ausgesprochen sympathischen Eindruck, den ORPHANED LAND hinterlassen.

Allen voran Gitarrist Yossi Sa’aron ist die kompletten 50 Minuten das Grinsen nicht aus dem Gesicht zu kriegen. Bei solch positiver Grundstimmung fällt es natürlich schwer, nicht selbst umgehend von den enthusiastischen Musikern auf der Bühne angesteckt zu werden. Und so gelingt es im Handumdrehen, das zunächst leicht skeptische Publikum mit Klassikern wie “Birth Of The Three (The Unification)” oder “Ocean Land (The Revelation)” für sich zu gewinnen und im abschließenden “Norra El Norra (Entering The Ark)” sogar zum Mitsingen zu animieren – sehr zur Freude von Sänger Kobi Farhi, welcher tief im Herzen doch ein heimlicher Poser ist, wie seine bedeutungsschwangere Gestik während des Sets unschwer zu erkennen gibt.

Nur Kleinigkeiten trüben ein sonst enthusiastisches Bild

Getrübt wird der Auftritt nur durch ein paar kleinere Hänger im Programm, wie etwa das kurze Instrumental “Olat Ha’tamid” und das bereits angesprochene “Sapari”. Dafür kann selbst das überraschende “From Broken Vessels” nicht gänzlich entschädigen, zumal für dieses im Gegenzug das grandiose “Halo Dies (The Wrath Of God)” aus dem Set weichen muss. Kleinigkeiten möchte man sagen und hat damit auch recht. Doch genau diese Kleinigkeiten verhindern im Zusammenspiel mit dem streckenweise etwas matschigen Sound letztlich ein ungeschränkt enthusiastisches Bild der wichtigsten Metalband aus dem Nahen Osten.

ORPHANED LAND Setlist

  1. In Thy Never Ending Way
  2. Barakah
  3. The Kiss Of Babylon
  4. Birth Of The Three
  5. Olat Ha’tamid
  6. Sapari
  7. From Broken Vessels
  8. Ocean Land
  9. Norra El Norra

AMORPHIS

Eine halbe Stunde später, es ist in der Arena langsam ungeduldig geworden, verstummt plötzlich das Gemurmel, als das Intro des Titeltracks von “Skyforger” ertönt. Schnörkellos wie die Bühnendeko im “Magic & Mayhem – Tales From The Early Years“-Stil gestaltet sich der Einstieg. Immerhin geben Backdrop und Bühnenaufsteller einen Ausblick auf das kommende Programm – neben dem immer noch aktuellen “Skyforger” stehen nämlich dieses Jahr die Klassiker im Mittelpunkt, die erst jüngst auf der oben genannten, neu eingespielten Compilation einer Frischzellenkur unterzogen wurden.

Nach dem kraftvollen Beginn, bei dem AMORPHIS neben dem wunderbaren “From The Heaven Of My Heart” auch das “Eclipse“-Highlight “The Smoke” aufbieten, folgt schon der erste Block aus Klassikern. Mit “Better Unborn” und “Song Of The Troubled One” geht es nicht nur eine Spur härter zu, auch Sänger Tomi Joutsen lässt seine meterlangen Dreadlocks im Minutentakt kreisen. Stageacting ist ohnehin ein gutes Stichwort, denn AMORPHIS beherrschen das Werk und damit die hungrige Meute von der ersten Sekunde an. München frisst Tomi aus der Hand und der dankte es mit einer fantastischen Performance. Nicht zu extrovertiert, aber doch präsent. Stets gefühlvoll, aber beizeiten urgewaltig wie der erste Orkan.

Vielleicht sollten AMORPHIS ihrem Klassiker “Alone” eine Live-Pause gönnen

Dass sich seine Mitmusiker dagegen eher im Hintergrund aufhalten, fällt da gar nicht so auf. Lediglich beim obligatorischen “Alone” scheint die Motivation etwas abhanden gekommen zu sein. Vielleicht sollte dem Song bei der nächsten Tour eine Pause gegönnt werden, damit auch AMORPHIS selbst wieder Blut lecken. Dies haben dafür alle anderen im Saal, die sich von der vorherrschenden Euphorie anstecken lassen und bei glasklarem Sound neueres Material vom Schlage eines “Silver Bride” oder “Silent Waters” ebenso abfeiern wie ein “Black Winter Day” und “Into Hiding”. Dieses markiert zugleich die erste von drei Zugaben, bevor sich die Finnen mit “House Of Sleep” und “My Kantele” nach einem langen wie mitreißenden Abend verabschieden.

Demzufolge sind die Gesichter nach den finalen 75 Minuten sichtlich erschöpft und zufrieden, als um kurz nach halb zwölf die Tore geöffnet werden und eine Schar müder Gestalten wieder hinaus in die kalte Nacht strömt. Nur ist es nun nicht der Arbeitstag, sondern der schweißtreibende Konzertabend, der die Knochen lähmt und dem einen oder anderen sicherlich noch am nächsten Morgen den alltäglichen Start in die Berufswelt erschweren wird.

AMORPHIS Setlist (ca. 75 min.)

  1. Skyforger
  2. Sky Is Mine
  3. From The Heaven Of My Heart
  4. The Smoke
  5. Better Unborn
  6. Song Of The Troubled One
  7. Exile Of The Sons Of Uisliu
  8. Silent Waters
  9. Alone
  10. My Sun
  11. Silver Bride
  12. Black Winter Day
    —————————
  13. Into Hiding
  14. House Of Sleep
  15. My Kantele

Fotogalerie: AMORPHIS, ORPHANED LAND, GHOST BRIGADE

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