TENEBRE: Erfahrung zahlt sich aus

Zu düster, um Rock n´ Roll zu sein und zu Rock n´ Roll, um richtig düster zu sein – TENEBRE sitzen noch immer zwischen den Stühlen. Bandkopf und Bassist Richard Lion erzählt uns von diesen und anderen Problemen.

Zu düster, um Rock n´ Roll zu sein und zu Rock n´ Roll, um richtig düster zu sein – TENEBRE sitzen noch immer zwischen den Stühlen. Das stört Bandkopf und Bassist Richard Lion wenig, denn eigentlich geht es bei TENEBBRE darum, beides zu verbinden – was mit dem vierten Album „Electric Hellfire Kiss“ einmal mehr gelungen ist.

Der Bandname lässt auf den einen oder anderen Filmliebhaber in der Band schließen, doch eigentlich ist alles ganz anders: „Ich kenne den Film „Tenebre“ von dem italienischen Regisseur Dario Argento, doch unser Bandname hat eher weniger mit diesem Film zu tun. Ich wollte einen Namen für die Band, der Dunkelheit und Finsternis beinhaltet. So kamen wir auf das lateinische tenebricosus und überlegten uns verschiedene Kombinationen, die letzten Endes aber alle viel zu lang und viel zu unübersichtlich waren. TENEBRE, das Wort für düster aus dem Italienischen oder Französischen, ist kurz und einprägsam. Außerdem klingt es gut, also haben wir uns dafür entschieden.“

Der Albumtitel „Electric Hellfire Kiss“ lässt ebenfalls verschiedene Assoziationen zu, die aber wie auch schon beim Bandnamen ins Leere laufen. Statt Anspielungen auf Bands oder den ominösen „Hellfire Club“, in dem sich im 18. Jahrhundert auf den britischen Inseln alle möglichen Leute mit schwarzer Magie vergnügt haben sollen, stand auch hier der Klang der Worte im Vordergrund. „Der Albumtitel „Electric Hellfire Club“ geht eigentlich auf einen Song zurück, der ursprünglich den Namen „Electric Kiss“ trug. Der Titel hat mir nicht besonders gut gefallen, also habe ich mir überlegt, noch etwas einzufügen. Irgendwann hatte ich dann „Electric Hellfire Kiss“. Ein cooler Name, oder? Ich kenne die Band THE ELECTRIC HELLFIRE CLUB und habe auch schon mal was von diesem Hellfire Club gehört, doch genaugenommen hat beides wenig mit TENEBRE zu tun.“

Auffallend am mittlerweile vierten Album der Schweden ist die Vielseitigkeit, mit der die Goth n´ Roller neuerdings zu Werke gehen. Der Vorgänger „Mark Ov The Beast“ rockte durchweg düster-dreckig den Staub von der Membran, wohingegen „Electric Hellfire Club“ unterschiedliches zu bieten hat, von der ruhigen Ballade wie „She Darks The Sun“ über staubtrockene Rocker wie „Aliennation“ bis zum durchaus Hit-kompatiblen, mit THE 69 EYES-Groove ausgestattetem „Descend From heaven“. Man kann die Erfahrung, die die einzelnen Bandmembers im Laufe des Jahre gesammelt haben, erahnen. Statt eindimensionalem Düsterrock bieten TENEBRE erwachsenen Gothic Rock, dessen Hauptaugenmerk nicht auf künstlich-steriler Düsternis liegt. Die Band kann schlicht und ergreifend auch rocken!

Dennoch ist der Schritt zwischen „Mark Ov The Beast“ und „Electric Hellfire Kiss“ ein großer, Ursachen für die positive Entwicklung gibt es zweierlei: „In der Zeit, die zwischen der Veröffentlichung von „Mark Ov The Beast“ und „Electric Hellfire Kiss“ vergangen ist, ist sehr viel passiert. Mein Privatleben war nicht immer einfach und auch in der Band gab es einige Besetzungswechsel. Zumindest der letzte Punkt hat seine Auswirkungen auf die Musik. “ Sänger Kalle, auf dessen Konto die oft gezogenen Vergleiche zu der Musik von DANZIG wohl hauptsächlich gingen, stieg 2001 aus und wurde durch Victor Fradera ersetzt, der bislang in der Gothic Metal Band DAWN OF OBLIVION aktiv war. Auch ein Gitarrist wurde ausgewechselt, Peter Mårdklint von EMBRACED kam für Franco Bollo. An wechselnde Line-Ups dürfte Richard gewohnt sein, denn seit TENEBRE 1996 aus der Thrashband FLEGMA hervorgingen, wurden bis auf Richard selbst alle Musiker früher oder später ausgewechselt. Die letzte Konstante war Sänger Kalle, der aber mittlerweile auch nicht mehr dazugehört. Das aktuelle Besetzung bringt für TENEBRE und Richard Vorteile mit sich: „Unser neues Sänger Victor kommt aus einer Gothic Metal Band, unser neues Gitarrist Peter eher aus der Black Metal Ecke.“

