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Jahresrückblick 2021 von Florian Schaffer

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2021 war ein Jahr. Ich denke, darauf können wir uns zumindest alle einigen. Was zunächst hoffnungsvoll und optimistisch begann, fiel dann doch schnell in die Spuren des Vorjahres zurück. Immerhin ließ uns die Musik nicht hängen, auch wenn das Live-Erlebnis erneut viel zu kurz kam. Im zweiten Jahr der Pandemie gab es eine regelrechte Veröffentlichungsflut: Viele Bands entdeckten das EP-Format für sich, andere erlangten in der Zwischenzeit ihre verloren geglaubte Härte zurück. Neben Quantität gab es 2021 aber auch eine ganze Menge Qualität, was mich tatsächlich erstmalig vor ein kleines Dilemma stellt: Selbst in der letzten Jahreswoche ist der eigene Pile of Shame – der Stapel ungehörter, aber potenziell interessanter Alben – noch rund 20 Titel hoch.

2021 war auch das Jahr der Mini-Alben

Zunächst aber wollen wir der aktuellen Entwicklung Tribut zollen und einen Blick auf die kompakteren Releases des Jahres werfen. So viele hochkarätige EPs gab es lange nicht, weshalb die Entscheidung für lediglich eine gar nicht so einfach war. THE AGONIST haben mit „Days Before The World Wept“ etwa ihren Melodic Death Metal spürbar weiterentwickelt: Das neue Material klingt gereift und trotz zahlreicher Facetten nicht überladen. CULT OF LUNA wandelten auf sicheren Pfaden, weshalb „The Raging River“ trotz hoher Qualität am Ende nicht der ganz große Wurf war. ALL HAIL THE YETI saßen mit „Within The Hollow Earth” irgendwo zwischen Album und EP und haben mich mit ihrem Southern Metal / Sludge-Verschnitt vor allem durch eine neu gewonnene Konstanz überzeugt. Gegen Ende des Jahres hat sich dann auch noch ROPE SECTs „Proskynesis“ irgendwie in mein Herz gespielt und doch kann am Ende nur eine EP ganz oben stehen.

Die beste EP 2021

LORNA SHORE: …And I Return To Nothingnessblank

LORNA SHORE lehnen sich auf “…And I Return To Nothingness” weiter in Richtung Black Metal und bestechen dabei mit ungemein starker Melodieführung. Diesen Trend forcieren die US-Amerikaner auf den drei neuen Tracks aber nicht mit aller Gewalt, sondern nutzen die drei Stücke, um die verschiedenen Facetten des abwechslungsreichen Bandsounds zu geeigneter Zeit glänzen zu lassen. Dass man mit Will Ramos dabei auch noch einen fantastischen Nachwuchsfrontmann gefunden hat, den man am liebsten jetzt schon zu den ganz Großen zählen möchte, ist quasi die Kirsche auf der Torte. Allein die aufgeblasene Produktion ist etwas gewöhnungsbedürftig, ansonsten sind LORNA SHORE dieser Tage zu Recht in aller Munde und dabei Teil der Speerspitze im modernen (symphonischen) Deathcore.

Das beste Live-Album

MARATHONMANN: Alles auf Null
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Live-Alben waren 2021 keine Mangelware, solche mit tatsächlichem Publikum aber rar gesät. Insofern hatten MARATHONMANN von Anfang an schon einen kleinen Vorsprung. Warum „Alles auf Null“ aber selbst für Studio-Liebhaber eine essentielle Veröffentlichung ist, liegt ganz simpel in der Natur der Sache: Die Münchner präsentieren hier eine Auswahl ihrer beliebtesten Songs im Akustik-Gewand, teils aufwändig und immer mit Liebe umarrangiert, so dass Geige, Cello und Piano den Kompositionen tatsächlich neue Facetten abringen können. Selten hat ein Live-Album so viel Ehrlichkeit versprüht wie „Alles auf Null“.

