Mit Mente Capti steht bereits das siebte Album der Bonner Mittelalter-Formation SCHELMISH in den Startlöchern. Und weil es so schön ist, hat sich die Plattenfirma etwas ganz besonderes einfallen lassen. Damals im Mittelalter gab es viele Analphabeten und um die Authentizität von Mente Capti zu erhöhen, muss der Rezensent, der nicht der lesenden Klerikerschicht angehört, nicht mehr die Trackliste lesen, sondern einfach hinhören – in jedem einzelnen Song meldet sich zu Beginn eine Frauenstimme mit der erotischen Ausstrahlung der Zeitansage und haucht Sie hören die Promoversion des aktuellen SCHELMISH-Albums, Track x, Titel y. Damit nicht genug – mit der Hartnäckigkeit und dem Faible für das richtige Timing der Spanischen Inquisition – meldet sich dieselbe Stimme wieder inmitten des Songs, damit man den Spannungsaufbau des Liedes ja nicht ergründen kann.
So fällt am Rande auf, dass die Produktion offenbar ganz ordentlich ausgefallen ist und die einzelnen alten Instrumente allesamt angemessen abgemischt wurden. Musikalisch orientieren sich die Bonner etwas an CORVUS CORAX, dazu gesellen sich vereinzelte verzerrte Gitarren, die jedoch nicht so dominant sind wie etwa bei SALTATIO MORTIS oder IN EXTREMO und eher brav und zurückhaltend eingesetzt werden. Zeitweise kommen auch zögerliche Synths zum Zug, obwohl ein technoid-anmutender Song wie Die Marionette wohl eher unter Ausfall archiviert werden muss. Textlich erinnert etwa die Rabenballade an die früheren Zeiten von SUBWAY TO SALLY, wenngleich die Eigenkompositionen von SCHELMISH nicht an die Qualitäten der zuvor genannten Bands in diesem Bereich heranreichen. Anspieltipps sind dank der Stimme der Spanischen Inquisition nicht auszumachen – denn jedes einzelne Lied wurde dergestalt verunstaltet, dass es sich und seine Melodie nicht mehr retten kann.
Insgesamt kann aufgrund der Störfaktoren kein umfassendes Urteil gefällt werden. Mente Capti macht in seinen musikalischen Momenten einen soliden Eindruck, doch wird es kaum ein ernsthafter Konkurrent für die vier genannten Genre-Vertreter sein. Man kann SCHELMISH nur wünschen, dass sie bald ein Label finden, welches ihre Musik respektiert und sie nicht für Promoversionen kastriert.
Veröffentlichungstermin: 07.04.2006
Spielzeit: 75:56 Min.
Line-Up:
Des Demonia: Sackpfeifen, Schalmei, Bouzouki, Gesang
Dextro: Sackpfeifen, Schalmei, Flöten, Cister, Bouzouki, Bass, Gesang
Rimsbold von Tiefentann: Sackpfeifen, Schalmei, Flöten, kleines Schlagwerk, Gesang
Fragor das Schlagfertige: Schlagwerk, Percussion
Sakepharus der Schmierenkomödiant: Schlagwerk, Davul
Luzi das L: Sackpfeifen, Schalmei
Naj O der Reine: Bass
Marquis de Guis: E-Gitarre
Produziert von SCHELMISH, Sven Neumann
Label: Your Groove
Homepage: http://www.schelmish.de
Email: info@schelmish.de
Tracklist:
1. Collaudemus
2. Der letzte Kuss
3. Die sieben Kostbarkeiten
4. Twa Corbies
5. Freigang
6. Gelobtes Land
7. Die Marionette
8. Weiße Fesseln
9. Galapagos
10. Gaudete
11. Sal Bybon Bonh
12. Tanz mit mir
13. Mente Capti
14. Osmanish
15. Ein Märchen?
16. Follow me up to Carlow
17. Pank!
18. Zweiundzwanzig Jahre
19. Bonus: Die Rabenballade