Therion – Christofer Johnsson über Musik und Extreme Leute

Da bereitet man sich auf ein nettes Kurzes Interview vor, und raus kommt sowas. Viel Spass 😉

Nachdem ich wegen eines Missverständnis den ganzen Dienstag Abend auf ein verheissungsvolles Interview gewartet hatte, sollte es doch am darauffolgenden Tag zum Interview kommen.
Kurz vor 21 Uhr kam mir durch den Telefonhörer die junge Stimme von Christofer Johnsson entgegen:

Hey, das ist die Schweiz, oder? Hier auf meinem Zettel steht “Deutschland” aber +41 als Vorwahl ist doch die Schweiz?

Tja, vampster ist zwar in Deutschland lokalisiert, ich selbst wohne aber in der Schweiz. Aber hallo erst mal. Wie geht’s?

Ich werd grad warm, das ist Interview Nummer 14 heute. Nachher geb ich noch eins, dann ist Schluss für heute. Morgen geb ich dann nochmal um die 15 Interviews. Es fängt gerade erst an…

Als erstes muss ich mal sagen, dass ich von Eurem Gig am Dynamo Open Air begeistert war.

Ja, das waren wir auch. Es hat ne Menge Spass gemacht.

Ok, dann fangen wir mal mit den Fragen an: Ich hab hier die Promo Eurer neuen, ja, ich glaube es ist eine EP, oder?

Es war zuerst als Mini-CD geplant. Dann hat das Label (Nuclear Blast – Anm. d. V.) entschieden, dass da zusätzliche Tracks für eine Special-Edition drauf sein sollten. Nun sieht’s so aus, als ob jede Kopie, die in den Handel kommt, eine Special Edition ist. Es ist jetzt effektiv eine Full-Length CD.

Aber es war nicht so geplant, oder?

Nein, als wir ins Studio gegangen sind, war geplant, eine Mini-CD zu machen, doch unser Manager und das Label sagten, “Hey, Ihr müsst den Fans noch ein paar Live-Tracks geben!”

Was zweifellos auch eine tolle Sache ist, ich mag die Live-Tracks nämlich sehr! Stand hinter CROWNING OF ATLANTIS (so der Titel der neuen Scheibe) irgendein Konzept oder etwas ähnliches?

Der Punkt war, dass ich ein paar neue Sachen ausprobieren wollte, und dass ich noch verschiedenes noch nicht veröffentlichtes Material hatte. “Mark of Cain” zum Beispiel haben wir für VOVIN aufgenommen aber die Gitarren und der Gesang haben mir auf der Original-Version überhaupt nicht gefallen, obwohl ich den Song überaus mag. So hatte ich den Wunsch, die Vocals neu aufzunehmen und das ganze neu zu mischen.
Dann iszt da der ganz neue Song “Crowning of Atlantis” und die neue Version von “Clavicula Nox. Dieser Song war gut auf VOVIN, aber es gab so viele Kleinigkeiten, über die ich später nachdachte, “warum habe ich das-und-das so gemacht und nicht so”. Jetzt schlafe ich nachts besser. (lacht)
Ich bin ein kleiner Perfektionist. Wenn ich nicht 100%ig glücklich mit etwas bin, dann muss ich es später nochmals machen.

Wird es also in ein paar Jahren eine komplette Platte mit allen neu aufgenommenen Songs der Vergangenheit, die Du nicht ganz mochtest, geben?

