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LEAD INC.: Mirage

Die Identitätsbildung, das Finden der eigenen Rolle in der Gesellschaft, ist eine Herausforderung, die stetig an Komplexität und Tücken zunimmt. Die Vielfalt an Milieus und Lebensformen, kulturelle Diskrepanzen und unsichere Zukunftsperspektiven sind nur einige der Faktoren einer schnelllebigen Welt, die uns schon früh in eine existenzielle Krise werfen können. Wie uns andere sehen sollen, ist dann nicht immer vereinbar mit unserer Selbstwahrnehmung.

In der Auseinandersetzung mit diesem Trugbild (engl. „Mirage“) können wir erst zu der Person reifen, die wir letztendlich sein werden. Ob dieser innere Kampf eine Coming-out-Geschichte, ein traumatisches Erlebnis oder einen gänzlich anderen psychischen Konflikt erzählt, lassen LEAD INC. bewusst offen. Die übergreifende Handlung von „Mirage“ ist bewusst weit gefasst, obwohl sie alle Nischen und Ecken der menschlichen Psyche erkundet.

Nicht selten ist die Instrumentalfraktion der Star auf “Mirage”

Und so präsentieren sich auch die acht teils überlangen Kapitel, die sich meist viel Zeit nehmen, ihre verschachtelte Struktur auszubreiten. Der Progressive Rock des Quartetts kann durchaus sperrig sein, bietet dafür jedoch zum Ausgleich einiges zu entdecken. Als Grundreferenz dient LEAD INC. sicherlich TOOL, deren hypnotische Riffzyklen oftmals das Rückgrat von „Mirage“ bilden.

Auf dieser Basis wagt „Alice“ im Finale dafür auch Mal einen rhythmischen Ausflug Marke OPETHs „Deliverance“, während „The Dice“ mit einer ordentlichen Portion Groove nach vorne rockt. Nicht selten ist – auch dank der transparenten Produktion – die Instrumentalfraktion der Star des Albums. Der warme Bass schmiegt sich in „Rust And Amber“ an die verspielten Gitarren, während Drummer Till Westphal das Korsett nicht nur zusammenhält, sondern mit variablen Fills auf unaufdringliche Weise verziert.

Gesanglich kraftvoll und variabel

Sängerin Naomi Mayson drängt sich in diesen Momenten nicht in den Vordergrund. Vielmehr tritt sie stimmlich erst dann ins Rampenlicht, wenn es dem Song zuträglich ist. Das kann ein kraftvoller Refrain sein („Rust and Amber“) oder ein mitreißendes Duett im leidenschaftlich vorgetragenen „Chimaera“. Bietet es sich an, übernimmt die Frontfrau aber souverän das Ruder und trägt dank ihres runden wie kraftvollen Organs Stücke wie „Mantra“ oder „The Inner Circle“ geradezu spielend.

Schade, dass die spärlich eingesetzten Screams nicht ganz das Niveau ihrer restlichen Performance halten können und im Mix etwas kraftlos erscheinen. Das abgezockte Prog-Epos „The Toll“ kaschiert diesen Makel dafür mit einem dynamischen Auf und Ab, das hinter einer wütenden Maske eine unerwartete Zerbrechlichkeit offenbart.

Manchmal noch stehen sich LEAD INC. selbst im Weg

In der Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst zeigt sich allerdings auch, dass LEAD INC.s Stärke zugleich noch die größte Schwäche ist. Über nahezu 60 Minuten schafft es „Mirage“ nicht ein einziges Mal, das Tempo signifikant zu variieren. Angesichts der verkopften Arrangements wird der vertonte innere Konflikt so stellenweise zu einer zermürbenden Angelegenheit. Zugegeben, dieser Prozess ist auch in der Realität keine gemütliche Abendbeschäftigung, aber das Trugbild im Spiegel hat dann doch ein paar facettenreiche Charakterzüge mehr, als LEAD INC. uns auf ihrem sonst ausgesprochen gelungenen Debüt zeigen möchten.

Veröffentlichungstermin: 23.2.2019

Spielzeit: 57:16

Line-Up:

Naomi Mayson – Gesang
Henrik Michalzik – Gitarren
Joris Henke – Bass
Till Westphal – Schlagzeug, Synthesizer

Produziert von LEAD INC. und Henrik Michalzik (Mix & Mastering)

Label: Eigenproduktion

Homepage: https://leadinc.jimdo.com/
Facebook: https://www.facebook.com/LEADincmusic/

LEAD INC. “Mirage” Tracklist

1. Alice
2. The Dice
3. Mantra
4. Rust And Amber
5. The Inner Circle
6. Chimaera [feat. Lady Crank]
7. The Toll
8. Zenith

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