Die 25 besten Alben 2021

Die besten Veröffentlichungen zu küren fällt dieses Jahr besonders schwer. Mit allein 116 Rezensionen aus der eigenen Feder und nochmal mindestens so vielen Platten, die im Verlauf der letzten zwölf Monate den Weg in die Anlage gefunden haben, kommt einiges zusammen. Das allein zu destillieren ist schon eine Mammutaufgabe. Hinzu kommt eine wahnsinnige stilistische Bandbreite; Alben, die innerhalb ihrer Nische absolut ins Schwarze treffen, aber nicht unbedingt Musik für jede Situation und Gelegenheit bieten. Wie sortiert man so etwas? Tatsächlich hat sich die persönliche Reihenfolge bis zuletzt fast täglich geändert, bis die persönliche Topliste sogar für mich selbst irgendwie seltsam war. Einigen wir uns darauf, dass es eine Momentaufnahme ist, deren Rangordnung bis auf die Spitzenposition provisorisch bleiben darf.

Den Schnitt knapp verpasst haben leider auch einige Alben, die aber nicht ganz ohne Erwähnung ausbleiben sollen. Mit DER WEG EINER FREIHEIT und „Noktvrn“ hatte ich etwa bislang schlicht zu wenig Zeit, während ANGELUS APATRIDA mit dem selbstbetitelten „Angelus Apatrida“ dann doch den Kürzeren gegen eine Reihe anderer starker Veröffentlichungen zogen. Knapp außerhalb der Top 25 landeten außerdem GRAND CADAVER mit „Into The Maw of Death“ – immerhin eines der besten Death-Metal-Debüts des Jahres – sowie „Strength“ von UNTO OTHERS, das mich trotz zu viel Hall auf dem Gesang und furchtbar getriggerter Bass Drum mit seinen starken Songs erreicht hat. Und IRON MAIDEN? „Senjutsu“ war gut, aber als Doppel-Album leider unnötig lang – hätten die Herren ein bisschen weniger herumgeeiert, wäre die Platte ein paar Plätze nach oben gerutscht. Stets auf den Punkt kommen dagegen EVERY TIME I DIE mit „Radical“, das ich leider einfach zu spät für mich entdeckt habe und nun zumindest hiermit gesondert gewürdigt werden soll.

25. SO HIDEOUS: None But A Pure Heart Can Sing
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None But A Pure Heart Can Sing” gehört zu den interessantesten Alben des Jahres, meint Kollege Christian in seiner Rezension. Ein Urteil, dem ich nur beipflichten kann, denn der Mix aus Post (Black) Metal und symphonischen Elementen, ist tatsächlich originell und kompetent umgesetzt. SO HIDEOUS gelingt somit ein spätes Highlight, das mit starkem Drumming und packendem Songwriting besticht und dank der kompakten Spielzeit nicht eine Sekunde Langeweile aufkommen lässt.

24. JINJER: Wallflowers
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Es wäre für JINJER ein Leichtes gewesen, nach dem Erfolg des Vorgängers „Macro“ (2019) die Erfolgswelle einfach weiterzureiten. Stattdessen gehen die Ukrainer mit „Wallflowers“ keinerlei Kompromisse ein, bleiben weiter fordernd und überraschend. Die Folge: Das neue Material ist sperriger als zuletzt, lässt sich kaum in eine bestimmte Schublade drücken, macht dafür aber auch keinerlei Abstriche in der Qualität. Nicht zuletzt dank des großartigen Mix also eine sichere Bank für anspruchsvollen modernen Metal im Jahr 2021.

23. AARA: Triade I: Eos
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Triade I: Eos” ist ein ungemein intensives Werk, das merkt man bereits beim ersten Kontakt. Zugegeben, die hysterischen Screams und das Schlagzeugspiel am Anschlag können anfangs einschüchternd wirken, bis dann das Songwriting seine Stärken ausspielen kann. AARA lassen ihre Songs fließen und kontrastieren die zugrundeliegende Aggressivität mit bedachter Melodieführung, was der Platte wiederum einen klaren roten Faden gibt. Kein Album für jede Tageszeit, aber zum richtigen Zeitpunkt absolut mitreißender Black Metal jenseits aller Klischees.

22. GRIMA: Rotten Garden
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In unserer Rezension wurde „Rotten Garden“ als „Wohlfühlalbum“ bezeichnet. Obschon das ausgerechnet bei atmosphärischem Black Metal etwas seltsam anmuten mag, trifft es doch den Nagel auf den Kopf. GRIMA geben sich roh und authentisch, aber dank der unaufdringlichen Keyboards sowie der warmen Leadgitarre gleichzeitig verträumt. „Rotten Garden“ ist somit einladender, als es der Name vermuten lässt – und für mich persönlich eine schöne Neuentdeckung zum Jahresanfang.