Nein, eher nicht (lacht). Clavicula Nox war der einzige Song, den ich bisher nochmals machen wollte.
Normalerweise nehme ich mir im Studio genügend Zeit, um etwas so zu machen, wie ich es will. Nun, mit diesem Song, naja, es war nicht gestresst oder so, aber ich hätte vielleicht einfach ein Bisschen mehr Zeit gebraucht, um ihn mal mit nach Hause zu nehmen und dort einige Male zu hören, um auf die richtigen Ideen zu kommen und auf die kleinen Sachen aufmerksam zu werden. Denn es waren nur kleine Sachen, die ich dann verändert hätte. Doch für die neue CD wollte ich nicht nur die kleinen Sachen verändern, sondern ich wollte eine komplett andere Version aufnehmen: Ich wollte das Klavier, ich dachte “Oh, warum habe ich die weiblichen Vocals genommen, shit, ich hätte die männlichen nehmen sollen”. Dann habe ich noch die originalen Streicher in einen Chor geändert, doch ich mag beide, die Streicher und den Chor. Doch das Klavier und die männlichen Vocals, das waren Dinge, die ich wirklich wollte.
Dann hatte ich drei Songs, was zu wenig ist für eine Mini-CD. Und, was sollte man dann noch nehmen?
Da war noch ein Song, der während den VOVIN-Sessions entstanden ist, “From the Dionysian Days”. Er sollte ursprünglich mit auf die Platte, und ich hab ihn später vielen Leuten vorgespielt, die sagten “Warum hast Du diesen Song nicht auf VOVIN gepackt?” Ich mag den Song wirklich, doch ich dachte er wäre zu verrückt, weil er sich so vom übrigen Material unterschied. Ich meine, es gibt “The wild hunt” (auf VOVIN – Anm. d. V.) und es gibt “From the Dionysian Days”. Obwohl “The wild hunt” sich auch sehr von den sonstigen Songs auf VOVIN unterscheidet, dachte ich, dass er besser auf die Platte passen würde. Gerade weil er anders ist, schneller, roher, lauter, steht er in der Mitte von VOVIN. “From the Dionysian Days” machte es nur noch komplizierter, also liess ich den Song weg. Doch jetzt, da ich sowieso eine CD mit vielen verschiedenen Arten von Musk am machen war, dachte ich, dass “From the Dionysian Days” hier gut passen würde. Er ist definitiv nicht irgendein “Leftover” sondern ein vollwertiger, guter Song.
Gut, dann hatte ich vier Songs, doch ich brauchte noch mehr fü die Mini-CD: Also dachte ich an ein Cover von “Seawinds” von Accept.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Song zu covern. Es gibt das “offensichtliche Cover”. Zum Beispiel das Loudness-Cover oder das Maiden-Cover, das sind “offensichtliche Cover”, weil jeder hören kann, dass das Therion sind, die einen Song einer anderen Band nachspielen. Das ist auch in Ordnung, denn Du magst den Song, oder die Meute mag den Song, also gibt es live eine grosse Party.
Die andere Möglichkeit eines Covers ist die, dass der Song effektiv von Deiner Band ist, aber geschrieben von einer anderen Band. Ich meine, niemand kann hören, dass Seawinds nicht von Therion stammt.

… Ach so, ich dachte schon, dass die Harmonien von “Seawinds” etwas poppig klingt für Therion.

Nimm doch “Siren of the Woods”, das ist auch sehr poppig.

Nein, ich meinte nur die Harmonien. Ich dachte “könnte von Therion sein, könnte aber auch von jemand ganz anderem sein”.

Wieso, Du kannst zum Beispiel “In Rememberance” nehmen, das ist auch sehr poppig.

Nichts gegen poppig! Ich meinte nur die Harmonien. Es ist klar, Du hast die ganze Orchestration gemacht, das hört man.

Ach so, ich dachte Du meintest “zu poppig für Therion”. Der ganze Song könnte von mir sein, alles. So wie zum Beispiel das Celtic Frost-Cover auf LEPACCA CLIFFOTH. Ich meine, die Mehrheit aller Fans denkt, dass das ein Song von mir ist. Das ist das was ich mit dem behandeln eines fremden Songs wie einen eigenen meine.
Gut, also dachte ich daran, den Song auch auf die Mini-CD zu nehmen. Dann hatte ich 5 Songs, was eigentlich genug wäre für eine Mini-CD. Doch ich wollte den Fans etwas mehr “Value for Money” bieten, und dachte daran, noch einen oder zwei Extra-Songs draufzunehmen.
“Crazy Nights” war original der Bonus-Tracks auf der japanischen Edition von VOVIN.
Das ist wirklich etwas komisches mit diesen Japan-Edition von CDs. Jeder fragt sich, warum die so oft Bonus-Tracks enthalten. Ich verstehe die Frage recht gut, denn wir haben über 100’000 Kopien von VOVIN in Europa verkauft, dagegen etwa 10’000 in Japan. Aber warum kriegen sie die Bonus-Tracks, wo doch in Japan ca. 1/10 der Platten verkauft werden, die in Europa über den Ladentisch gehen? Es wäre doch logisch, dass man auf die Europäischen CDs Bonus-Tracks tun würde.
Das Problem ist, dass es ohne Bonus-Tracks so etwas wie die Japanische Tonträger-Industrie gar nicht gäbe. Es kommt die Fans so viel billiger, einen Import von Europa oder den USA zu kaufen, als die in der Heimat produzierten CDs. Damit eine CD jedoch in Japan produziert werden kann und auch gekauft wird, muss man etwas spezielles bieten: Erstens werden die Texte auf japanisch übersetzt in einem zusätzlichen Booklet zusammen mit etwas zu Geschichte der Band und so abgedruckt, und es gibt Stickers der bisherigen Alben der Band. Zusätzlich wollen die Japanischen Labels noch die Bonus-Tracks, weil dann die Fans bereit sind, mehr dafür zu berappen.
Ich mein, würdest Du eine Schweizer CD kaufen, die gleich ist wie eine Importierte aus Deutschland aber mehr kostet?

