LLYNCH: We Are Our Ghosts

"Alice im Wunderland" auf Meskalin. David Llynch wäre stolz auf dieses Noisecore-Gespann.

David Lynch und Christopher Lloyd haben meines Wissen leider nie zusammen gearbeitet, dabei könnte der sympathische Doc Brown sich in den Filmen des Enfant Terrible bestimmt ordentlich austoben. Bis es allerdings so weit ist, müssen wir mit einer Band vorlieb nehmen, die ebenso sympathisch-schrullig und verrückt-poetisch bis radikal ist, wie eine Kombination dieser beiden Filmgiganten. Und prompt kommt wie aus dem Nichts mit We Are Our Ghosts eines der eindruckvollsten Debütalben des Jahres im Galopp angestürmt. Diese Stunde ungewöhnlichster Musik reißt jeden mit, dessen Herz auch nur ein wenig für abgefahrene, heftige Musik steht, garantiert. Das Saarbrücker Gespann LLYNCH knallt mit We Are Our Ghosts dem Hörer einen abgefahrenen, tiefen und originellen Mix aus ISIS, MADE OUT OF BABIES und den DEFTONES vor den Latz, dass es einerseits gnadenlos die Fresse einschlägt, aber andererseits auch viel Platz zum sich selbst verlieren bietet.

Zwischen wilden, noisigen Ausbrüchen mit verzerrten Vocals, mit der richtigen Portion Wahnsinn und einem hervorragendem Gespür für spannende Songs bewegen sich die fünf Musiker, geradezu visionär in einem Bereich, den sich bisher nicht viele zu betreten getraut haben. Hier gibt es keine schönen Refrains, keine netten Strophen, hier gibt es nur Musik, die sich aufbaut, mal langsam, mal mit brutalen Brüchen. Aber LLYNCH folgen einem Plan, sie erschaffen mit We Are Our Ghosts keine Musik zum nebenbei hören, sondern haben eine Platte geschrieben, die man sich immer und immer wieder anhören muss, am besten über Kopfhörer, hochkonzentriert. Dann lichtet sich dass Chaos aus komplexen Gitarren, pumpendem Bass und wie verrückt dreschendem Drumming.

Von schwermütig-komplex bis hin zu radikal-noisig und wild-rockend ragt die Bandbreite des Quintetts, und beide Seiten haben ihren Reiz. Wenn LLYNCH, wie in Athena das Riff zelebrieren, auf ihre eigenen schrulllige Art und Weise, dann geht das ewig nicht aus dem Kopf. Aber wenn es, vor allem bei dem langem Doppelpack Floating North und Eyes Towards Oort, dem epischen Titeltrack und dem abschließenden Llizards, sowie der Quotenballade Morla melodischer, ruhiger, trauriger wird, dann nimmt man dies der Band auch absolut ab. Einerseits, weil sie mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu Werke gehen und niemals wie pseudoschräge und abgefahrene Clowns wirken, andererseits, weil man hier das in die Musik gepumpte Herzblut richtig spürt. Idealerweise gibt es genügend Stellen auf We Are Our Ghost in denen die Band ihre beiden starken Seiten verbindet, woraus dann ein richtiger Zyklon der Kreativität entsteht.

Trotz der oftmals langen Songs und der Spielzeit von über einer Stunde, gibt es keine Sekunde Langeweile auf dem Debütalbum der deutschen Formation. Generell ist es überraschend, wie visionär und offen LLYNCH zu Werke gehen. Basierend auf dem Noiserock der 90er, den epischen Stellen von Bands wie ISIS und der schrägen Moderne von den DEFTONES sitzt das Quintett zwischen den Stühlen, aber so bequem, dass sie sich den Raum zum experimentieren geben, den sie selbst brauchen. Somit ist We Are Our Ghosts ein großes, wundervolles Gesamtes, das den Hörer in die tiefsten Abgründe der Seele der Musiker mitreißt.

LLYNCH bringen eine späte Überraschung in diesem Jahr. Perfekt durchdacht, lebendig, authentisch und intensiv ist deren Debütalbum geworden, die dreijährige Arbeit an diesem Werk hat sich absolut gelohnt. Freunde von abgefahrener Musik mit Herz und Hirn sollten dringend reinhören. Das ist bizarr, das ist wundervoll, das ist Alice im Wunderland auf Meskalin. David Lynch wäre stolz auch euch.

Veröffentlichungstermin: 28. November 2008

Spielzeit: 64:52 Min.

Line-Up:
P. Hell – Vocals
M. Kraemer – Guitar
M. Feit – Guitar, Keyboards
C. Breuer – Bass, Electronics
M. Rosner – Drums

Label: Bastardized Recordings

Homepage: http://www.weareourghosts.com

MySpace: http://www.myspace.com/llynch

Tracklist:
1. Symbol Repetition
2. Athena
3. Floating North
4. Eyes Towards Oort
5. Lost! Lost!
6. If it ain´t rotten, it ain´t mine.
7. A History of Gentlemen
8. Morla
9. We Are Our Ghosts
10. Llizzards

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