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LACUNA COIL: Mami, Mucke, Fussball

Andrea Ferro erzählt, wer ihm die Wäsche wäscht, wer Ahnung von Fussball hat und nebenbei hat er ja auch noch ´ne Band…

Prinzipiell bin ich ja gerne in der LMH. Eigentlich bin ich sogar fast jeden Samstag da, und Konzerte sind dort eigentlich auch immer gut, aber ich bin definitiv froh, dass die Theke nicht im Backstage-Bereich steht. Siffiger und merkwürdiger geht es kaum und eigentlich wundert es mich, dass die Musiker die man dort zu Interviews trifft nicht immer schon allein aus Desinfektionsgründen volltrunken sind. Aber wie auch immer und eigentlich sieht es bei mir auch nicht besser aus und man ist ja auch nicht für Spaß da…
An diesem Abend gastiert die Century Media Familien-Tour mit LACUNA COIL (siehe Konzertbericht), deren neuer Clip zu Heaven´s a Lie vom immer noch aktuellen Album COMALIES passenderwiese gelegentlich über die Mattscheibe flimmert und vampster nutzt die Gelegenheit mit der männlichen Stimme ANDREA FERRO über wichtige Dinge wie Fußball, Musik, Fußball, Klischees über Italiener, Handys, Fußball und Berlusconi zu reden. Den Anfang macht die Musik, aber keine Angst, Fußball kommt gleich…

Ihr habt in den USA zum ersten Mal überhaupt einige Akkustik-Gigs gespielt. Wie kam es dazu und wie war es, das Material auf diese Weise zu präsentieren?

Andrea: Das kam durch die sehr große Radio-Station WAAF in Boston. Wir haben erst den Tag davor mit den Proben angefangen, aber für das erste Mal hat es sehr gut geklappt. Danach haben wir uns intensiver damit beschäftigt und wurden besser. Wir waren nämlich sehr aufgeregt, sowas zum ersten Mal zu machen, und dann direkt live im Radio in den USA. Es hat aber sehr viel Spaß gemacht. Es waren fünf Zuschauer da, die ein Band-Meeting gewonnen hatten.

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Habt ihr die Songs umarrangiert ?

Andrea: Nur wenig. Im Großen und Ganzen waren die Versionen den Originalen sehr ähnlich. Die Stimmen haben wir etwas weicher eingesetzt. Wir hatten ja nur zwei Gitarren und keine Drums.

Wird das Material in irgendeiner Weise veröffentlicht?

Andrea: Höchstens als Bonus. Allerdings haben wir auch Video-Aufnahmen von fünf oder sechs Shows, die wir als CDROM-Track auf einer der nächsten CDs benutzen können. Oder auf einer DVD.

Ihr tourt im Moment nur mit anderen Century Media ( Label von LACUNA COIL – der Verf.) Bands, also sozusagen ein Familienausflug…

Andrea: Ja, es ist fast wie ein Familienausflug. Wir kennen fast jeden. Fast alle anderen Musiker, aber auch die Crew. Außerdem ist es eine gute Idee in der Weihnachtszeit zu touren, denn viele Leute wissen nicht so recht, was sie tun sollen in dieser Zeit. Man ist vielleicht tagsüber bei seiner Familie und hat daher abends Lust auf ein gutes Konzert. Wir haben ja auch lange nicht mehr in Europa gespielt, es war also Zeit und mal wieder blicken zu lassen.

Es ist aber nur eine Show in Italien geplant, in Mailand, was mich doch etwas verwunderte…

Andrea: Wir spielen in den meisten Ländern nur eine Show. Nur in Deutschland und Holland sind es mehr, da es hier eine größeres Publikum für unsere Musik gibt.

Es ist also nicht so, dass der Prophet im eigenen Land nichts zählt…

Andrea: Nein, wir haben schon vier oder fünf Shows in Italien gespielt in diesem Jahr, auch in Mailand. Wir spielen dort auf dieser Tour auch nur, weil es auf dem Weg liegt. Eigentlich ist es im Moment nicht nötig. Wir touren ja immer noch mit demselben Album.

