PALLAS: "Erklärbär hat Pause" oder "Komplexe Themen, Puzzle-Artwork und jede Menge Spaß"

Die Überraschung war groß, als PALLAS 1999 mit einem Album namens “Beat The Drum” in die Musik-Szene zurückkehrten. Immerhin waren die Schotten, die anno 1983 dank des Albums “The Sentinel” zu den vielversprechendsten Protagonisten der zweiten großen Art Rock-Welle zählten, zu jenem Zeitpunkt seit rund eineinhalb Jahrzehnten fast gänzlich in der Versenkung verschwunden. Mit “The Cross And The Crucible” folgt nun ein mehr als potenter Nachfolger jenes Comeback-Albums. Gitarrist Niall Matthewson im Gespräch…

Die Überraschung war groß, als PALLAS 1999 mit einem Album namens “Beat The Drum” in die Musik-Szene zurückkehrten. Immerhin waren die Schotten, die anno 1983 dank des Albums “The Sentinel” zu den vielversprechendsten Protagonisten der zweiten großen Art Rock-Welle zählten, zu jenem Zeitpunkt seit rund eineinhalb Jahrzehnten fast gänzlich in der Versenkung verschwunden. Doch die lange Atempause hatte der Band nicht geschadet, ganz im Gegenteil: Die schwungvoll inszenierten Kompositionen jenes Comeback-Albums präsentierten alte Spielstärken in einem frischen, modernen Gewand und ließen auf einen fruchtbaren zweiten Frühling hoffen. Und tatsächlich: Die aktuelle Veröffentlichung “The Cross And The Crucible” wird Alt- und Neufans der Band nicht enttäuschen und überzeugt mit atmosphärisch dichtem, zugleich klassischem und doch zeitgemäßem Art Rock. Gitarrist Niall Matthewson stand Rede und – mit Einschränkungen – auch Antwort…

Hallo Niall! Erfreulich, daß es nicht wieder 15 Jahre gedauert hat, bis ein neues PALLAS-Studioalbum das Licht der Welt erblickt…

Hahaha! Die Zeitspanne hat sich zwar ähnlich lang angefühlt, aber es waren diesmal tatsächlich keine 15 Jahre., sondern nur zwei…

Um gleich ein Kompliment loszuwerden: Diese – vergleichsweise geringe – Wartezeit hat sich voll und ganz gelohnt. “The Cross And The Crucible” gefällt mir ausgezeichnet…

Oh, vielen Dank! Ich muß sagen, ich bin auch selbst sehr zufrieden mit dem Album… es ist irgendwie etwas Besonderes. Normalerweise sage ich direkt nach den Aufnahmen eines Albums: “Das höre ich mir nie wieder an!” Aber diesmal benötigte ich nur eine sehr kurze Pause, dann habe ich die neuen Songs schon wieder genießen können. Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen…

Während Euer “Comeback-Werk” “Beat The Drum” insgesamt doch sehr songorientiert ausgelegt war, scheint Ihr mit “The Cross And The Crucible” eine Balance zwischen dem Songwriting Eurer ganz frühen Art- und Prog Rock-Tage und eben jenem etwas modernerem Ansatz gesucht zu haben… .

Ja…. ich denke, genau darauf wollten wir hinaus. “Beat The Drum” war das erste Album nach 15 Jahren, es hat in jeder Hinsicht eine große Lücke schließen müssen. Wir hatten damals bewußt beschlossen, mit “Beat The Drum” einfach einen großen musikalischen Sprung zu tun, um einfach wieder zurück ins Business zu kommen, um uns wieder an Aufnahmeprozesse zu gewöhnen und unseren Spaß am Band-Dasein wiederzufinden. Man darf schließlich nicht vergessen, daß wir damals, als wir auseinandergebrochen sind, recht frustriert waren. Wir mußten uns erst von all den unschönen Business-Erfahrungen erholen. Und “Beat The Drum” war sehr nützlich, um wieder zueinander zu finden und sich eine neue Arbeitsgrundlage zu schaffen. Das alles hat gut funktioniert und war uns ein Ansporn, nun ein Album wie “The Cross And The Crucible” aufzunehmen.

Die Produktion von “Beat The Drum” war also eine Art Selbstfindungsprozeß?

