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OPETH: Was ist schon Erfolg?

Schlappe 20 Minuten Zeit für ein Interview mit OPETH? Machen wir das Beste draus.

20 Minuten Zeit für ein Interview mit OPETH? Das klingt wie purer Hohn. Das klingt nach viel Stress für die Band und nach einem Interview, das nur an der Oberfläche kratzt. Und genauso war es auch: Auf der vergangenen Europa-Tour konnte ich mir dennoch Gitarrist, Sänger und Mastermind Mikael Akerfeldt schnappen und in der kurzen Zeit alles Wichtige aus ihm heraus quetschen. Dennoch war das Gespräch unter vier Augen ein sehr angenehmes, dank dem redseligen und sympathischen wie humorvollen und sehr selbstbewussten Schweden.

Hallo Mikael, zunächst herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album. Nun, viele könnten überrascht sein, wie sich die Dinge für OPETH entwickelt haben. Zum Beispiel, dass ihr ein Label gewählt habt, das recht untypisch für euch erscheint. Warum habt ihr bei Roadrunner unterschrieben?

Ich weiß zunächst mal gar nicht, ob es ein typisches Label für uns gäbe. Wir haben uns schlicht und ergreifend für das beste Angebot entschieden. Ich verstehe auch nicht, warum alle überrascht sind, dass wir bei Roadrunner unterschrieben haben. Ich glaube viele erwarteten von uns, dass wir bei Century Media unterschreiben würden. Nun, sie haben uns auch ein Angebot unterbreitet, aber Roadrunner lieferten die besten Voraussetzungen. Es ist ein wirklich großer Schritt nach vorne für uns, wir werden viel besser promotet und das ist genau das, was wir wollten. OPETH gibt es schon so lange, da wollen wir keine halbherzigen Versuche sehen, unsere neue CD zu verkaufen.

In den letzten Jahren seid ihr immer größer und größer geworden, jetzt verkauft ihr schon große Clubs aus. Ist dies, dass ihr von der Musik leben könnt, mit ein Grund, warum es OPETH noch immer gibt?

Es ist sicherlich motivierend, dass etwas dabei rumkommt und dass wir davon leben können sowieso. Denn das ist ja eine Sache, die wir lieben. Früher war es mehr ein Hobby für mich, jetzt ist es mein Leben, mein Werk und damit kann ich auch meine Familie ernähren. Ich weiß das zu schätzen, weil den größten Teil unserer Karriere hatte ich gar nichts – und ich würde auch weiterhin so arbeiten. Ich bin sehr glücklich darüber, dass diese Vision in mir bestehen blieb. Aber das allein ist nicht motivierend genug für mich weiterzumachen. Es geht eigentlich darum die Musik zu machen, neue Alben zu schreiben, die ich mag, die ich selbst hören will. Und so wird es die nächsten Jahre auch bleiben.

Alles andere wäre auch weniger gut.

Ja, sicherlich. Am Ende des Tages ist Geld einfach nur Geld, und Erfolg ist ein sehr oberflächlicher Begriff und das hat in den letzten 15 Jahren auch nie wirklich viel für uns bedeutet.

Noch eine Sache hat sich für euch geändert: Ihr seid seit Juli quasi ununterbrochen auf Tour. Da könnten böse Zungen natürlich behaupten, das kommt daher, weil ihr jetzt verheiratet seid…

(lacht) Nein, ganz so schlimm ist es auch nicht. Ich mag es sehr gerne daheim zu sein, aber ich liebe es auch unterwegs zu sein, zu spielen und unsere Songs darzubieten. Wir sind über diese Möglichkeit auch sehr froh, denn lange Zeit hatten wir keine ordentliche Booking-Agentur und keiner interessierte sich für uns. Als wir dann begannen Tourneen zu fahren, wurden wir recht schnell zu einer Headliner-Band. Und jetzt sind wir schon so weit, dass wir entscheiden, welche Tour wir machen. Wir bekamen niemals große Hilfe von anderen Bands, es gab ja nur eine Support-Tour vor vielen Jahren. Und so richtig ging es erst vor fünf Jahren los, zum Album Blackwater Park.

Was viele gar nicht begreifen können ist, wie du es auch live schaffst, derart sicher zwischen den extremen Vocals und dem klaren Gesang zu variieren.

Das ist für mich eher natürlich. Ich singe schon seit den Achtzigern, als ich meine erste Schülerband gegründet habe und für mich ist es vollkommen normal zwischen diesen Arten des Singens zu wechseln. Ich kann diese augenscheinliche Faszination dafür nicht ganz nachvollziehen. Das war noch nie eine große Herausforderung für mich, wenn ich klaren Gesang wollte, habe ich einfach gesungen.