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Italien ist ja auch in der Metal-Szene eher für Drachen-Burgen-Hüpfkasten-Metal bekannt, als für melancholische Töne…

Andrea: Wir sind vermutlich die einzige etwas bekanntere Band in dieser Richtung. Ich stehe auch nicht so sehr auf diese Traditional-Metal Sachen.

Ich wurde auf euch auch erst mit dem letzten Album aufmerksam, da mir diese Beauty and the Beast-Gothic-Schiene eigentlich nicht liegt, aber allein das für diese Richtung außergewöhnliche Cover hat meine Interesse geweckt, und ich denke es ging vielen Leuten so. Wer hatte die Idee für dieses wunderbare Bild?

Andrea: Entworfen hat es ein australischer Künstler. Wir haben ihm alle Texte geschickt und er hat es geschafft etwas absolut passendes zu designen. Wir hatten dann noch einige Änderungsvorschläge und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Es verbreitet eine eher positive Atmosphäre…

Andrea: Oh Ja. Wir sind zwar eine Gothic-Metal-Band, aber im Gegensatz zu unseren Anfängen, als wir mehr oder weniger versucht haben unserer Idole zu kopieren, haben wir heute auch andere Einflüsse. Und die Texte sind auch nicht mehr ausschließlich über Traurigkeit und ständigen Regen. Es geht um das Leben an sich und eine positivere Sichtweise des Lebens. Und das steckt auch im Cover.

Man hat beim Hören des Albums das Gefühl, davon abgesehen, das es insgesamt positiver ist, dass es euch auch viel bedeutet. Es steckt sehr viel Enthusiasmus in dieser Platte…

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Andrea: Absolut. Wir kennen uns besser, auch als Band. Wir stehen auf unseren eigenen Füssen. Aber ich denke, wir haben noch nicht das Beste gegeben auf dieser Platte, mit der nächsten werden wir einen weiteren Schritt machen können. Wir sind eine wachsende Band, wir lernen sehr viel, vor allem in letzten Jahr. Wir setzen unsere Stimmen und unsere Instrumente besser ein und ich bin sehr zuversichtlich für das nächste Album. Wir haben schon einige Ideen gesammelt. Wir arbeiten mit dem Computer auf Tour und später im Proberaum können wir die Songs ausarbeiten. Es wird keine grundlegenden Änderungen geben, wir sind immer offen für neue Einflüsse, aber wir wollen aber in unserem Stil besser werden. Bessere Musiker und bessere Songwriter. Wir konnten bisher schon so viele Ziele verwirklichen. Als erstes wollten wir internationale Beachtung, dann einen Deal bei einem Label, dessen Logo auf den CDs abgebildet ist, die wir mochten. Wir haben beides bekommen. Es geht in kleinen Schritten, aber es geht immer weiter. Es gab damals nicht viele Bands mit internationalem Deal in Italien. Dann bekamen wir eine Support-Tour, dann unsere eigene mit eigenem Tourbus. Das war schon ein Wunder. Wir träumten von so etwas wie Ozzfest, jetzt läuft es gut in Amerika, also vielleicht klappt es. Aber unser Ziel ist es immer, uns als Band zu verbessern. Wir sind Realisten und denken nicht, ja, in fünf Jahren wird uns Metallica in Italien supporten, obwohl, man weiß ja nie…(lacht – der Verf.)

Habt ihr auch eure Arbeitsweise als Band verändert?

Andrea: Ich bin mir nicht sicher. Jedes Album ist ein Bild der Band zu einer bestimmten Zeit, und das ist auch gut. Aber man kann immer besser werden. Auch vorherigen Alben könnten wir heute besser machen. Es war gut zu dieser Zeit, aber es kann immer besser werden. Natürlich sagt jeder, dass das nächste Album das beste wird, aber wenn ich etwas veränden oder verbessern will, kann ich es nur beim nächsten Mal machen.

Auch euere Popularität ist mit Comalies sehr gestiegen…

Andrea: Ja, wir sind mit jedem Album gewachsen, aber dieses Mal war es wirklich ein sehr großer Schritt. Wir haben ein neues Level erreicht. Fast das ganze Jahr sind wir getourt, das hatten wir noch nie. Es gab immer höchstens zwei oder drei Touren. Aber dieses mal sind es fast zehn. Wir waren alleine sechs Monate in Amerika. Dazu die Festivals, die Shows in Italien oder Griechenland. Wir sind viel professioneller, wir können keine anderen Jobs mehr machen, aber wir können jetzt auch so überleben.