Gewissermaßen. Ich denke, wir sind in den Jahren einfach als Menschen und Songwriter gereift. Wir wollten mit verschiedene Stimmungen und Gefühlen experimentieren, an denen wir uns im Grunde vorher nie versucht hatten. Ich persönlich wollte auf “The Cross And The Crucible” einerseits den Anteil der stimmungsvolleren und atmosphärischen Passagen, der Klanglandschaften, wenn man so will, erhöhen. Außerdem lag mir daran, auch die anderen aus ihrem Schneckenhaus zu locken, damit sie ihre “musikalischen Muskeln” ein wenig spielen lassen. Die Erfahrung mit “Beat The Drum” hat es uns erst ermöglicht, ein wesentlich reiferes Album einzuspielen. Auf “Beat The Drum” sind auch ein paar nette Stücke, aber klanglich bietet es nicht soviel Tiefe. Musikalisch schon, aber nicht klanglich! Ich denke, dessen waren wir uns damals noch gar nicht so bewußt. “The Cross And The Crucible” ist sehr vielschichtig und man kann richtiggehend in das Album eintauchen und immer wieder neue Details entdecken.

Dazu trägt auch der Fakt bei, daß es ein sogenanntes Konzeptalbum ist. War das von Anfang an so geplant?

Nein, nicht wirklich. Wir saßen einfach nur da und fragten uns, ob wir eine Story entwerfen wollen. Aber mich meine Erinnerung nicht trügt, kamen wir zu dem Schluß, daß es eine schwere Aufgabe wäre, ein “richtiges” Konzeptalbum zu schreiben, wenn es um ein Thema wie die gesamte Menschheit und ihre Entwicklung geht. Wir haben deshalb beschlossen, ein “thematisches” Album zu machen und für die einzelnen Songs einfach bestimmte historische Szenarien herausgepickt. Das ist dann letztlich das Konzept. Musikalisch zieht sich allerdings schon ein roter Faden durch das komplette Album…

“The Cross And The Crucible” handelt also von der Menschheit, ihrer Geschichte und ihrer Entwicklung. In der Tat ein sehr umfassender Themenkomplex. Insbesondere in der ersten Hälfte des Albums habt Ihr Euch dabei, wie ich festzustellen meinte, vor allem auf die weniger erfreulichen Aspekte menschlichen Daseins im Laufe der Jahrhunderte konzentriert…

Oh, ich weiß nicht… hmmm… ich denke, die ersten beiden Songs sind eigentlich in ihrer Haltung neutral, und zwar in dem Sinne, daß sie sehr schnell durch die Zeit springen. Ein Song wie `For The Greater Glory` ist natürlich sehr düster, aber er handelt eben auch von Krieg und all dem, das kann man kaum anders verpacken. `Who’s To Blame?` führt dann musikalisch eine etwas weniger schwere Stimmung ein, obwohl das Thema auch nicht eben leichtverdaulich ist. Diese Tendenz setzt sich dann im weiteren Verlauf fort und die Stimmung wandelt sich weiter. Wir wollten auch nicht, daß das Album nur düster und dunkel ausfällt Wenn man sich die Menschheit so anschaut, läge das allerdings nahe (lacht). Aber weißt Du, ich denke, wir haben versucht, nicht nur dunkle Seite der Menschheit darzustellen, sonder auch das Positive, das Brilllante und Geniale. Wir haben versucht, die Balance zu halten…

Als Gegengewicht zu den finsteren Kapiteln der Menschheitsgeschichte dienen offensichtlich `Generations` und `Celebration!`…

Ja. `Generations` ist ein recht persönlicher Text von Graeme (Murray, – der Verf.). Er handelt davon, was man alles an seine Kinder weitergibt, es geht im Grunde also um Familie und positive Familienwerte. Auch `Celebration!` gehört definitiv zu den Songs mit positiver Aussage. Ich denke, es ist schon OK, auch solche Gedanken zu berücksichtigen. Es wäre leicht, alles nur finster und schrecklich darzustellen, und es ist weniger leicht, in Anbetracht der Geschichte unseres Planeten immer noch Optimismus und Hoffnung zu schöpfen, aber ich denke, das ist uns in den Songs gelungen.