21. TRIBULATION: Where The Gloom Becomes Sound
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Where The Gloom Becomes Sound” ist auch deshalb so faszinierend, weil es derart viele Einflüsse und Genres so organisch miteinander verwebt, dass man sich fragt, ob diese ganzen Stilrichtungen nicht sogar in diesem Album ihren Anfang genommen haben. TRIBULATION machen sich Dark Rock, Post Punk und Eigenheiten des Extreme Metal zu eigen und erschaffen auf diese Weise Stücke, die jenseits aller Genre-Bezeichnungen bestehen können. „Eine Entdeckungsreise durch den Heavy Metal“, meinte Kollegin Andrea – dem ist nichts hinzuzufügen.

20. AT THE GATES: The Nightmare of Being
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Ein Album wie “The Nightmare Of Being” hatte ich AT THE GATES nicht zugetraut. Die Schweden gehen alles andere als auf Nummer sicher, sondern wagen mit nahezu jedem Track Neues. Progressive Elemente, vielschichtige Arrangements und ein mutiges Bekenntnis zum Albumformat sind gerade bei alten Hasen wie AT THE GATES keine Selbstverständlichkeit. „The Nightmare Of Being“ verzichtet dabei größtenteils auf klassische Hits und funktioniert daher am besten als geschlossenes Werk, das zusammenhängend und am Stück gehört werden will. Spätestens jetzt wissen wir: Auch im Melodic Death Metal dürfen Ketten gesprengt werden.

19. CONVERGE & CHELSEA WOLFE: Bloodmoon: I
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Auch “Bloodmoon: I” ist eines dieser Alben, die ich 2021 viel zu spät für mich entdeckt habe und mit denen ich gerne noch mehr Zeit gehabt hätte. Die Kollaboration von CONVERGE und CHELSEA WOLFE hat jedenfalls einen ganz eigenen Charme, dem man in der richtigen Stimmung nur schwer entkommen kann. Es gibt in diesen 58 Minuten wahnsinnig viel zu entdecken, von geheimnisvollen Passagen bis hin zu dramatischen Ausbrüchen. „Bloodmoon: I“ ist ein Album, das Zeit möchte und erforscht werden will – warum nicht auch abends mit einem Glas Wein?

18. PRAISE THE PLAGUE: The Obsidian Gate
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PRAISE THE PLAGUE entführen uns mit “The Obsidian Gate” an einen Ort, an den kein Sonnenstrahl zu dringen vermag. Zwischen Black Metal, Doom und Sludge entfalten sich bisweilen erdrückende Riffbollwerke und eine geradezu ausweglos anmutende Grundstimmung. Diese erdrückenden Klanglandschaften sind es, die mich immer wieder zu diesem Album zurückgeholt haben – am besten mit Kopfhörern und bei minimaler Illumination.

17. ARCHSPIRE: Bleed the Future
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Ich gebe offen zu, dass ich die Kanadier dieses Jahr gar nicht auf dem Schirm hatte und ursprünglich ob der vielen positiven Rezensionen nur aus Neugier dann doch mal reingehört habe – wo mir ARCHSPIRE dann gehörig den Kopf gewaschen haben. „Bleed The Future“ ist eines dieser ganz seltenen Alben, die auf der einen Seite ungemein technisch und heavy daherkommen, aber gleichzeitig doch irgendwie durch kluges Songwriting einen überraschend einfachen Zugang bieten. Transparent produziert gibt es in einer guten halben Stunde sowohl die instrumentale Vollbedienung als auch jede Menge zu entdecken. Starkes Teil!

16. LANDMVRKS: Lost In The Waves
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Mit einer guten halben Stunde bleibt „Lost In The Waves“ knackig und bietet doch an jeder Ecke Schauwerte. LANDMVRKS packen in die kompakte Spielzeit so viele Ideen, dass die Platte tatsächlich wie im Flug vergeht: Hardcore-Abriss trifft auf zuckrige Refrains, Indie Rock, Metalcore-Geballer und sogar Sprechgesang. In mancherlei Hinsicht ist „Lost In The Waves“ daher ein Lehrstück in Sachen Modern Metalcore, eben weil das Album durchgehend Mut beweist.