Die Veränderungen erstrecken sich also bis ins Privatleben…

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Andrea: Oh Ja. Aber keiner von uns hat Kinder, also geht es noch einigermaßen. Allerdings wirkt es sich schon auf unsere Beziehungen aus, wenn man so lange in Amerika ist. Man ist ja ständig nur noch mit der Band zusammen. Für mich und meine Freundin war es das erste Mal, dass wir so lange getrennt waren. Aber natürlich gefällt mir dieses Leben. Man braucht allerdings Partner, die das verstehen und einen so akzeptieren. Man braucht Vertrauen. Jede Nacht triffst du Leute und natürlich auch Frauen. Man braucht sehr viel Vertrauen.

Es ist aber generell wichtig, dass man sich in einer Partnerschaft so akzeptiert, wie man ist, und dazu gehört auch das was der Andere tut, vor allem wenn es um so etwas persönliches wie Musik geht.

Andrea. Ja, unsere Partner repektieren das. Wir haben so viele Jahre gebraucht um als Band diesen Punkt zu erreichen, und unsere Musik so machen und spielen zu können, wie wir es jetzt tun. Es wäre alles umsonst gewesen, wenn man es jetzt wegwerfen würde um zu heiraten. Das ist eh nicht so wichtig, das kann ich auch in fünf Jahren noch.

Ihr könntet ja auf Tour heiraten…

Andrea: Dann müsste ich ja schon die anderen Typen aus der Band heiraten (lacht)…

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Ihr habt auch zum ersten mal ein richtiges Video zu Heaven´s a Lie gemacht. Ein sehr klassisches, mit einer Band-Performance…

Andrea: Das war das erste professionelle Video, das wir gedreht haben. Früher hatten wir eher witzige, selbst gedrehte Sachen. Es kam allerdings erst sehr lange Zeit nach dem Album-Release. In den Staaten liefen die Verkäufe und die Touren so gut, dass sie uns nach einen Video gefragt haben. Wir haben es dann zwischen den Touren gedreht. Es wurde in nur zwei Tagen abgedreht, und wir hatten kein Riesenbudget. Aber es gibt einige coole Effekte und die Location ist sehr gut. In den USA ist es als Promotion gedacht, in Europa eher um den Namen im Gespräch zu halten, und natürlich für die Tour. Wir waren aber überrascht, dass es sowohl in Italien, als auch in Deutschland bei den Musiksendern recht häufig läuft.

In Deutschland sieht man ja auch, das in den Voting Shows, bei denen die Zuschauer per SMS Clips wünschen können, sehr oft auch Metal-Clips laufen. Also entgegen der bisher von den Sendern vertretenen Meinung gibt es sehr wohl ein Interesse an harter Musik im TV…

Andrea: Es hilft im Endeffekt jeder Metal-Band, wenn so etwas gezeigt wird, weil dann auch Kids, die vielleicht sonst nie Zugang zu dieser Musik gefunden hätten, die Chance haben, Metal kennen zu lernen. Die Dinge bewegen sich.

Im Text zu Heaven´s a Lie geht es, so wie ich ihn verstehe um auseinander gebrochene Beziehungen und Versprechen, die nicht eingehalten wurden. Weniger, wie der Titel vielleicht vermuten ließe, um Religion…

Andrea: Es geht nicht ausschließlich um Religion, aber auch um Religion. Der Himmel kann hier auch persönlich interpretiert werden, als Zustand. Es geht um Leute, die dir sagen, wie du dich verhalten sollst oder was richtig ist. Das passt natürlich zu Religionen, aber es ist nicht gegen Religionen. Es geht darum, freigelassen zu werden, denn der versprochene Himmel stellt sich als Lüge heraus. Der Text ist sehr offen für Interpretationen, und auch die Interpretation, dass es um einen persönliche Beziehung geht ist sehr passend. Es kann aber auch um profane Dinge, wie einen Job, gehen. Grundsätzlich geht es um ein Gefühl der Einengung.

Habt ihr wegen des Titels Ärger bekommen in Italien oder den USA?