In Gesprächen strahlst Du selbst auch immer viel Optimismus und Humor aus. Woher nimmst Du das?

 PALLAS: Prog Rocker mit Humor (lacht) Das fragen mich viele… ich weiß es nicht, ich bin einfach so. Und es hilft mir nicht nur als Musiker sondern auch in meinem Beruf als Produzent und Tontechniker. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie oft ich schon gefragt wurde, woher ich dies gute Laune nehme! Nun, ich bin einfach so, aber ich bin auch ein Mensch wie jeder andere und habe meine dunkleren Momente. Aber insgesamt überwiegt bei mir doch die positive Stimmung. Und ich kann in dieser Hinsicht auch mal für den Rest der Band sprechen: Es kommt in unserer Musik und auf den Alben vielleicht nicht so rüber, aber wir verstehen uns innerhalb der Band ausgezeichnet und haben eine Menge Spaß miteinander. Humor ist uns sehr wichtig und Du würdest nicht glauben, was wir mitunter so treiben. Kennst Du den Song `Atlantis` (ein Prog-Epos vom 84er-Album “The Wedge” – der Verf.)? Stell Dir das mal in einer Country’n’Western-Version vor…

Oh…

(lacht) Das haben wir gemacht… wir treiben recht merkwürdige Scherze, wenn wir im Proberaum sind. Die Versionen, die wir da spielen, unterscheiden sich dann doch sehr von denen auf den Alben. Wir haben viel Spaß bei unserer Arbeit…

Wofür ja Art und Prog Rock nicht gerade bekannt ist. Seit SPOCK’S BEARD beginnt sich der allgemeine Ruf dieses Genres zwar zu wandeln, aber ihm haftet immer der Flair einer sehr ernsten bis verbissenen Disziplin an…

Das stimmt. Vielleicht sollte man etwas häufiger Humor durchscheinen lassen. Etwas Humor macht doch alles leichter und auch den Kontakt mit dem Publikum angenehmer…

Durchaus. Jetzt würde ich aber gerne wieder zum “Ernst des Lebens” zurückkehren und Dich das ein oder andere zu den Texten fragen. Auf “The Cross And The Crucible” werden auch Kirche und Religon recht ausgiebig thematisiert. Ein interessantes Zitat im ersten Song lautet “fear gave birth to god”. Bist Du der Meinung, jede Form von Glauben habe ihren Ursprung in fundamentalen menschlichen Ängsten, oder bezieht sich diese Aussage speziell auf organisierte Religion?

Ähm… zumindest die Ursprünge der Religionen ist wohl sicherlich die Angst. Aber man darf nicht vergessen, daß das jetzt nur die Meinung eines Einzelnen ist. Ich denke, die Gefahr eines solchen Albums ist, daß man irgendwann den Eindruck erwecken könnte, man wolle predigen und eine Botschaft verbreiten. Das wollen wir aber nicht, wir möchten niemanden sagen, was er zu denken oder zu glauben hat. Jeder soll sich seine Meinung bilden. Aber keine Frage: Wenn man sich den Verlauf der Geschichte anschaut, ist recht offensichtlich, daß Religion nicht gerade gut dasteht. Da gibt es derart viele furchtbare Dinge die im Namen irgendeiner organisierten Religion geschehen sind, man kann im Grunde gar nicht anders als ein wenig skeptisch sein. Beantwortet das Deine Frage?

Zu einem gewissen Grad schon. Ich weiß ja, daß Du Dich mit entsprechenden Aussagen zu Texten gerne zurückhältst, um eben NICHT den Eindruck zu erwecken, eine Botschaft verkünden zu wollen…

Nein, ich denke, das wäre eine gefährliche Sache. Ich möchte nicht ernsthaft behaupten, daß unsere Zuhörerschaft riesig wäre, aber ich möchte trotzdem nicht… ich mag Bands nicht, die den Leuten vorschreiben, was sie denken und glauben sollen. Ich betrachte uns eher als Beobachter, die ihre Eindrücke in ihrer Musik verarbeiten. Aber ich denke, den Kommentar, daß Religion im Laufe der Geschichte keine allzu glückliche Figur gemacht hat, kann ich schon so stehen lassen.