15. OBSCURA: A Valediction
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Dass OBSCURA trotz massiver Besetzungswechsel eine Konstante bleiben würden, hat mich kaum überrascht, auch weil das neue Line-Up zum Großteil aus Band-Veteranen besteht. „A Valediction“ ist dementsprechend all das, was man von einem Album der Progressive Death Metal-Band erwarten würde. Einzig mit der Produktion kann ich mich nicht ganz anfreunden, da hat mir V. Santuras Arbeit auf den letzten vier Platten persönlich mehr zugesagt. In puncto progressivem Extrem-Metal bleiben OBSCURA dennoch eine Bank.

14. ERRA: Erra
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Würde man den Sound ERRAs auf ein möglichst knappes Label herunterbrechen, käme wohl Progressive Metalcore dabei heraus. Entsprechende Referenzen findet man auf dem selbstbetitelten fünften Album ständig; was die Band derweil aus ihren Einflüssen macht, steht hingegen auf eigenen Beinen. „Erra“ balanciert zwischen Brachialgewalt und Finesse, was die Platte zu einem der interessantesten Genre-Beiträge des Jahres macht.

13. MASTODON: Hushed And Grim
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Mit den letzten Alben MASTODONs bin ich leider nie so richtig warm geworden. „Crack The Skye“ (2008) und „Leviathan“ (2004) sind für mich persönlich nach wie vor die Höhepunkte der Diskografie, auch weil sich die Band nach „The Hunter“ (2011) musikalisch etwas von mir entfernt hat. „Hushed And Grim“ hat mich dieses Jahr allerdings wieder eingefangen, wenngleich es für mich nicht immer einfach war, den Zugang zu finden. Dafür bietet das überbordende – und vielleicht auch etwas zu lange – Werk ganze Klanglandschaften zu erforschen. Man muss sich allerdings auch die Zeit nehmen.

12. SOEN: Imperial
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Müsste ich einen Kritikpunkt an SOENs „Imperial“ anmerken, dann wäre das wahrscheinlich der sehr homogene Charakter des Albums. Genau diesen Aspekt kann man aber genauso gut als Stärke auslegen: Das Album klingt nüchtern, ernst und wie aus einem Guss. Weil SOEN dabei immer wieder klasse Gesangslinien und vor allem abwechslungsreiches Drumming (Martin Lopez!) aus dem Ärmel schütteln, bleibt das Material bis zum Schluss packend. „Imperial“ ist ein melancholisches Prog-Album voller Hits – muss man auch erstmal schaffen.

11. LEPROUS: Aphelion
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Man merkt „Aphelion” die musikalische Nähe zum Vorgänger „Pitfalls“ (2019) an. Vielleicht könnte man auch sagen, dass dem neuen Album die markanten Hits fehlen. Als Gesamtwerk überzeugt mich „Aphelion“ nach anfänglichen Berührungsschwierigkeiten aber mittlerweile sogar ein wenig mehr, auch weil die Atmosphäre der Platte geradezu magisch anziehend wirkt. Den experimentellen Facetten wird so der ideale Nährboden gegeben, was in einem harmonischen, tiefgründigen und letztlich auch berührenden Prog-Werk resultiert, wie es nur LEPROUS können.

10. ICE NINE KILLS: The Silver Scream 2: Welcome To Horrorwood
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Mit ihrem Horror-Sequel “The Silver Scream 2: Welcome To Horrorwood” beweisen ICE NINE KILLS Liebe zum Detail und ein Gespür für Hits, das selbst im Mainstream-Metalcore keine Selbstverständlichkeit ist. Die US-Amerikaner verbinden eingängige Gesangslinien mit wahnsinnigen Ausbrüchen, Samples und Breaks an jeder Ecke. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass auf „The Silver Scream 2“ eine ganze Menge los ist: Tempowechsel, Theatralik, Genre-Springerei. Das stößt natürlich nicht überall auf Gegenliebe, war für mich 2021 aber der ideale Kandidat, um das Verlangen nach furiosem Metalcore und Easy-Listening gleichzeitig zu bedienen.