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Andrea: Manche Radiostationen haben es nur A Lie genannt, aber sonst haben wir kaum Probleme damit gehabt. Die Leute haben verstanden, dass es nicht antireligiös ist. In Cleveland kam allerdings ein Typ von der Church of Satan zu uns und sagte, wie toll er den Song findet. Er dachte wohl wir wären Satanisten, was wir allerdings nicht sind. Wir sind auch nicht gerade Katholiken, wir haben uns unsere persönlichen Richtungen und Sachen, an die wir glauben, und auch heidnische Einflüsse, aber wir sind keine Satanisten. Satanisten sind doch eher eine Antithese zum Christlichen Glauben, und von daher dem sehr ähnlich.

Bist du katholisch erzogen worden?

Andrea: Ja, ich bin katholisch getauft. Aber es hat mir nie was bedeutet. Meinen Eltern allerdings auch nicht. Man hat halt bestimmte Sachen gemacht, weil alle sie gemacht haben und es eben gesellschaftlich vorgegeben war. Meine Mutter ist nicht engstirnig und es liegt ihr eigentlich nicht so viel daran. Später habe ich dann meinen eigenen Weg, abseits der organisierten Religionen gefunden. Es stimmt natürlich, dass Italien ein sehr religiöses Land ist, aber es ist auch sehr oberflächlich. Es ist eigentlich ein großer Fake. Viele Leute gehen in die Kirche, und lassen es auch jeden wissen, aber machen im Verborgenen die schlimmsten Dinge. Es ist Fake.

Es ist auch hier vielen Leuten wichtig, den Anschein zu wahren und die Konventionen zu erfüllen…

Andrea: Ja, aber wenn du nicht den Wunsch hast in die Kirche zu gehen, warum solltest du es dann tun? Wenn es Gott gibt, legt er sicher keinen Wert darauf, dass du dorthin gehst, obwohl es dir widerstrebt.

Ich habe noch einige andere Klischees über Italien gesammelt, die in Deutschland sehr populär sind, wenn du möchtest, kannst du sie bestätigen oder entkräften…

Andrea: Gerne. Ich bin gespannt.

Nr. 1: Der Norden hasst den Süden und umgekehrt.

Andrea: Das Klischee kenne ich, aber es stimmt nicht mehr wirklich. In die großen Städten im Norden, zum Beispiel Mailand und Turin, sind in den 50ern sehr viele Leute aus dem Süden gekommen um Arbeit zu finden, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse dort besser waren. Also ist es heutzutage sowieso eher eine Mischung. In Mailand leben sehr viele Leute aus den verschiedensten Ländern und Erdteilen, da es immer noch ein wichtiger wirtschaftlicher Standort ist. Aber nach dem Krieg, als diese Wanderungen stattfanden, war es sicher mal so und dieses Klischee stammt noch aus der Zeit. Es ist wohl ähnlich gewesen, wie es das Verhältniss zu den Gastarbeitern hier in Deutschland wahrscheinlich mal war, als die ersten kamen. Es ist wahrscheinlich überall schwierig, wenn viele Leute von woanders kommen, um in der Fremde zu leben und zu arbeiten. Viele Leute bekommen Angst, etwas zu verlieren. Heute kommen viele Flüchtlinge aus Albanien oder Afrika nach Italien, und es gibt einige, die sie hassen, nur weil sie woanders herkommen. Sie sehen sie als eine Gefahr, so wie sie alles Neue als Gefahr sehen. Aber was den Norden und den Süden angeht, stimmt es definitiv nicht mehr.

Nr. 2: Italienische Männer leben bei ihrer Mama bis sie 35 sind und wechseln dann nahtlos zu ihrer Frau.

Andrea: Ja, das stimmt irgendwo. Wir hängen sehr an unseren Familien. Es ist nicht wie in Deutschland, oder dem Rest von Europa, wo du von zuhause ausziehst wenn du 18 oder 20 bist und alleine oder mit Freunden lebst. Es leben viele zuhause bis sie heiraten. Ich lebe auch offiziell noch zuhause, allerdings bin ich die meiste Zeit sowieso unterwegs oder wohne bei meiner Freundin, die eine eigene Wohnung hat. Aber es stimmt, unsere Familienbande sind sehr stark und es gibt diese dominante Mutter-Figur.