Noch eine Frage in diese Richtung: Irgendwo gibt es eine Text-Passage, die da lautet: “The blinding darkness of science has sent us all to hell”. Da wird ja Wissenschaft und religiöse Begrifflichkeit miteinander verwoben. Ist Wissenschaft Deiner Ansicht nach so etwas wie eine Religion des Hight Tech-Alters geworden?

Das könnte schon so sein. Ich fühle mich etwas unwohl, wenn es darum geht, die Texte zu kommentieren und sie in eine bestimmte Richtung auszulegen. Weißt Du, ich denke einfach, jeder Hörer sollte sich seine eigene Meinung bilden, windet sich Niall einmal mehr. Aber gut: Es ist wohl zweifellos so, daß wissenschaftliche Fakten der Religion ihren Rang abgelaufen haben. Gleichzeitig braucht aber jeder Mensch etwas, woran er glauben kann. Wenn es nicht eine der herkömmlichen Religionen ist, dann besteht sicherlich die Gefahr, daß Wissenschaft zu einer Religion hochstilisiert wird und der ganze Zyklus von vorne beginnt, nur mit anderen Vorzeichen. Das ganze wird jetzt ziemlich ernst und schwer (lacht). Aber daran sind wir wohl selbst schuld, wenn wir so ein Album schreiben, haha…

Genau… schieb das bloß nicht mir in die Schuhe 😉

Haha, nein, keine Sorge…

Aber gut, ich plage ich nicht länger und respektiere, ich respektiere, daß Du nicht zu sehr in die Details gehen möchtest…

Es ist einfach ein sehr komplexes Thema. Und wenn ich mir anschaue, was wir daraus gemacht haben, denke ich immer wieder, daß wir wohl verrückt sein müssen, überhaupt den versuch gewagt zu haben, uns an dieses Thema zu begeben, haha. Versteh` mich nicht falsch: Wir sind wirklich sehr tief eingetaucht in das ganze, aber es ist eben sehr komplex. Aber ich denke, wir haben das schon ganz gut gemacht… (lacht)

Auch in dem Artwork steckt viel Arbeit…

The Cross And The Crucible: Puzzle-Artwork für Symbol-Tüftler Ja, ich bin sehr stolz auf das Artwork des CD-Booklets. Naja, einmal mehr möchte ich nicht zu sehr ins Detail gehen (lacht). Wir haben ein paar interessante Hinweise im Artwork verstreut, die eine Art Puzzle ergeben. Wer möchte, kann sich mit den Symbolen beschäftigen und die Gleichung lösen. Alle Symbole haben eine Bedeutung, und recht bald wird das alles einen Sinn ergeben. Mehr sage ich im Moment nicht, haha. Auf jeden gefällt es mir sehr gut…

Auf Eurer Homepage finden sich auch private Information zu allen PALLAS-Musikern. Unter anderem gibt es die Sparte “unerfüllte Wünsche”. Du hast dort den Wunsch geäußert, das beste Album aller Zeiten zu schreiben…

Oh ja… ich würde eines Tages wirklich liebend gern sagen könne: “Ich habe das beste Album aller Zeiten geschrieben!” (lacht) Tja, das ist wohl nur so ein Traum…

Was ist bislang das beste Album aller Zeiten?

Hahaha… das kann ich Dir unmöglich sagen.! Es gibt so viel wundervolle Alben, ich wüßte nicht mal, wo ich anfangen sollte. Ich höre ganz unterschiedliche Musikrichtungen und ich mag sie alle aus unterschiedlichen Gründen. Es ist alles eine Frage der Stimmung und des Zeitpunktes. Manchmal ist man in der Stimmung für RAGE AGAINST THE MACHINE, manchmal für PINK FLOY und manchmal für Bach…

Was es wohl schwer macht, das zweifelsfrei beste Album aller Zeiten zu schreiben, denn es müßte ja irgendwie jeden Hörer zu jeder Zeit begeistern können…

Genau. Und daher wird es das nie geben (lacht) Ich träume also weiter, und mit “The Cross And The Crucible” bin ich schon recht zufrieden. Weer weiß, vielleicht wird es ja irgendwann mal jemanden geben, der zurück blickt und sagt: “Das ist das beste Album aller Zeiten”…

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