Erstaunlich. Aber kommen wir zu Ghost Reveries – ihr habt dafür die Location gewechselt und es selbst produziert.

Nicht nur Ghost Reveries, alle Alben haben wir selbst produziert. Steve Wilson, der als Koproduzent auftritt, ist normalerweise nur die ersten zehn Tage der Aufnamen dabei, also nur für eine sehr kurze Zeit. Ansonsten haben wir dieses Mal mit einem sehr guten Soundtechniker zusammen gearbeitet. Viele Leute missverstehen die Bedeutung eines Produzenten leider. Ein wirklicher Produzent ist jemand wie Bob Rock, der am Songwriting beteiligt ist und einigen Musikern beispielsweise vorschreibt wie die Soli, und die Drums und der Bass zu spielen ist. Steve Wilson hingegen kam erst hinzu, als die Songs schon fertig geschrieben und arrangiert waren. Er half uns dabei die Gesangslinien zu verfeinern und das Album mit Soundeffekten zu bereichern – in dieser Hinsicht ist er wirklich erste Sahne.

Warum habt ihr ihn denn dieses Mal nicht gerufen?

Oh, wir haben ihn angerufen. Aber zu der Zeit in der wir das Studio gebucht hatten, war er auf Tour. Aber ehrlich gesagt habe ich mir deshalb keine grauen Haare wachsen lassen, einfach weil es unsere Platte ist und wir wissen, dass sie so oder so gut ist.

Habt ihr euch befreit gefühlt, dass ihr während der Zeit des Songwritings ohne Label wart?

Opeth
Wenn jemand meint, wir würden Ausverkauf betreiben weil wir jetzt auf einem großen Label sind, sollten sie sich an der eigenen Nase packen – denn die gehen zur Arbeit und verdienen Geld mit einem Job den sie nicht mögen. – Mikael So siehts doch aus Akerfeldt

Wir wussten damals schon, dass wir bei Roadrunner unterschreiben würden. Aber ich denke nicht, dass sich bei uns derartige Umstände äußern würden. Roadrunner redeten uns eh nicht in die Musik hinein und so etwas würde bei uns auch nicht ziehen. Weil die meisten von ihnen wissen einfach nicht wie man einen guten Song schreibt, höchstens wie man CDs gut verkauft. Sie wissen auch, dass man OPETH nicht formen kann, wie zum Beispiel eine junge Band wie TRIVIUM. Wir sind einfach keine kommerzielle Band und keine hübschen Jungs oder Sonstiges. Uns gibt es so lange, wir hatten nie einen Hit, wir werden wohl nie in den Single-Charts neben BRITNEY SPEARS stehen. Bei uns wird kein Label jemals die Chance haben uns zu verbiegen. Und wenn jemand meint, wir würden Ausverkauf betreiben weil wir jetzt auf einem großen Label sind, sollten sie sich an der eigenen Nase packen – denn die gehen zur Arbeit und verdienen Geld mit einem Job den sie nicht mögen.

Du sagtest, ihr hattet nie eine Single, aber…

Jetzt haben wir eine Single! The Grand Conjuration ist es und dazu gibt es ein Video. Das ist natürlich eine gute Sache, aber andererseits mag ich keine gekürzten Lieder und das Video zeigt auch nur eine gekürzte Version mit einer Länge von fünf Minuten. Aber ich sehe es als einen Trailer für Ghost Reveries, wie im Kino.

Wenn ihr ein Album schreibt ist es schon von vornherein abzusehen, dass ihr einige der Stücke wohl nie live spielen werdet. Ich habe euch bisher dreimal gesehen und jede Setlist war doch ähnlich. Wie wirkt sich das auf das Songwriting aus? Experimentiert ihr in diesen Liedern mehr als gewöhnlich?

Eigentlich haben wir schon die meisten Stücke unserer Alben live gespielt. Von Orchid jedes Stück, von Morningrise alles außer The Night and the Silent Water, von My Arms, Your Hearse alles außer Karma, von Still Life haben wir alles gespielt. Von Blackwater Park alles außer Dirge for November, von Deliverance waren es bisher drei von fünf Stücken, Damnation wurde komplett gespielt und von Ghost Reveries immerhin schon drei Nummern. Wenn wir auf Tour sind tauschen wir die Setlist teilweise sehr heftig. Aber das können außerhalb der Band nur sehr wenige wissen. Wir versuchen schon, es interessant zu halten und viele Lieder aus unserer gesamten Karriere auf der Bühne darzubieten. (Zwei Stunden später wurde ich dann Zeuge einer enorm überraschenden Setlist – Anm. d. Verf.)

Auf jeden Fall klingt Ghost Reveries sehr frisch, frischer als Deliverance und Blackwater Park. Ich denke das liegt ziemlich an eurem neuen Keyboarder Per Wiberg.