Das ist interessant, denn in den meisten Ländern brechen die traditionellen Familienstrukturen mehr und mehr auseinander…

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Andrea: Vor allem in den USA ist es sehr brutal. Die Familien sind zerrissen und leben über das ganze Land verteilt.

Auch in Europa. Aber in Italien scheinen diese Strukturen noch zu bestehen…

Andrea: Ich weiss auch nicht genau warum, aber es ist uns eben sehr wichtig. Es geht dabei auch nicht nur um Bequemlichkeit, die natürlich auch einen Rolle spielt. Es ist schon angenehm, wenn jemand für dich putzt und die Wäsche wäscht. Geld spielt sicher auch eine Rolle. Die Löhne in Italien sind nicht sehr hoch, und viele fragen sich, warum sie in eine WG ziehen sollen, wenn sie auch zuhause bleiben können. Italiener sind da konservativ. In Mailand ist es allerdings anders. Es ist eine große Stadt mit 5 Millionen Einwohnern und einem internationalen Flair. Aber im Landesinneren und den kleinen Städten ist noch so.

Nr3: Jeder Italiener liebt Fußball.

Andrea: Absolut richtig! 90% der Italiener sind Fußball-Fanatiker.

Ihr seid Fans des AC Mailand, oder gibt es auch einen Inter-Fan?

Andrea: Nein, wir sind alle AC Fans, außer unserem Drummer, aber der versteht auch nichts von Fußball.

Die Seria A hat sehr große finanzielle Probleme im Moment…

Andrea: Ja, aber ich denke, das gilt für alle großen Ligen. Sie haben in der Vergangenheit einfach zuviel ausgegeben. Es wurden zu hohe Gehälter oder Ablösesummen gezahlt, und jetzt kommt nicht mehr soviel Geld rein. Es wird einen großen Einschnitt geben müssen.

Wahrscheinlich wird es auch in Italien die ein oder andere Club-Pleite geben. Sogar die großen Clubs haben astronomische Schulden.

Andrea: Florenz, die lange in der Seria A spielten, musste aus finanziellen Gründen in die dritte Liga. Jetzt hat jemand das Team gekauft und sie kommen langsam zurück. Sie mussten den Namen von Fiorentina in Florentina ändern.

Was denkst du darüber, dass der Präsident des AC Perugia der deutschen Fußballerin Birgit Prinz ein Angebot gemacht hat, in der Männer-Liga zu spielen?

Andrea: Das ist wirklich ein cleverer Typ, was Promotion angeht. Er hat sogar den Sohn von Gadaffi geholt.

Und er hat nach der WM den koreanischen Spieler gefeuert, der ein Tor gegen Italien geschossen hat.

Andrea: Ja, das ist echt ein Witz. Er tut das für die Medien, es ist Theater. Das muss man alles nicht ernst nehmen. Am Ende denke ich nicht, dass er ernsthaft eine Frau spielen lassen würde. Dazu sind die athletischen Vorraussetzungen doch zu unterschiedlich.

Es gibt auch einen großen Unterschied in der Professionalität. Die Spielerinnen in Deutschland spielen auf Amateurbasis und haben größtenteils noch Jobs. Daher können sie natürlich nicht mit Berufsfußballern mithalten.

Andrea: Aber es war schon lustig die Diskussion zu verfolgen, obwohl man wusste, dass es nie passieren würde.

Es wurde ja in den Zeitungen ernsthaft darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn sie das Angebot annimmt.

Andrea: Jeder nimmt es ernst, obwohl es nie als ernste Möglichkeit gedacht war. Die Regeln hätten es vermutlich sogar erlaubt.

Wie weit kommt Italien bei der Europameisterschaft?

Andrea: Ich weiß es nicht, aber ich hoffe sie gewinnen. Sie hätten es verdient. Bei der WM waren sie nicht gut, und dann war da noch der Schiedsrichter…

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Naja, …

Andrea: OK, daran lag es nicht allein. Wenn sie gegen Korea wirklich hätten gewinnen wollen, hätten sie es auch trotzdem geschafft. Selbst wenn Korea drei Tore Vorsprung bekommen hätte. Wenn man hätte gewinnen wollen, hätte man besser spielen müssen. Aber die einzelnen Spieler sind sehr gut. Sie müssen sich nur zusammenfinden. Ich bin aber auch sehr gespannt auf Deutschland.

