Mit LOST SOUL hat sich eine weitere polnische Bestie aus ihrem Käfig befreit, um die Welt zu terrorisieren. Wie Streichhölzer müssen die Gitterstäbe weggebrochen sein, führt man sich die Brachialität dieser Combo vor Augen. Irrsinnige Geschwindigkeitsorgien paaren sich in wilder Ekstase mit musikalischem Anspruch und furioser Gitarrenarbeit. Aber trotz allem sind die Polen nicht wirklich frei: Sie sind vielmehr wie ein wildes Tier, das in einem Gehege wütet, dessen Grenzen etliche Szene-Vorreiter bereits abgesteckt haben. Es ist, als stürmten die Musiker von LOST SOUL voller Elan mit gezückten Äxten in einen Wald – nur um nichts als Baumstümpfe vorzufinden, die die Spuren der Äxte von MORBID ANGEL, VADER, BEHEMOTH, DECAPITATED und TRAUMA tragen. Davon so in Rage gebracht verbringen sie nun ihre Zeit damit, selbst auf diesen Stümpfen noch herumzuschlagen. Das ist nicht weniger heftig, nicht weniger kraftaufwändig, kann aber niemals mit dem unvergleichlichen Chaos umstürzender Bäume verglichen werden. Der weithin gehörte und gefürchtete Ruf Baum fääällt wird also LOST SOUL niemals vorauseilen. Nichtsdestotrotz: Die Äxte der Mannen sind scharf, die Muskeln bis zum Zerreißen gespannt, die Energie in den Körpern bis hin zur Explosion verdichtet. Da ist nichts drin mit Mittelmäßigkeiten, Ziel war und ist am Limit der Brutalität, sowie am Anschlag des Anspruchs nicht nur zu kratzen, sondern sich darüber hinwegzusetzen. Dementsprechend durchbricht fast jedes Lied auf Chaostream die Schallmauer, kann mit leidenschaftlichen Arrangements, düsteren Melodien und einer auf das Nötigste beschränkten Vielseitigkeit überzeugen.
Das machtvolle, kompromisslose Fundament verbinden LOST SOUL bewusst nicht mit inhaltsleeren Gore- oder Splatterthemen, sondern fahren, ähnlich wie BEHEMOTH, eher die esoterische und mystische Schiene. Da mir keine Texte vorliegen, kann ich dazu leider nicht viel mehr sagen.
Fest steht, dass Chaostream ein Werk an oberster Effektivitätsgrenze ist. Der Sound ist stark, druckvoll und perfekt, die Songs alle auf hohem Niveau. Die Polen haben aber damit zu kämpfen, dass der Rahmen, in dem sie agieren von vielen Bands – insbesondere aus dem eigenen Land – bereits vordefiniert und meist auch ausgereizt wurde. Zudem ist die Ähnlichkeit zu MORBID ANGEL nicht nur im lyrischen Inhalt und dem Bandlogo zu finden, sondern bricht immer wieder – mal mehr, mal weniger – deutlich in den Stücken hervor.
All das ändert aber nichts an der Tatsache, dass LOST SOUL bisher viel weniger Aufmerksamkeit erregen konnten, als sie verdient haben. Ob sich das mit Chaostream ändert, sei mal so dahingestellt. Wirklich gelingen wird das wahrscheinlich erst, wenn die Polen den Mut und die Intention haben aus dem Rahmen auszubrechen, den ihre Vorbilder ihnen gezimmert haben. Aber trotz allem ist dies ein Album, das jeder Death Metal-Fan unbedingt anchecken sollte.
Veröffentlichungstermin: 24.01.2005
Spielzeit: 46:02 Min.
Line-Up:
Jacek Grecki – vocals, lead guitar
Piotr Ostrowski – rhythm guitar
Tomasz Fornalski – bass guitar
Adam Sierżęga – drums
Produziert von Lost Soul & Wiesławscy Bros.
Label: Wicked World Records
Homepage: http://www.lostsoul.pl
Email: info@lostsoul.pl
Tracklist:
01. Word of Sin
02. Godstate
03. Death Crowns All
04. Shameful Race
05. The Hidden Law
06. Mortal Cage
07. Christian Meat
08. Angel´s Cry
09. The Birth of BABALON