Natürlich nicht.

Also bekommen sie etwas spezielles. Doch dann haben wir das Problem, was wir dort als Bonus-Track verkaufen wollen. Entweder wir tun einen guten Song drauf, der dann auf der Europäischen Version fehlt, oder wir tun ein schlechteres Stück drauf.
Wir dachten lange darüber nach, und ich sagte: “Warum machen wir nicht ein Cover der japanischen Kult-Band Loudness?”
Doch dann drehte sich die Situation, und viele Leute kamen zu mir und sagten “Ich hab die japanische Version von VOVIN gekauft. Der Bonus-Track ist Echt toll, warum habt Ihr den nicht in Europa herausgebracht?”
Dann müssten sich die Europäischen Fans die teuren Japanischen Importe kaufen, um den Song zu hören, und so dachte ich, dass es ein guter Weg wäre, “Crazy Nights” auf CROWNING OF ATLANTIS zu veröffentlichen, um den Europäischen Fans den Weg zu diesem Song zu ebnen.
Dann gibt es noch das Manowar-Cover, “Thor”. Das war ursprünglich für einen Manowar-Tribute-Sampler gedacht, der nun doch nicht veröffentlicht wird. Ich dachte es wäre echt Schade um den Song gewesen, da wir relativ grossen Aufwand getrieben hatten, um ihn aufzunehmen.

Und weshalb die Live-Tracks drauf sind, hat Du ja schon etwas früher erklärt.
Ich hab jedoch gehört, dass Du darüber Nachdenkst, ein Cover von Carl Orff’s “Carmina Burana” zu machen?

Das war nur der erste Teil, “O Fortuna”.

Ah ok. Stimmt denn das?

Ja, eigentlich war es schon für diese CD geplant, doch als ich mich etwas in das Stück vertieft hatte, musste ich feststellen, dass es recht kompliziert ist und viel Arbeit macht.

Aber Du wirst das Cover mit Therion machen?

Ja, aber es wird noch ein Weilchen dauern, da wir nicht einfach hingehen können, 1-2-3-4 und wir spielen es.

Ich freue mich sehr auf das Cover, weil ich echt ein Fan von “Carmina Burana” bin.

Kennst Du noch andere Sachen von Orff?

Nein.

Du solltest Dir mal “Triumph über Aphrodite” anhören. Wirklich toll.

Klar, dann werde ich das machen.

Der Rest von Orff gefällt mir nicht so, denn man muss verstehen, was die singen, sonst ist es langweilig. Ich mein, ich kann ein bisschen Deutsch, so etwa 1000 Worte sogar, aber ich kann praktisch nichts an Grammatik.

Das Problem kenne ich vom französischen! Ok, nächste Frage: Wie wichtig sind Dir die Lyrics?

Sie sind mir ziemlich wichtig, da sie für mich eine grosse Quelle der Inspiration darstellen. Ich schreibe die Lyrics sowieso nicht selbst. Ein Freund schreibt sie für mich. Wir haben dieselbe Einstellung, doch er schreibt besser. Ich bin sowieso nicht der grosse Poet sondern eher der Komponist.
Ich entwickle meist schon mit dem Titel eine gewisse Atmosphäre; Ich gebe dann das Konzept an ihn weiter, und er schreibt die Worte. Wir sind wirklich auf dem gleichen Level was das betrifft.
Ich muss sie aber immer verbessern und anpassen, haha! Aber ich muss ja sowieso die Noten für den Chor schreiben und so….

Du musst also wirklich alles genau notieren?

Ja, alles wurde genau aufgeschrieben.

Ich denke aber, dass Du einer der ganz wenigen bist, der das in der Metalszene überhaupt kann.

Mag sein, aber man muss sehen, dass auch ich null musikalische Vorbildung hatte. Aber das war echt ein “Pain in the Ass”, und ich musste es schnell lernen.
Das schwierigste an der ganzen Sache ist, dass Du genau wissen musst, wie jedes Instrument funktioniert und wie es gestimmt wird. Zum Beispiel wird ein H für die Sopransängerinnen nicht gleich geschrieben wie ein H für den Bass, und so zieht sich das durch das ganze Orchester.

Arbeitest Du noch nebenher?

Nein, ich hatte keinen Job mehr seit 1992. Ich werde nie mehr arbeiten.

Hoffentlich oder sicher?