Tja, wir machen es wie immer. Die einzelnen Spieler sind nicht gut, sie spielen nicht gut, aber sie sind diszipliniert und wollen gewinnen. Und meistens reicht das auch gegen bessere Teams. Körperliche Kraft und Geduld gegen Können.

Andrea: Vielleicht schaffen wir das auch. Verdient hätten die Spieler es auf jeden Fall.

Aber da ja mein Lieblings-Fußballer aus Italien, nämlich Maldini, nicht mehr in der Nationalmanschaft mitspielen wird, wird es schon schwer…

Andrea: Maldini ist ein wahrhaft Großer. Er hätte es auch mal verdient gehabt Fußballer des Jahres zu werden, aber da er Verteidiger ist, hat er es leider nie geschafft, was sehr schade ist. Einer der wenigen defensiven Spieler, der das je geschafft hat, ist Oliver Kahn.

Nr 4: Der Italiener telefoniert immer mit seinem Handy (Zitat: Franz Beckenbauer)

Andrea: Das ist fucking brutal. Absolut richtig! Eine Umfrage hat ergeben, dass es weltweit gesehen in Italien die meisten Handys pro Einwohner gibt. Jeder hat drei oder vier. Ich habe nur eins, denn ich möchte nicht immer erreichbar sein. Früher als Kind, ist man für ein paar Stunden mit seinen Freunden Fußball spielen gegangen und war nicht erreichbar. Das ist nicht mehr möglich. Jeder muss immer und überall erreichbar sein. Für Amerika habe ich dann ein Tri-Band Handy gekauft, also konnte man mich sogar dort unter derselben Nummer erreichen. Es ist schon erstaunlich und verrückt. Man verbringt soviel Zeit mit telefonieren, jeder muss immer informiert und up to date sein. Man bekommt so wichtige Informationen, wie dass jemand jetzt gerade Kaffee trinkt oder so. Es ist verrückt.

Das stimmt. Wenn man sich mit einer der wenigen Personen verabredet, die kein Handy hat, wird man schon unruhig und denkt es könnte was passieren, das man nicht mitbekommt. Früher war das ganz normal.

Andrea: Stimmt, man denkt, es klappt nicht oder sogar etwas Schlimmes ist passiert. Die erste Frage am Telefon ist nicht mehr Wie geht es dir? sondern Wo bist du?. Es gibt da auch keine Privatsphäre mehr.

Nr.: 5: Italian beer sucks!

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Andrea: Ja, es gibt in Italien keine Kultur des Bieres, wie in Deutschland. Das gibt es eher für Wein. Der ist dafür auch richtig gut, vielleicht der beste der Welt. Bei Bier gibt es dann viele ausländische Marken, wie Heineken, und einige überregionale wie Moretti (Kann man sogar trinken, wenn es eiskalt ist – der Verf.). Es gibt noch zwei oder drei regionale Marken, die sehr gut sind, aber nicht viel produzieren. Sozusagen für die Kenner. Ansonsten trinkt jeder deutsches Bier. Becks oder Warsteiner sind sehr beliebt.

Es gab ja im letzten Sommer etwas Probleme zwischen Deutschland und Italien, zu denen sicher auch Regierungschef Berlusconi beigetragen hat ( Er hat im europäischen Parlament, in dem er zu dieser Zeit den Vorsitz führte einen deutschen Abgeordneten mit einen KZ-Aufseher verglichen – der Verf.). Wie hat man das in Italien erlebt?

