NEVERMORE: Enemies of Reality

NEVERMORE können kein schlechtes Album machen, denn dazu ist ein durchschnittlicher Song der Band schon viel zu gut. Ein Höhepunkt in der Geschichte von NEVERMORE ist "Enemies of Reality" aber nicht geworden.

Wäre Enemies of Reality vor fünf Jahren erschienen, ich glaube ich wäre kniend vor den Boxen gelegen. Im Jahre 2003 haut mich die neue NEVERMORE aber leider nicht ganz so von den Socken wie ich mir das wieder einmal erhofft habe. Als Fan der ersten Stunde und Verfechter der These, dass NEVERMORE gar kein schlechtes Album veröffentlichen können, fällt es mir verdammt schwer das zuzugeben: aber ehrlich gesagt bin ich ein klein wenig enttäuscht.

Die bisherige Karriere der Band betrachtend war jedes neue Album genau der richtige nächste Schritt. Sich selbst stets treu bleibend bereitete die Band mit jeder Veröffentlichung den Fans den Weg auf dem diese mit dem entsprechenden Willen der Band folgen konnte, um nun – so scheint es fast – am Ziel angekommen zu sein. Oder ist Enemies of Reality nur eine kurze Atempause, ein Ort, an dem man sich umdreht, den zurückgelegten Pfad Revue passieren lässt um dann mit neuer Energie weiter zu gehen?

NEVERMORE haben mit ihrem neuen Album genau diesen Blick nach hinten getan. So wirkt Enemies of Reality fast wie eine Mischung aus Dead Heart in a Dead World und Politics of Ecstasy – ein ewiger Meilenstein in der Geschichte dieser Ausnahmeband. Der heiß ersehnte nächste Schritt bleibt in meinen Augen allerdings aus. NEVERMORE haben definitiv ihren Sound gefunden und arbeiten nun auf diesem Level weiter – leider aber mit der Konsequenz, dass sich zumindest bei mir das Gefühl einschleicht, das meiste auf diesem Album schon einmal von dieser Band gehört zu haben. Zwar haben die Jungs alles andere getan als das Erfolgsrezept des fantastischen letzten Albums zu kopieren, auch wenn vor allem die beiden Balladen (bzw. die eine und die halbe) Tomorrow turnded into yesterday und Who decides darauf schließen lassen könnten, sind sie doch sehr im Stile der letzten gehalten (und somit einfach wunderschön!). Ansonsten hat man allerdings noch mal ganz schön an Härte zugelegt und die Ankündigungen von Warrel Dane, teilweise fast schon die Death Metal Grenze durchbrochen zu haben, sind wirklich alles andere als gehaltlos. Dabei wirken Songs wie Ambivalent oder Create the infinite einerseits mehr auf den Punkt, als es zum Beispiel beim Politics-Album der Fall war, gleichzeitig erscheint aber vieles komplexer und sperriger. Ein einfaches Album, das direkt in die Fresse geht ist auch Enemies of Reality nicht geworden. Es geht zwar in die Fresse, der Gegner wird dabei allerdings nicht nur mit einem sauberen Schlag umgehauen, sondern lässt diesen erstmal völlig verdutzt dreinblicken, nicht wissend, was ihn denn da eigentlich gerade umgerammt hat. Bestes Beispiel hierfür: mein Lieblingssong Seed Awakening – das Stück geht mit voller Wucht los, überrascht dann aber mit völlig unerwarteten Wendungen und Drehungen, dass es schon einige Durchläufe braucht, bis man ihn so richtig genießen kann. Das kennt man ja aber auch von NEVERMORE und mit den Drehungen und Wendungen ist es über die gesamte Länge von Enemies of Reality leider so, dass die Band nur ganz selten überraschen kann und das ist genau das, was mir auf dem neuen Werk der Band fehlt. Die wirklich großen Ideen bleiben aus, vielmehr kommt das ganze stark aus dem Bauch heraus.

Was die Texte angeht, so gibt es auch hier keine großen Überraschungen zu vermelden. Warrel Dane geht diesmal wieder sehr auf persönliche Gedanken ein, ohne dabei auf spezielle Ereignisse der Weltgeschichte aufzubauen, womit Enemies of Reality insgesamt einen philosophischeren Anstrich verpasst bekommen hat. Bestimmte Themen ziehen sich durch das ganze Album, ohne aber wirklich ein Konzept zu verfolgen und zum Teil kommt es mir fast schon vor, als wäre dieses Werk lyrisch so ziemlich das negativste der gesamten NEVERMORE-Discographie – der Ton macht eben die….Lyrics, es scheint doch, dass sich Warrel Dane sehr stark von der Aggressivität der Kompositionen hat beeinflussen lassen.

Die These bleibt: NEVERMORE können kein schlechtes Album machen, denn dazu ist ein durchschnittlicher Song der Band schon viel zu gut. Ein Höhepunkt in der Geschichte von NEVERMORE ist Enemies of Reality aber nicht geworden.

Veröffentlichungstermin: 28.07.03

Spielzeit: 40:55 Min.

Line-Up:
Warrel Dane – Vocals

Van Williams – Drums

Jim Sheppard – Bass

Jeff Loomis – Guitar

Produziert von Kelly Gray
Label: Century Media

Hompage: http://www.nevermore.tv

Tracklist:
1. Enemies of Reality

2. Ambivalet

3. Never Purify

4. Tomorrow turned into yesterday

5. I, Voyager

6. Create the Inifinite

7. Who Decides

8. Noumenon

9. Seed Awakening

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