Wir brauchten für die Damnation-Tour einen Keyboarder und da half er bei uns aus. Ansonsten hänge ich öfter mit ihm herum, wir sind hier und da auf Konzerten, in Pubs oder spielen Badminton zusammen und als Mensch und Musiker schätze ich ihn sehr. Ich wollte ihn unbedingt fest in der Band haben, er gliederte sich während dieser Tour sehr gut in die Band ein und jeder von uns fragte ihn, ob er nicht fest einsteigen wolle und erst hatte er Zweifel. Ich weiß nicht was ich will hier, SPIRITUAL BEGGARS da, blablabla. Auf jeden Fall unterzeichnete er den Vertrag mit Roadrunner mit dem Rest von uns Vieren, somit war die Entscheidung gefällt. Es machte für mich einen großen Unterschied mit ihm zu arbeiten, ich selbst bin kein Keyboarder, habe aber ein gutes musikalisches Gespür, das heißt, ich konnte die Keyboard-Demos für das neue Album selbst zusammenstellen. Er hat diese dann noch verändert, sie angepasst. Per ist wirklich eine große Bereicherung für OPETH. Wir haben auch darauf verzichtet die Keyboards ähnlich wie CHILDREN OF BODOM einzusetzen, sie sollen den Songs helfen und nicht störend wirken. Das gilt sowohl für das alte als auch für das neue Material. Live ist es auch verdammt gut Verstärkung zu haben, da Per Backing Vocals singen kann und schwierige Passagen modifizieren kann, die mit zwei Gitarren unmöglich wären.

Wie sieht es mit eurem Schlagzeuger Martin Lopez aus? Ist er überhaupt noch in der Band?

Opeth
Opeth 2006: o.l. – Martin Mendez, o.r. – Per Widberg, u.l. – Peter Lindgren, u.m. – Martin Lopez, u.r. – Mikael Akerfeldt

Auf der jetzigen Tour spielt er nicht. Alles begann im Sommer, als er zu krank wurde um mit uns die US-Tour zu bestreiten. Als die Proben zu dieser Europatour anstanden trafen wir uns wieder mit ihm, zum Glück ging es ihm viel besser, aber Touren steht für ihn noch immer nicht zur Debatte. Wir können es uns nicht leisten, so etwas ausfallen zu lassen, also sind wir momentan mit Martin Axenrot von BLOODBATH unterwegs. Wenn sich die Situation nicht ändert, müssen wir wohl nach festem Ersatz suchen, obwohl das nicht in unserem Sinne ist, da er natürlich auch unser Freund ist. Wir wünschen uns, dass es ihm bald wieder besser geht. Das Drumming ist hier nur sekundär.

Bevor uns endgültig die Zeit ausgeht, noch zur Ausrichtung von Ghost Reveries: Deliverance klang eher wütend, dagegen klingt das neue Album stellenweise eher böse und gemein.

Hm. Ich mag das. (lacht) Ich höre das zum ersten Mal, aber für eine Death Metal-Band ist das ein Kompliment, also danke. Ich denke schon, dass die Texte, die finsterer sind als vorher, auch den Gesang anders erscheinen lassen. Aber musikalisch haben wir nicht mehr dunkle, böse Passagen als auf den anderen Alben. Ich denke, die dunklen und schönen Passagen halten sich hier die Waage.

Das Artwork kommt mir so vor, als wäre es eine Weiterentwicklung von Deliverance und Damnation, sie scheinen schon verwandt.

Ich habe eigentlich für Ghost Reveries nach einem mittelalterlichem Holzschnitt gesucht. Während mich umgeschaut habe, erfuhr ich das Travis Smith mit den Bildern, die jetzt das Artwork sind, arbeitete. Als ich sie sah, änderte ich sofort meine Meinung und wollte unbedingt diese Bilder verwenden.

Habt ihr euch eigentlich BURST als Toursupport ausgesucht?

Ja. Wir erhielten eine Liste mit möglichen Support-Bands und ich wählte sie sofort aus, weil ich die Musik sehr gerne mag und weil sie nette Jungs sind. Sie haben immer großes Pech auf Tourneen, heute hatte erst ihr Schlagzeuger einen Autounfall, ist aber nichts Großes passiert.

Sowohl ihr als auch BURST seid nominiert für den P3 Guld-Award. Wer wird gewinnen? Tobt im Tourbus ein Konkurrenzkampf?

Sollten wir nicht gewinnen, sollen BURST ihn abstauben (wie auch inzwischen geschehen – Anm. d. Verf.). Aber soll ich ehrlich sein? Ich glaube wir werden das Rennen machen, allein schon weil sonst meine Mutter durchdreht. (lacht)

Mikael, ich danke dir für dieses Gespräch und wünsche dir und OPETH alles erdenklich Gute.

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