Andrea: Er hat da eine sehr schlechte Figur abgegeben und sich sehr anstößig gegenüber den Deutschen verhalten. In der deutschen Politik macht man keine Witze über die Nazis. In Italien ist das etwas anders. Die Leute sind da nicht so empfindlich. Es war einfach dumm. In seiner Position sollte man mehr darüber nachdenken, was man sagt und zu wem man was sagt. Da sollte er vorsichtiger sein und nicht so idiotisch. Es gibt im Ausland immer viel Kritik an Berlusconi, weil ihm so viele Fernsehsender gehören, und er die öffentliche Meinung kontrollieren kann, aber so naiv sind die Leute nicht. Das ist in den Staaten schlimmer. Außerdem gehen da ja sowieso nicht viele Leute wählen. Die Leute in Italien glauben nicht alles, was im Fernsehen kommt. Es ist viel schlimmer, dass die Demokraten und die Linke nicht wirklich gegen Berlusconi arbeiten. Sie tun nichts gegen ihn. Er hat die letzte Wahl ja auch nur sehr knapp gewonnen. Viele sind sicher beeindruckt von seinem Erfolg als Geschäftsmann und sie hoffen, dass er das auch auf das Land übertragen kann. Sie sehen nur welche Position und welchen Erfolg er sich erarbeitet, aber kümmern sich nicht darum mit welchen Mitteln. Aber ich mag Politiker generell nicht. Es gibt keinen mit dem ich voll und ganz übereinstimmen kann. Ich verstehe es, wenn Leute sagen, dass Berlusconi nicht der Richtige ist, um ein Land zu regieren. Damit stimme ich überein. Aber für viele gab es einfach keine Alternative zu ihm.

Denkst du, als Musiker sollte man sich politisch äußern oder eine Position übernehmen, da man in der Öffentlichkeit steht und Vorbildfunktion hat?

Andrea: Das ist sehr schwierig. Natürlich habe ich eine Meinung, aber ich denke nicht, dass meine Meinung über den anderen stehen sollte, weil ich Musiker bin. Jeder sollte für sich selbst denken. Wir haben einen Song gemacht, Angel´s Punishment, der nicht direkt politisch ist, aber in dem es um die Opfer der Kriege geht. Nicht nur im Irak oder Afghanistan, sondern generell, denn Krieg ist generell idiotisch. Das ist der erste annähernd politische Song, den wir je gemacht haben. Es geht uns nicht darum zu sagen, dieser Krieg ist gerechtfertigt und jener ist falsch. Das ist die einzige Botschaft, die wir geben können. Wir möchten nicht sagen, wähle diesen oder jenen, und das ist gut und das ist schlecht. Jeder soll für sich selbst entscheiden, welche Seite er wählen will.

In den USA ist es üblich, dass sich Prominente und Musiker am Wahlkampf beteiligen. Ich habe Dee Snider von Twisted Sister auf der Bühne mit Arnie Schwarzenegger gesehen…

Andrea: Amerika ist eine andere Welt. Da geht es noch nicht mal um Politik. Es ist so verrückt. Schwarzenegger und Larry Flint (Herausgeber des Hustler – der Verf.) kandidieren bei Wahlen. Oder auch Jello Biafra. Man kann ihnen noch nicht mal Vorwürfe machen, es ist eben eine andere Welt.

Vielleicht wird ja Adriano Celentano mal Präsident in Italien…

Andrea: Ja! Cicciolina ( Ehemalige Pornodarstellerin – der Verf.) hat es ja schon versucht (lacht – der Verf.)…

Was denkst du über Bands, die explizite politische Inhalte vermitteln?

Andrea: Ich finde es gut, wenn es um eine bestimmte Sache geht. So wie Henry Rollins mit den West-Memphis Three gemacht hat. Er glaubt, dass sie unschuldig sind und unterstützt eine entsprechende Kampagne. Das ist eine gute Sache. Ich weiß nicht, ob sie unschuldig sind, ich war nicht dabei und kann es nicht beurteilen. Aber wenn es um eine bestimmte Sache geht, die man unterstützen möchte, dann ist das gut. Man sollte aber nicht hingehen und nur irgendeine Fahne schwenken und sagen, alles was wofür ich stehe ist richtig. Ich glaube an die Eigenständigkeit der Leute. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was er für richtig hält.
Ich möchte auch, dass die Leute wegen der Musik zu unseren Konzerten kommen und nicht wegen einer Haltung. Es soll um Emotionen gehe, sie sollen singen oder weinen, wenn sie möchten. Sie sollen eine gute Zeit haben. Wenn sie möchten können sie uns auch hassen. Auf jeden Fall geht es bei Musik um Emotionen. Das allein ist schon eine Message. Gefühle. Man muss nicht immer über Politik reden
Ich möchte auch lieber Emotionen von den Fans zurückkriegen. Das ist immer sehr interessant, wenn man auf Festivals spielt und die Leute vielleicht wegen ganz anderer Bands da sind. Man bekommt unterschiedliche Reaktionen. Musik ist ja kein Wettbewerb, den man gewinnt, wenn man jeden von sich überzeugt hat, aber es ist sehr schön, wenn man es schafft.

