Ich bekenne ja freimütig: Ich bin ein Masochist… Ich lese freiwillig postmoderne Literatur, ich schaute jahrzehntelang den seltsamen Essgewohnheiten von Jutze zu, ich bin VfB-Fan (0:0 gegen Cottbus…), ich habe mal zwei Semester Mathe studiert und versuche mich mit öffentlichen Verkehrsmitteln bei Tag wie bei Nacht durch Stuttgart zu schlagen. Doch selbst meine derart geprüfte Leidensfähigkeit hat ihre Grenzen, wie ich nun undankenswerterweise feststellen mußte, als ich mit Dearest Vile von TO ELYSIUM konfrontiert wurde. Nicht nur, dass die gothicmetallischen Damen und Herren aus Frau-Antje-Country sich davor scheuen, Akkordwechsel innerhalb eines Taktes durchzuführen (es könnte ja so etwas wie Rhythmus und Abwechslung entstehen) und für Melodien mal was anderes als Achtelfolgen zu benützen, nein, auch ansonsten zeigt das Septett, wie man gute, emotionale, tiefgehende Musik nicht spielt. Dabei hat man sich doch auf alle gängigen Zutaten verlassen! Zirpende Frauenstimme und ein Grummelbär im Vordergrund, dichtauf gefolgt von massivem Keyboardeinsatz und unterstützt von ein paar verzerrten Gitarren sowie einer unspektakulären Rhythmussektion. Dabei klingt Sängerin Esther, als setze sie gerade mal 10% ihrer Stimmkraft ein, bei Songs wie The Devil Herself wirkt sie hoffnungslos überfordert. Gerne würde sie eine opernhafte Stimmung entstehen lassen, was dabei jedoch herauskommt, hört sich vielmehr danach an, als sei ihr beim Einsingen mittels Bondage die Luft abgeschnürt worden. Die Keyboards machen traurige Miene zum bösen Spiel und gleichen sich mittels penetranter Klimperklänge dem Gesamteindruck an, während der Rest der Musik den Anschein erweckt, als habe man die Zeit beim Songwriting vornehmlich für Kippenpausen verwendet. Und blinzelt doch einmal ein guter Teil zwischen den Jammerkonstrukten hindurch wie der Chorpart beim Outro Doomcraft, so wird er durch endlose Wiederholung bis zum Tode ausgelatscht.
Was mich so ungehalten werden läßt bei diesem Release ist die extreme Belanglosigkeit der Musik und das plakative Buhlen um Hörer aus dem Gothic Metal-Lager. Dearest Vile klingt alles andere als tight und verbreitet die düstere Aura eines DEA-Werbespots (noch so ein Auswuchs meines Masochismus, ich schaue mir gerne schlechte Werbespots an…). Hat denn wirklich keiner der sieben Musiker in einer stillen Stunde gemerkt, dass die Zeit für ein Labelrelease noch lange, lange nicht gekommen ist und noch sehr viel Arbeit vor der Band liegt, bis die Musik von TO ELYSIUM ein professionelles Level erreicht? Besonders hanebüchen wird es, wenn als Orientierungshilfe Bands und Musiker wie TOOL, SLAYER, TORI AMOS und NICK CAVE genannt werden. Mit diesen einzigartigen, innovativen Acts verbindet TO ELYSIUM rein gar nichts, dafür meint man das Bestreben herauszuhören, den Debütalben von THE GATHERING und THEATRE OF TRAGEDY nachzueifern. Doch auch wenn zumindest ersteres soundmäßig leicht zu erreichen ist – wo bei den beiden Trendsettern Ausstrahlung, Atmosphäre und die Faszination des Neuartigen ihren Alben zu Kultstatus verhalf, langweilen sich TO ELYSIUM durch elf gesichtslose, innovationsfreie und gefühllose Songs. Zum Glück gibt es in der S/M-Szene ja vereinbarte Signale, wenn einem der Schmerz zu weit geht… in meinem Fall ist das die Stopptaste, und derer bediene ich mich jetzt.
Veröffentlichungsdatum: 08.04.2002
Spielzeit: 37:04 Min.
Line-Up:
Esther de Vos – Gesang
Rein Doze – Gesang
Manny van Oosten – Gitarre
Ray van Lente – Gitarre
Andries van der Worp – Bass
Eline Ottens – Keyboards
Sjoerd Visch – Schlagzeug
Produziert von Berthus Westerhuys & TO ELYSIUM
Label: Coldblood Industries/Zomba
Homepage: http://www.toelysium.com
Email: personal_vile@toelysium.com
Tracklist:
Harangue
He Rears His Head In Laughter
In Collision
Bug
The Devil Herself
Dana In Darkness
Chaossun
Seas Of Starvation
Meridians Fall
To A Flame
Doomcraft