Sicherlich. Ich werde noch so lange wie möglich Musik machen, und dann, naja, ich möchte ja keine grosse Klappe haben, aber ich bin recht gut wenn’’ um Ökonomisches geht. Deshalb konnte ich auch schon so früh, mit so wenigen verkauften Platten nur von der Musik leben. Ich investiere das verdiente Geld immer gleich wieder, um es zu vermehren und mir eine gewisse Sicherheit zu erschaffen.
Aber ich habe auch gerade ein Studio gebaut, und wenn die Leute meine Violinen und Chöre mal nicht mehr hören wollen, werde ich mit dem Studio arbeiten.
Ich bin jetzt schon erstaunt, dass man mit solch einer komplizierten und unkomerziellen Musk 100’000 Platten in Europa verkaufen kann.

Gut, aber Eure Musik gefällt sogar meinen Eltern, die sonst überhaupt keinen Metal mögen; Ihr habt da ein grosses Potential.

Ich finde das nicht so Toll. Wir machen schon Witze, “Wir sind die Band, die jedermann’s Mutter mag”, haha!
Jeder sagt das, “Hey, meine Mutter findet Euch toll!” – “Danke!”, hahah. In Ungarn war sogar ein Typ der eine Unterschrift für seine Grossmutter wollte, und wir dachten “Haha! Good Joke!”, aber er meinte es ernst, und ich danchte “Wow, eine Grossmutter – jetzt wird’s schlimmer”, haha…

Es ist ja relativ offensichtlich, dass Du Therion bist. Hat noch jemand, ausser Dir und deinem schreibenden Freund, Einfluss auf die Musik oder auf die Lyrics?

Der Produzent, wenn überhaupt. Er ist ja für den Sound verantwortlich. Wenn ich zum Beispiel denke, “Das ist ein cooler Gitarrensound”, dann wird er kommen und sagen, das IST ein cooler Sound, aber wenn u ein Cello nebenher spielen lässt, wird es verschwinden. Aber Einfluss auf die Musik hat er nicht.

Wird sich das Line-Up auf der nächsten Tour dasselbe sein wie bisher oder nicht?

Nein. Wir haben gerade erst einen neuen Drummer und einen neuen Gitarristen, beide permanent.

Hast Du schon neue Ideen für’s nächste Album, oder kommt nun zuerst mal eine Tour und dann das neue Album?

Es wird gar keine Tour geben, nur die Sommer-Festivals. Ich hab schon ca. 70% des Albums, wir werden im September oder Oktober ins Studio gehen.

Wird das Material vergleichbar sein mit VOVIN?

Es wird besser sein. Wenn es nicht so wäre, würde ich es nicht aufnehmen.

Ok, nun zu den vampster-Standard-Fragen:
Was waren die letzten drei Platten, die Du gekauft hast?

Camel, eine 70s Symphonic Band, “The moody Blues” und Emerson, Lake and Palmer’s Version von Moussogorsky’s “Bilder einer Ausstellung”.

Wie stehst Du zu CD-ROM Tracks und Internet? Wird das mal ein wichtiges Medium für Bands sein?

Hmmm…. ich bin nicht ganz so enthusiastisch wie es andere sind. Und ich mag MP3 nicht, da das Format es für kleine Bands und Labels, zu denen auch wir gehören, schwierig macht, Platten zu verkaufen. Vor allem in dieser Szene, wo es normaler ist, dass die Leute einen Computer haben und wissen, was man damit macht. Ich denke, dass das Subkulturen wie Metal oder Gothic stärker trifft als andere. Es ist recht gefährlich.

Ein schönes oder schlechtes Erlebnis an einem Gig?

Ein gutes Erlebnis war Dynamo, da wir dort einen richtig guten Sound hatten, nicht nur für ein Festival, sondern (laut unseren Technikern) einen der besten Sounds ever.
Ein schlechtes Erlebnis war die Show in Leipzig, da wir mit Orchester angekündigt waren, und alle uns später fragten, warum wir das Orchester nicht mitgebracht hatten. Es lief aber auch sonst praktisch alles krumm, was krumm laufen konnte. Festival halt.

Wen würdest Du gerne mal treffen?

Das ist schwierig, weil fast alle schon tot sind.

Ok, wen hättest Du gerne getroffen?

Crowley, Hitler, eine Menge von extremen Leuten, wo es interessant wäre, mal ihre Version der Geschichte zu hören. Auch Jesus, wenn es ihn gab, und Wagner.

Also, um abzuschliesen, gibt es etwas, was Du der Internet-Leserschaft sagen möchtest?

“Stay away from MP3, you bastards, hahaha!”

Im Anschliessenden Gespräch erzählte mir Christofer noch von seinen musikalischen Vorlieben (70s Symphonic Rock, Massive Attack), seinen Lieblingskomponisten und wir sprachen über Single Malt Whiskys. Wenn also jemand von Euch wissen will, what “tastes wood!”, dann: therion@swipnet.se.

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