LELIO PADOVANI: The Big Picture [Eigenproduktion]

Ein typisches Gitarristensoloinstrumentalbum, das auf Melodie statt auf Gefrickel setzt. Lelio Padovani spielt sauber, die Produktion klingt klar und die einzelnen Stimmen wurden wohldurchdacht komponiert. Im Vergleich dazu ist die Zeitumstellung ein atemberaubender Hochspannungskrimi.

Ruuud hat es bereits angedeutet: Instrumentale Soloalben von Gitarristen sind eine zwiespältige Angelegenheit. Man kann einfach keine Erwartungshaltung aufbauen. In den letzten Jahrzehnten haben zahlreiche Musiker bereits gezeigt, was man mit E-Gitarren so alles anstellen kann. Geschwindigkeitsrekorde wurden aufgestellt, wildeste Skalen wurden vorwärts wie rückwärts gedudelt und selbst die reine Freude am Geräusch kam zu CD-Ehren (Pat Metheny: Zero Tolerance For Silence).

In dieser Hinsicht ist The Big Picture ein erstaunlich gemäßigtes Album. Die Stücke wurden fast schon spartanisch arrangiert und das Solospiel bleibt über weite Strecken nachvollziehbar, was die Geschwindigkeit angeht. Ausgefallene Harmonien gibt es häufiger, ohne aber gleich in SPASTIC INK-Gefilde abzudriften. Lelio Padovani hat wie viele Gitarristen vor ihm die Ambition, die Melodielinien singbar zu gestalten. Auch er scheitert an dieser Stelle, da derart komplexe instrumentale Ideen einfach nicht einfach sind. Selbst die Ausflüge in die sphärische Klangmalerei (Serena´s Diary) sind nicht sonderlich griffig. Vielleicht gibt es eine kleine Minderheit besessener Gitarristen, die derartige Werke vergöttern und Reviews wie dieses hier als Dartscheibe verwenden. Doch ohne das musiktheoretische Hintergrundwissen – und wer weiß, vielleicht auch mit ihm – wirkt die Musik einfach nur harmlos. Im Vergleich dazu ist die Zeitumstellung ein atemberaubender Hochspannungskrimi.

Der Großteil des Songmaterials basiert auf gewöhnlicher Rockmusik, wobei die bereits angesprochene Harmonievielfalt der ganzen Sache einen Progressive Metal-Touch verleiht. Zur Auflockerung gibt es erwartungsgemäß einige unerwartete Breaks. Da sind sie also wieder, die Erwartungen! Der Musiker erwartet, dass die Welt sein musikalisches Genie erkennt, während ich hier sitze und mir eingestehe, dass ich bei derartiger Mucke irrsinnigerweise immer noch einen würdigen Nachfolger zu DREAM THEATERs The Ytse Jam erwarte. Beide Erwartungshaltungen sind realitätsfern und trotzdem bekommt man sie nicht tot.

Diese unüberbrückbare Diskrepanz rührt möglicherweise daher, dass der Musiker eimerweise Emotionen in seine Stücke steckt. Die Übertragung dieser Emotionen auf die Hörerin bzw. den Hörer wird nun an zwei Stellen maßgeblich gestört. Es beginnt bereits bei der Aufnahme. Lelio Padovani spielt sehr sauber, die Produktion klingt sehr klar und die einzelnen Stimmen wurden wohldurchdacht komponiert. Mit anderen Worten: Ein aufgeräumtes Kinderzimmer kann ein sehr verstörender Anblick sein. Die spieltechnische Perfektion ist also ebenso bewundernswert wie unbefriedigend. Damit wären wir beim zweiten Punkt. Eine emotionale Regung, egal ob positiv oder negativ, geht einher mit einer gewissen Erregung. Beim Anhören von guten wie schlechten CDs ist man innerlich aufgewühlt. Meistens äußerst sich dies im Drücken der Repeat- bzw. Stop-Taste. Gitarristensoloinstrumentalben – The Big Picture macht dabei keine Ausnahme – haben nun leider die Eigenschaft, dass sie munter vor sich hin plätschern, ohne große Wellen zu schlagen. Sie sind weder unangenehm noch mitreißend. Hört man genauer hin, entdeckt man kleine Finessen, macht man nebenher etwas anderes, vergisst man, dass der CD-Spieler läuft. Die Bilder und Gedanken, die der Urheber beim Komponieren im Kopf hatte, sind nach der Umwandlung in weitläufige Gitarrenmelodien selbst mit viel Fantasie kaum noch zu erraten.

Mit abgeschaltetem Geschmacksinn kann man angesichts der spielerischen Virtuosität problemlos zu dem Schluss kommen, dass es sich bei The Big Picture um ein gelungenes wenn nicht gar exzellentes Album handelt. Realistisch betrachtet ist die CD allerdings lediglich für die oben erwähnte Minderheit interessant, in der Sänger ein Schimpfwort ist und die Jahre vor der Entwicklung digitaler Aufnahmetechniken als Steinzeit bezeichnet werden.

Veröffentlichungstermin: 30.04.2005

Spielzeit: 34:26 Min.

Line-Up:
Lelio Padovani: Gitarre

Max Scaccaglia: Bass bei On The Beach

Rolando Ottieri: Schlagzeug

Produziert von Lelio Padovani

Homepage: http://www.leliopadovani.com

Email: info@leliopadovani.com

Tracklist:
1. Escape

2. The Novel

3. On The Beach

4. The Brave Melody

5. Serena´s Diary

6. The Big Picture

7. 22 Novembre

8. Into The Unknown

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