9. SPIRITBOX: Eternal Blue
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SPIRITBOX sind bereits ein paar Jahre unterwegs und doch darf man sie gerne als einen der Newcomer des Jahres aufzählen: Auf ihrem Debütalbum „Eternal Blue“ kondensieren die Kanadier modernen Progressive Metal in knackige Strukturen und formen so einen Sound zwischen Prog, Modern Metal und Metalcore, der nicht nur dank der charismatischen Frontfrau Courtney LaPlante einen eigenen Charakter entwickelt. SPIRITBOX wirken daher schon auf dem Debüt wie eine komplette Band, die mit „Circle With Me“ außerdem den (Modern) Metalcore-Hit des Jahres veröffentlicht hat.

8. HANNES GROSSMANN: To Where The Light Retreats
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Wer hätte gedacht, dass komplexer, technischer und progressiver Death Metal so zugänglich sein kann? Drummer HANNES GROSSMANN unterstreicht mit „To Where The Light Retreats“, warum er gleichzeitig ein ausgezeichneter Songwriter ist. Obwohl das Album fordert, steht immer der Song im Vordergrund, während alle progressiven Spielereien zugleich wie die leichteste Übung erscheinen. „To Where The Light Retreats“ ist eines dieser Werke, das ohne Label im Rücken 2021 zu Unrecht etwas unter dem Radar geflogen ist.

7. WALDGEFLÜSTER: Dahoam
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Vielleicht spielt die geografische Nähe mit rein, dass mich „Dahoam“ atmosphärisch wie textlich ziemlich schnell abgeholt hat. Die Liebeserklärung an die bayerische Heimat balanciert zwischen verträumter Romantik sowie Nostalgie und verpackt das Ganze in stimmigen und abwechslungsreichen Atmospheric Black Metal. Klar gesungene Passagen haken sich schnell im Ohr fest, während sich die epischen, furiosen Kompositionen nach und nach entfalten. WALDGEFLÜSTER vermeiden dabei Kitsch, sondern wecken auf authentische Weise Lust auf Natur, Berge und ausgedehnte Wanderungen im Alpenraum.

6. IOTUNN: Access All Worlds
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Access All Worlds” ist ein Koloss von einem Album; eine fantastische Symbiose aus Prog, Power, Death und etwas Doom Metal, die sich ihren eigenen Weg durch den Extrem-Metal bahnt. Dank Ausnahmesänger Jón Aldará bleiben IOTUNN schon nach dem ersten Aufeinandertreffen im Gedächtnis, denn wie bei seiner Hauptband HAMFERD vermag es der Mann mit der markanten Singstimme, uns den einen oder anderen Schauer über den Rücken zu jagen. Spektakulär.

5. DEVIL SOLD HIS SOUL: Loss
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DEVIL SOLD HIS SOUL sind achteinhalb Jahre nach “Empire of Light” (2012) ihren Stärken treu geblieben und schaffen einmal mehr den Spagat zwischen Melancholie und Optimismus, ohne sich die Welt schön zu malen. “Loss” ist ein Album zum Versinken, zum Träumen und zum Nachdenken. Schön, dass die Briten auch nach mehrjähriger Funkstille und mit zwei Sängern im Gepäck noch genauso mitreißen können wie früher.

4. HARAKIRI FOR THE SKY: Maere
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Am Stück gehört habe ich „Maere“ im vergangenen Jahr nicht immer. Dafür ist die Spielzeit mit 84 Minuten einfach zu ausladend, obwohl das Gesamtwerk an sich funktioniert: HARAKIRI FOR THE SKY bieten genug Abwechslung und Tiefe, um Langatmigkeit zu umschiffen; das Songmaterial fließt und eignet sich besonders gut für Spaziergänge durch trübe herbstliche Landschaften. Dass auch die individuellen Tracks für sich allein stehen können, ist darüber hinaus ein netter Bonus, der dafür gesorgt hat, dass HARAKIRI FOR THE SKY in regelmäßigen Intervallen immer wieder ihren Weg zurück in die heimische Anlage gefunden haben. Konstanz und Qualität sprechen in diesem Fall für sich.

