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NOVALIS: Augenblicke [Re-Release]

Musikfreunde der Generation, die beim Namen NOVALIS aufhorcht, können nun nachrüsten. Oder nun einfach mal die LP im Regal lassen und zur CD greifen.

Neben zahlreichen anderen Highlights der Krautrock-Geschichte hat das MIG-Label auch das siebente Album Augenblicke der Hamburger NOVALIS neu aufgelegt, damit Freunde des gepflegten 70er-Rock ihre Sammlung erweitern oder modernisieren können. Wie gewohnt wurde der Sound überarbeitet, ohne den Originalklang auszuradieren, der Zeitgeist des Originals bleibt auch hier erhalten, gut so!

Wo das Vorgängeralbum Flossenengel noch ein frühes Öko-Konzept präsentierte, geht es auf dem 1980 auf dem Ahorn Records-Label erschienenen Augenblicke eher um Momente der Zweisamkeit. Die Vocals sind aus heutiger Sicht natürlich ziemlich übertrieben theatral, wenn Fred Mühlbröck die Stimme erhebt, dann immer mit einem kräftigen Touch 70er Schlager. Aber hallo, das ist kein Problem, das war das Markenzeichen der späten Romantik-Rocker der einheimischen Hippie-Generation. Die NOVALIS-Platten durften in keiner Kommune fehlen, wo dann vor dem gemeinsamen Austausch körperlicher Kontakte erst mal kräftig eben darüber diskutiert wurde, wie halt schlichtweg alles erst mal ausdiskutiert wurde, des reinen Diskutierens wegen. Die Texte hier luden mal wieder als Grundlage dazu ein, die Songs selber waren nicht mehr so ausladend und Krautrockig wie gewohnt. Die Instrumentalsongs- und Passagen hatten oft das, was man heute so als Wellnessmusik in Arztpraxen vorgedudelt bekommt, für die gepflegte Kuschelrunde sind sie aber auch heute noch gut. Wie z.B. das etwas schnulzige Herbstwind mit dezenten URIAH HEEP-Chören. Da kommt Shinx schon etwas schräger und mit einigen PINK FLOYD-Elementen daher. Selten wird es mal etwas rockiger, die ruhigen Töne überwiegen wie beim schönen, sentimentalen Als kleiner Junge. Dagegen war Ich hab noch nie gelernt zu lieben garantiert eine Womanizer-Hymne, beim Livestyle der Spät-Hippies hätte sich wohl jede Frau aufgemacht, um den armen Kerl zu therapieren, nur diskutieren hilft ja auch nicht immer. Ob man sich als jüngerer Rockfan damit anfreunden kann ist eher fraglich, Kollege Schaffi nennt sowas Generationskonflikt. Dabei gibt es auch hier tolle Momente zu entdecken, aber auch einige, die schlichtweg einlullen und zum Wegträumen animieren. Man kann auch gut heraushören, dass hier die einzelnen Musiker ihre Ideen in eigene Songs gepackt haben, statt an großen Gemeinschaftssongs zu arbeiten. Das bringt Abwechslung mit rein, die Songs kommen mehr auf den Punkt, dafür muss man auf die Elemente des Progressive-Rock nahezu verzichten, die noch den Flossenengel dezent begleitet haben und auf den früheren Platten für mehr Krautrock-Flair sorgten. Den großen Schritt nach vorn hatte man nie geschafft, vielleicht war der Stempel als Kuschelband dafür zu hinderlich.

Musikfreunde eben der Generation, die beim Namen NOVALIS aufhorcht, werden Augenblicke eher verstehen und können nun nachrüsten. Oder nun einfach mal die LP im Regal lassen und zur CD greifen. Der Sound wurde liebevoll überarbeitet, das Digipack bietet neben ein paar Linernotes und minikleinen Texten nichts, oberflächlich betrachtet. Schaut man genauer hin, dann sieht man die ausgestanzten Augen der Katze, welche die Farbe wechseln wie bei der LP. Schönes Detail, das meiner LP fehlt, weil man damals unbedingt zu jeder LP neue Innenhüllen mit Folie brauchte, sonst war man kein echter Sammler. So bleiben da die Augen halt weiß, aber egal. Alt-Rocker/Hippies können zugreifen und gleich auch Flossenengel mitnehmen. Neu-Hippies und Menschen, die mit Krautrock noch nicht viel zu tun hatten, sollten sich das Programm vom Made In Germany-Label mal anschauen und werden dort weitere Juwelen deutscher Rockmusik entdecken wie die Re-Releases von GROBSCHNITT, KATHARGO oder EPITAPH (Tipp!).

Veröffentlichungstermin: 25.05.2012

Spielzeit: 35:57 Min.

Line-Up:
Fred Mühlbröck – Gesang, Gitarre, Flöte, Variophon
Detlef Job – Gitarre, Gesang
Heino Schünzel – Bass
Lutz Rahn – Keyboards, PPG Wave Computer
Hartwig Biereichel – Schlagzeug
Label: MIG Music

Tracklist:
1. Danmark
2. Ich hab noch nicht gelernt zu lieben
3. Cassandra
4. Herbstwind
5. Mit den Zugvögeln
6. Sphinx
7. Als kleiner Junge
8. Magie einer Nacht
9. Begegnungen

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