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COHEED AND CAMBRIA, THE MAPLE ROOM: Vk, Brüssel, 20.01.2008

Trotz einer etwas gewöhnungsbedürftigen Songabfolge war es aber ein unterhaltsamer Konzertabend im kleinen Rahmen mit einer sehr gut aufgelegten Band, die spielfreudig und sympathisch agierte.

Die Entstehungsgeschichte von COHEED AND CAMBRIA ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Ich bin beispielsweise immer noch fest davon überzeugt, dass alles damit begann, dass an einer Kreuzung der RUSH-Tourbus, der Kombi einer Punkrockkappelle, das Fahrzeug einer IRON MAIDEN-Coverband sowie ein mobiles Gen-Versuchslabor zusammenstießen. Diesen Eindruck verstärkte auch der jüngste Auftritt in Brüssel im Rahmen der Tour zum aktuellen Album No World For Tommorow.

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Tieftonmassage, bei der Potenzial durchschimmerte: THE MAPLE ROOM

Die Vorband THE MAPLE ROOM spielte lupenreinen Emo-Core. Leider ging der cleane Gesang von Sänger Jef Van Doninck im Soundbrei unter. Man konnte erahnen, dass in den Liedern zwischen den Abgehparts immer wieder tolle Melodien versteckt waren. Der erste Eindruck war jedoch rein physikalischer Natur: Lärm. Nach zwei Minuten war es kurz still und das erste Lied vorbei. Dann ging es weiter und wurde nur wenig besser. Der für den Brüllgesang verantwortliche Bassist sah einfach nur unglaublich brav aus, ging während der Songs aber plötzlich in einen Energie-Modus und war kaum noch zu halten. Seinen Bass behandelte er eher wie eine Gitarre, so dass man durch die laut abgemischten tiefen Frequenzen in den fragwürdigen Genuss einer Ganzkörper-Massage kam. Die Gitarren kochten an den Bühnenränder ihr jeweiliges Süppchen und fielen nicht groß auf, obwohl gerade bei den brachialen Stellen die Riffs sehr präsent waren. Nach einer guten halben Stunde war der Spuk (und der damit verbundene Höflichkeitsapplaus) vorbei und die stilistisch ähnliche Pausenmusik aus der Konserve erinnerte einen daran, dass die Musik von THE MAPLE ROOM in einem ordentlichen Soundgewand sicher auch ihren Reiz hat.

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War in blendender Verfassung: COHEED AND CAMBRIA-Frontmann Claudio Sanchez

Als COHEED AND CAMBRIA schließlich die Bühne betraten, war der Saal mit schätzungsweise 200 Nasen zwar nicht ausverkauft, aber doch ordentlich gefüllt. Auch in der hinteren Hälfte der geräumigen Bühne wird es eng: Denn neben Neuzugang Chris Pennie am Schlagzeug tummelten sich dort noch ein Keyboarder und zwei Sängerinnen. Klangtechnisch stand jedoch eindeutig die Kernband im Vordergrund, wobei die Aussteuerung glücklicherweise wesentlich besser ausfiel als bei THE MAPLE ROOM. So kam auch das detailreiche Zusammenspiel der beiden Gitarren bestens zur Geltung. Die Rhythmusgruppe überzeugte durch Spielwitz und Groove und der erstaunlich kraftvolle Gesang von Claudio Sanchez verlieh den Stücken den typischen COHEED AND CAMBRIA-Touch. Praktisch ansangenfrei spielte sich die Band so durchs Programm, das aus einer ausgewogenen Mischung der letzten Alben bestand. Nummern der neuen CD No World For Tommorow wurden reibungslos integriert, wobei der Opener und Titeltrack sowie die Single The Running Free positiv herausstachen. Die Band muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass die Musik nach einer Weile ziemlich gleichförmig klang, zumal die epischeren Stücke ganz am Anfang bzw. am Schluss standen und ruhigere Nummern wie Wake Up außen vor gelassen wurden.

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Die zweite Hälfte der COHEED AND CAMBRIA-Gitarrenfront: Travis Stever

Es spricht für die Band, dass man jederzeit seine Aufmerksamkeit auf einzelne Instrumente richten kann, um dort Einzelheiten auszumachen, die COHEED AND CAMBRIA von den meisten anderen Bands abheben. Gleichzeitig wird rigoros auf Proggefrickel verzichtet. Die Band hat auch so ihr Publikum gefunden, selbst wenn es in Brüssel relativ überschaubar war. Die Anwesenden waren jedenfalls ausgelassen und hatten eine gute Zeit. Die hatte auch die Band, als sie zwischendurch The Trooper von IRON MAIDEN anstimmte. Claudio Sanchez und Travis Stever sangen jeweils eine Strophe und grinsten dabei über beide Backen. Wie auch sonst war der weibliche Hintergrundgesang hier eher ein Klangtupfer. Die Keyboards pausierten, wobei sie der Lautstärke nach ohnehin lediglich bei der letzten Zugabe eingesteckt waren.

Den Zugabenblock eröffnete Welcome Home, wobei der Stimmungspegel erwartungsgemäß nach oben schnellte. Statt die freigesetzte Europhie auszunutzen, verwandelten COHEED AND CAMBRIA das an- bzw. abschließende The Final Cut in einen ausufernde Solo-Orgie, wie sie DEEP PURPLE zu ihren besten Zeiten zelebrierten. Sanchez und Stever führten mit ihren Gitarren ein viertelstündiges Zwiegespräch, das im Flüsterton begann und damit endete, dass Sanchez in die Tonabnehmer seines Instruments brüllte. Das Publikum beobachtete das Treiben, war dann aber doch irritiert, als anschließend die beiden Derwische die Bühne verließen und erst am Keyboard und dann am Schlagzeug ebenfalls ausführlich soliert wurde. Das hätte bestenfalls im Mittelteil des Konzerts eine nette Auflockerung dargestellt. Doch auch das gemeinsame Finale täuschte nicht darüber hinweg, dass das Konzert nicht mit einem Paukenschlag endete, sondern nach insgesamt etwa 100 Minuten Spielzeit eher gemütlich ausklang, so dass dann auch weitere Zugaberufe ausblieben.

Trotz der etwas gewöhnungsbedürftigen Songabfolge war es aber ein unterhaltsamer Konzertabend mit einer sehr gut aufgelegten Band, die in dieser Form mühelos vor größeren Kulissen bestehen könnte, aber eben auch im kleinen Rahmen spielfreudig und sympathisch agierte.

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Die Setlist von COHEED AND CAMBRIA
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