3. MARIANAS REST: Fata Morgana
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Mit ihrem melodischen Doom-Death verlassen sich MARIANAS REST eigentlich auf erprobte Stilmittel. Die Rechnung geht allerdings auf, da “Fata Morgana” bei Atmosphäre und Melodieführung punkten kann. Auch deshalb sind die Finnen für mich eine besonders liebgewonnene Neuentdeckung im Jahr 2021, deren düster-bedrückende Grundstimmung regelrecht unter die Haut geht.

2. TRIVIUM: In The Court Of The Dragon
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Es fehlt nicht an Kreativität: Auf “In The Court Of The Dragon” zeigen TRIVIUM ein komplett neues Selbstverständnis ihres modernen Thrash Metal, indem sie unbekümmerte Wildheit mit Routine und Erfahrung in Einklang bringen. Zu verdanken ist das auch dem klasse Drumming von Alex Bent: Allein der furiose Titeltrack war einer meiner meistgehörten Songs des Jahres. Dass TRIVIUM mit „In The Court Of The Dragon“ in meiner persönlichen Topliste am Ende gar so weit oben landen würden, hat mich am Ende des Tages selbst überrascht – letztendlich aber durchaus verdient für einen Dauerbrenner, der nicht immer Maßstäbe setzt, gleichzeitig allerdings stets auf hohem Niveau agiert.

1. BETWEEN THE BURIED AND ME: Colors II
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Was für ein Album. Mit dem Sequel des Meilensteins “Colors” (2007) fahren BETWEEN THE BURIED AND ME alle Geschütze auf: Indem sie Wendungen und Stilbrüche zum Teil eines großen Ganzen werden lassen, finden sie trotz überbordender Kreativität einen Weg, den roten Faden leuchten zu lassen. „Colors II“ ist ein meisterliches Sequel, das vollgepackt ist mit Kreativität, Eastereggs und Querverweisen – alle Details und Entdeckungen aufzuzählen könnte vermutlich eine eigene Dissertation füllen. Aber mal ehrlich, alles andere wäre eines „Colors“-Nachfolgers auch unwürdig gewesen.

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ARCHITECTS: For Those That Wish To Exist
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Auf “For Those That Wish To Exist” entledigt sich die Metalcore-Größe vieler ihrer Trademarks und verlässt das Genre ein Stück weit in Richtung Modern Metal. Das Resultat ist nicht unbedingt ein schlechtes Album, aber eines, das weit unter den Möglichkeiten von ARCHITECTS liegt. Die Briten wandeln 2021 lieber auf erschlossenen Pfaden anstatt das Genre weiter als Speerspitze anzuführen. Das ist ein Jammer, da ARCHITECTS weit mehr können, als das streckenweise generische „For Those That Wish To Exist“ zeigen will.

LORD OF THE LOST: Judas
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Man könnte fast meinen, der Trend ginge hin zu immer längeren und umfassenderen Werken, so viele Doppelalben und Platten mit Überlänge wie mir dieses Jahr untergekommen sind. Auch LORD OF THE LOST versuchen sich an einem ambitionierten Konzept im Mammut-Format. „Judas“ ist dabei alles andere als ein Reinfall, aber kann sein Potenzial leider nicht annähernd ausschöpfen. Die Gothic Metal-Band setzt zu oft auf die immergleichen Stilmittel, die zudem nicht immer ganze Songs tragen können. Daher bleibt das Material zu gleichförmig und für 104 Minuten Spieldauer auch zu ruhig – wo sind die Kontraste, wo sind die Ausbrüche? Ein Doppelalbum, das keines hätte sein müssen.

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Allzu viel war leider nicht los, aber ein paar Konzerte konnte ich glücklicherweise dennoch mitnehmen.

MARATHONMANN am 19.11.2021 in der Backstage Halle, München
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Ganz vorne mit dabei war 2021 das Jahresabschlusskonzert von MARATHONMANN, allein schon deshalb, weil es dank 2G+ mein erstes und einziges Konzert in diesem Jahr war, das komplett ohne sonstige Auflagen auskommen durfte. Kein Abstand, keine Masken, keine Sitzplätze – aber dafür eine gut aufgelegte Band, ein wahnsinnig feierfreudiges Publikum und eine starke Setlist. Eine Live-Show, wie sie früher einmal war.