Legt ihr viel Wert auch auf persönlichen Kontakt zu den Fans?

Andrea: Oh ja, per E-Mail, aber auch nach den Konzerten. In den USA warten die Fans immer auf die Band nach der Show und man kann noch ein Bier zusammen trinken und reden. In Europa ist das anders, vielleicht im Süden weniger. Die meisten gehen nach der Show.

Vielleicht sind die Leute hier schüchterner…

Andrea: Sicher. Das ist ja auch absolut kein Nachteil. Aber für uns ist es kein Problem mit den Leuten zu reden, wir mögen das. Die Leute haben für die Show bezahlt, für eine gute Zeit. Wir mögen es, uns mit ihnen auszutauschen.

Gab es schon mal Leute, die euch regelrecht verfolgt haben, also Stalker?

Andrea: Manchmal, aber nicht viele. Es gab mal einen aus England, der gegenüber Christina Morddrohungen ausgestoßen hat. Das war schon sehr ungewöhnlich, die meisten wollen etwas anderes von ihr…(lacht – der Verf.) Oder es sind Frauen, und die wollen es von uns Männern, das ist schon sehr erschreckend…(lacht – der Verf.)

Ist denn dieses Groupie Phänomen immer noch so ausgeprägt, gerade im Metal?

Andrea: Vor allem in den USA. Da gibt es immer welche, die mit dir mitgehen wollten. Besonders als wir mit Type O Negative tourten, da waren ständig halbnackte Stripperinnen backstage. In Europa ist das anders. Hier geht es mehr um kennenlernen und miteinander reden, obwohl es auch hier echte Groupies gibt.

Du sagtest, Christina wurde schon mal verfolgt. Das liegt, abgesehen von ihrem Äußeren, sicher auch daran, dass sie sehr im Mittelpunkt steht, da sie die meisten Interviews gibt und sie ist auch auf den meisten Bildern zu sehen. Ist das manchmal schwierig für dich oder den Rest der Band?

Andrea: Nein, man muss schon realistisch sein. Wenn du 5 Typen mit langen Haaren und Bärten hast, und dann eine Frau. Mit wem möchte wohl jeder reden? Mir geht es doch auch bei anderen Bands so, man möchte natürlich lieber die Frau sehen. Die Band arbeitet sehr gut zusammen, wir haben keinen Leader. Wir kümmern uns mehr um Christina, weil sie eine Frau ist, wir behandeln sie rücksichtsvoller. Aber wir kennen uns schon so lange, wir sind eine Familie. Wir teilen das Geld gleichmäßig. Es gibt keine Hierarchie. Jeder ist der Boss für seinen Bereich, jeder hat seine Rolle.
Manchmal würde ich lieber die ganze Band auf dem Cover sehen, als nur Christina oder Christina und mich. Wir haben der Presse ein Bild der ganzen Band, eins von Christina und mir und eins von Christina gegeben. Sie haben immer das von Christina genommen. Aber ich ziehe immer ein Cover mit ihr vor als gar keins. Wir könen uns nicht vormachen, das wäre kein Vorteil. Unser Image geht in diese Richtung und das ist auch Teil der Band. Zwar ein kleiner, aber was sollen wir machen?

Wahrscheinlich verkaufen sich auch Musikmagazine besser, wenn eine schöne Frau auf dem Cover ist.

Andrea: Das verstehe ich auch. Ich verstehe, warum die Presse diese Entscheidung trifft. Ich bin kein Dogmatiker, sondern Realist. Für uns als Musiker innerhalb der Band ist es anders, aber das Image ist eben so. Ich würde lügen, wenn ich das abstreiten würde.

Ist es denn für sie manchmal problematisch?

Andrea: Sie hat dadurch mehr Arbeit. Das ist manchmal schon hart. Aber wir machen dann die dirty jobs und tragen ihre Sachen herum…(Lacht – der Verf.)

Fotos: Doralba Picerno

Interviewlayout: Andonis Dragassias (exhorder)

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