Ein fliegendes Schwein auf dem Cover. Das ist noch gut, das kann man noch essen, würde Homer Simpson sagen, ich sage jedoch: Das stinkt gewaltig nach PINK FLOYD, nicht? Überraschenderweise sind EARTHLIMB, die dieses Schwein, das über einen Geysir im Schwarzwald (…was zum Teufel?) fliegt, als Artwork zu ihrem Debütalbum Origin haben, keine waschechte, klassische Progressive Rock-Truppe. FEAR MY THOUGHTS-Gitarrist Patrick Hagmann hat viel mehr drei Jahre lang zu einem Großteil im Alleingang an diesem Album gearbeitet und eine Menge Ideen parat, die ein starkes Album ergeben. Zeitgemäß und doch retro, eingängig und doch eigenbrötlerisch ist das tiefe, spannende Debüt Origin, das einen fantastischen Einstand für EARTHLIMB darstellt. Progressive Rock ja, aber nicht ausschließlich blumig, zart und durchdacht, wie von PORCUPINE TREE, sondern auch mal vertrackt im Stil von zahmen THE MARS VOLTA bis hin zur Verschrobenheit von RADIOHEADs OK Computer.
Experimente und zugängliche, melodische Momente halten sich auf Origin schön die Waage, und manches Mal verschmelzen diese Pole auch auf Origin. EARTHLIMB werden dadurch niemals unhörbar oder kitschig. Der Gesang von Alex Bleiziffer, das überraschend sanfte Schlagzeugspiel von Norman Lonhard ergänzt die Musik auf Origin so, dass durchaus der Eindruck einer Band und nicht eines verkopften Solokünstlers entsteht. EARTHLIMB grooven schön, verlieren sich nur so weit in ihrer Musik, wie es möglich ist, ohne den Song selbst aus dem Blickfeld zu verlieren. Dabei ist es egal, ob es sich um sanften Progressive Rock, trippige Spacerock-Ausflüge wie in dem sexy Stück Pulsar oder wie im unglaublichen Bloom Of Light handelt.
Vielleicht hätte der Gesamteindruck etwas geschlossener sein können, vielleicht hätte man den unbefangen rockenden, leichten Momenten etwas mehr Aufmerksamkeit schenken dürfen, als den epischen, pathetischen Stellen. Oceans Of Astate und The Red Tide sind zweifellos schöne Stücke, die vielleicht mit etwas mehr Zurückhaltung noch besser funktioniert hätten. Auch hätten Virtues und The Red Tide etwas mehr Ecken und Kanten vertragen, es rockt und groovt, aber so richtig umhauen wollen diese Stücke nicht. Immerhin, dank der zahlreichen Details, der dichten Instrumentierung, den dezenten Experimenten wie hier und da vorkommender Vocodergesang, den Synthesizern und vielem mehr ist genügend gegeben, um den Hörer lange zu beschäftigen. Auch die ordentliche Produktion, für die Patrick Hagmann selbst verantwortlich ist und die sehr zeitgemäß ausgefallen ist, gleichzeitig heavy und doch dynamisch-lebendig, passt sich schön der Musik an.
Der Spagat zwischen Experimenten und kleinen Epen gelingt, vor allem durch die hörbare Tatsache, dass Patrick Hagmann alle Freiheiten der Welt hat und sich diese auch nimmt. Origin ist pure, musikalische Freiheit. Selbst wenn dieses Debüt eher eine Hommage ist und weniger dem Genre bei seiner Entwicklung hilft, EARTHLIMB ist ein Album gelungen, das vor Kreativität und Spielfreude geradezu strotzt. Die ganz großen Momente finden sich nicht auf Origin, aber ich bin mir sicher, mit dieser Vision, diesen Mitstreitern und dem fliegenden Schwein auf dem Cover gelingt Hagmann noch viel mehr. Wer mal wieder eine Progressive Rock-Platte zwischen dem Gestern und dem Heute hören will, die mehr als nur schöne Songs parat hat, sollte hier unbedingt ein Ohr riskieren.
Veröffentlichungstermin: 11. Mai 2012
Spielzeit: 43:44 Min.
Line-Up:
Patrick Hagmann – Guitar, Bass, Synths, additional Drums, additional Vocals, Chimes, Metallophone, Flutes, Samples played
Alex Bleiziffer – Vocals
Norman Lonhard – Drums
Produziert von Patrick Hagmann
Label: Golden Antenna
Homepage: http://earthlimb.tumblr.com
Mehr im Netz: http://www.facebook.com/EARTHLIMB
Tracklist:
1. Origin
2. Hiding
3. Pulsar
4. Oceans Of Astate
5. The Red Tide
6. Virtues
7. Bloom Of Light
8. Waves