Um mal eine nicht allzu gewagte Hypothese in den Raum zu stellen: Ich fürchte, SMALL FOR DATE sind ihr Debüt Labyrinth zum Abgrund schlicht und ergreifend überambitioniert angegangen. Im Zentrum ihrer künstlerischen Tätigkeit steht der Mensch konfrontiert mit surrealistischer Ideologie und transzendenter Ohnmacht, so warnt einen bereits das Info vor. Inwieweit Ohnmacht transzentent ist und Surrealismus künstlerische Tätigkeit konfrontiert, sei mal dahingestellt, Fakt ist, dass sich die beiden Künstler überhoben haben beim Versuch, GOETHES ERBEN-artig gesprochene Texte mit Klangbildern zu paaren und so eine Art Gesamtkunstwerk zu erreichen. In den Texten findet sich jedenfalls mehr Sentimentales denn Surreales, prinzipiell faszinierende, für Künstler in viele Richtungen bearbeitbare Thematiken wie Gentechnologie werden wiederum mit Schüleraufsatzbetroffenheit vermoralinsäuert (höre DNS vs. DANN). Schlagzeugsounds, die weder besonders retromäßig noch druckvoll rüberkommen, dünne Keyboardmelodien in ewigen Viertelketten und erschreckend leidenschafts- und emotionslose Gedichtvorträge an Stelle von Gesang – all das manövriert das Duo unaufhaltsam weg vom angepeilten hehren Ziel hin zu den Klippen der Belanglosigkeit. Ein weiteres abschreckendes Beispiel: das in Französisch gehaltene Redonnez mon enfance, das von stur durchhaltenden Klavierakkorden untermalt wird und den wohl dünnsten Refrain der letzten Jahre beinhaltet. Die Textzeile Denken hat aufgehört ist neben metamorphorisiert und Ein Werden zieht hinaus ein weiteres Beispiel für die entglittene Wortkunst von SMALL FOR DATE. Bleibt die Hoffnung auf Kritikfähigkeit auf Seiten der Musikern, so dass das nächste Werk keinen derart klaffenden Unterschied zwischen Anspruch und Realität aufweisen wird…
Veröffentlichungsdatum: 22.04.2003
Spielzeit: 66:17 Min.
Line-Up:
Sven Stümpfig: Musik, Texte
Oliver Schukraft: visueller Part und Performance
Label: Generation Records/Alive Music
Tracklist:
Ein asketisches Melodrama (I. & II. Akt)
Regennacht
DNS vs. DANN
Hymne an die Angst
Ein asketisches Melodrama (III. Akt)
Gedankenanalyse (Lave et delices)
Mentaler Schmerz
Redonnez mon enfance
Ein asketisches Melodrama (IV. und letzter Akt)