Beide brachten frisches Blut in die Band, „sie bringen neue, andere Ideen bezüglich der Arrangements mit – und sie haben einen anderen musikalischen Background. Außerdem waren sie am Songwriting beteiligt. Das ist neu für mich, denn die anderen Musiker, mit denen ich bislang bei TENEBRE zusammengearbeitet habe, hatten keine Songs geschrieben.“

Perfekte Voraussetzungen, das eigene Ziel mit der Hilfe anderer einfacher zu erreichen, denn Vielseitigkeit steht für Richard über allem anderen: „Abwechslungsreichtum ist das wichtigste überhaupt. Ich persönlich finde Alben, die nur einen Stil durchhalten, langweilig. Was weiß ich, BOLT THROWER spielen eine Stunde nur Death Metal, die HELLACOPTERS eine Stunde nur Rock n´ Roll. Das gibt mir nichts, denn auf Dauer ist das doch ziemlich öde.“

Insofern kam das Songmaterial von SAINTS OF HELL; einem eher Gothic Metal- lastigem Nebenprojekt von Richard und einigen Ex-Kollegen von TENEBRE, gerade recht. Teilweise waren die Titel von „Electric Hellfire Kiss“ für SAINT IN HELL bestimmt. „Den Song „Electric Hellfire Kiss“ habe ich eigentlich für SAINTS IN HELL geschrieben, und auch die ersten Riffs von „Nocturnal Rhapsody” waren nicht für TENEBRE, sondern für SAINTS IN HELL gedacht. Beide Songs haben mit SAINTS IN HELL aber nicht funktioniert. Die Ideen haben mir aber zu gut gefallen, um sie einfach zu verwerfen. Also habe ich sie aufgehoben und auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um sie verwenden zu können. Jetzt war die Zeit reif…“

Womit das verstärkte Abgleiten in Gothic Metal Gefilde erklärt sein mag, eine ähnlich einleuchtende Erklärung für die ganz klassischen, 80err Jahre Heavy Metal Einflüsse beim Song „Beauty Destroyed“ hat der Bassist allerdings nicht. „Mhm. Ich weiß nicht, den Song hat unser Gitarrist geschrieben. Aber er ist eigentlich kein Metalhead, genaugenommen keiner von uns. Wir mögen sehr unterschiedliche Arten von Musik.“

Wobei DANZIG doch die ein oder andere Runde im CD Player zu drehen scheint – die Ähnlichkeiten sind zwar nicht mehr so groß, aber noch immer vorhanden. Eine Einschätzung, die Richard nicht weiter stört – im Gegenteil. „Ich habe nichts dagegen, mit DANZIG verglichen zu werden. Für mich ist der Vergleich sehr gut nachvollziehbar, allerdings mittlerweile auch überholt. Kalle hatte sicherlich etwas Ähnlichkeit mit Glenn, doch Victors Stimme hat viel mehr Schattierungen, er singt um einiges vielseitiger. Im Großen und Ganzen ist es mir aber viel lieber, man vergleicht mich mit Musikern, die ich mag als mit solchen, die ich nicht mag!“

Weise Worte, denn statt partout eine Eigenständigkeit zu beharren, die heute kaum noch jemand besitzt, ist es doch viel ehrlichen und sympathischer, die ein oder andere Parallele einfach zuzugeben.

Erfahrungen konnten die einzelnen Musiker bereits genug sammeln, Bands wie FLEGMA, DAWN OF OBLIVION, FUNHOUSE, EMBRACED „Ich denke schon, dass es sehr hilfreich ist, wenn man schon Erfahrungen gesammelt hat. Ich bin 34, der Rest der Band ist nicht viel jünger. Wir sehen viele Dings ganz anders als junge Hüpfer. Es mag musikalische Genies geben, die mit 18 ein unsterbliches Album veröffentlichen, die Regel ist das aber ganz sicher nicht.“ Bei ihren Coverartworks halten sich die Schweden übrigens auch nicht an die Regeln. Zwar hat man für “Mark Ov The Beast“ und „Electric Hellfire Kiss“ mit Mattias Ankrah, einen Künstler verpflichtet, dem der Metal nicht fremd ist, da er mittlerweile einige Artworks für Bands, die bei Regain Records unter Vertrag sind entworfen hat. Dennoch sind die TENEBRE Cover eher untypisch, aber nicht weniger geschmackvoll. Im Gegenteil. „Es freut mich, dass ich auch mal positives zu den Covern höre. Besonders zu „Mark Ov The Beast“ gab es viel Kritik, vielen Leuten hat das Cover offenbar nicht gefallen, es wurde kritisiert, dass es nicht zur Musik passt. Mir ist die Verpackung und das Drumrum wichtig, und ich gehe da gerne meinen eigenen Weg. Ich meine, es gibt genug durchschnittliche Metal Covers. Wenn jemand mit unseren nicht zufrieden ist, kann er sich ja andere ansehen, oder?“

Interview: vampiria
Layout: boxhamster

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