WALDGEFLÜSTER am 25.09.2021 im Backstage Werk, München
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Die komplette Show mit HARAKIRI FOR THE SKY, KARG und BALD ANDERS halte ich in guter Erinnerung. Den Gig von WALDGEFLÜSTER habe ich stellvertretend herausgepickt, weil es mich an einer Stelle besonders gepackt hat. Nach der Ära der Sitzkonzerte gab es unter Einhaltung der Maskenpflicht endlich wieder die Möglichkeit, direkt vor der Bühne zu stehen. Welche Magie Live-Musik in Verbindung mit der richtigen Lightshow ausüben kann, traf mich dann, als WALDGEFLÜSTER “In da Fuizn” vom aktuellen Album “Dahoam” (2021) anstimmten. Bei dem Songs stimmte einfach alles: Atmosphäre, visuelle Untermalung und Performance der Band – hoffen wir, dass 2022 diese intensiven Augenblicke wieder regelmäßiger zulässt.

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Die beiden Wanderurlaube im Schwarzwald und der sächsischen Schweiz sowie die Entscheidung, die Haare komplett abzurasieren – ein bisschen Überwindung hat das schon gekostet – und sonst war ja 2021 nicht allzu viel los, das an dieser Stelle erwähnenswert wäre.

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Alle Individuen und Medien, die sich wider jede Vernunft gegen die Wissenschaft positionieren.

Außerdem natürlich die zahlreichen Festivals und Konzerte, die aufgrund der weiter anhaltenden Situation abgesagt werden mussten.

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Zum Abschluss gibt’s wie jedes Jahr eine Reihe willkürlicher Auszeichnungen meinerseits.

Bestes Albumcover: TRIVIUM: In The Court Of The Dragon

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Albumcover Sonderpreis: SANDSTORM: Desert Warrior

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Meistgehörter Song: LORNA SHORE – …And I Return To Nothingness

Beste Eigenproduktion: HANNES GROSSMANN: To Where The Light Retreats

Bester Newcomer: GRAND CADAVER

Überraschendstes “Comeback”: THE HALO EFFECT

Bestes Comeback: GIZMACHI: Omega Kaleid

Heimatlichste Atmosphäre: WALDGEFLÜSTER: Dahoam

Bestes Drama: GLORYHAMMER / ALESTORM und der geleakte Chat + Split mit Angus McFife

Beste Neuaufnahme / Bestes Re-Release: AUGUST BURNS RED: Leveler: 10th Anniversary Edition

Bestes Gimmick: IMMINENCE (Violine)

Beste Social-Media-Präsenz: NEKROGOBLIKON („Right Now!“, Staffel 4)

Beste Choreo: ESKIMO CALLBOY – „Pump It

Bester Songtitel: GRAND CADAVER – „World Mausoleum”

Bester Mix: JINJER: Wallflowers

Größter Internet-Hype: SPIRITBOX

Nerdigstes/Bestes Textkonzept: STORMRULER: Under The Burning Eclipse

Dämlichster Trend: Kassetten und Vinyl in 35.000 Farben

Größte Echokammer: All die YouTube-“Reaction Channels”, die jeden Song abfeiern als wäre es die größte musikalische Errungenschaft seit Beethoven und dabei zum reinen Marketing-Instrument der Labels werden.

Beste Gesangsperformance (extrem): Will Ramos (LORNA SHORE)

Schlechteste Gesangsperformance (extrem): Steve Souza (EXODUS)

Beste IN FLAMES-Imitation: EYES WIDE OPEN: Through Life And Death

Metal of Honor: Keith Buckley (EVERY TIME I DIE), der allen Konzertbesuchern mit Handicap seine persönliche Hilfe angeboten hat, um für sie einen reibungslosen Konzertabend zu ermöglichen.

Fleißigster Gastsänger: Björn „Speed“ Strid (SOILWORK, THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA)

Härtester Breakdown: LORNA SHORE – “To The Hellfire

Bestes Brettspiel: Bloodborne the Board Game (2021)

Beste Videospiele: 1. The Last Guardian (2016), 2. Alien Isolation (2014), 3. Yakuza 0 (2015)

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