ASIA, THE HOOTERS: Winterbach, Zeltspektakel, 20.07.2007

Ermüdungserscheinung jedweder Art? Fehlanzeige! Die HOOTERS rockten das Zelt und ASIA (in Originalbesetzung) boten eine abwechslungsreiche Mischung aus Pop, Rock und Progrock.

Es dürfte ein gutes Zeichen sein, wenn man beim besten Willen nicht weiß, mit welchem der vielen möglichen Aufhänger man einen Konzertbericht beginnen soll. Vorab sei deshalb das Engagement der ehrenamtlichen Organisatoren erwähnt, die vor den Toren Stuttgarts ein mehrtägiges Zeltspektakel auf die Beine gestellt haben, das sich in keinster Weise vor anderen Großveranstaltungen verstecken braucht. Gleichzeitig hat sich die Veranstaltung eine gemütlich-gesellige Atmosphäre bewahrt. So begann der Abend dann auch Punkt 20 Uhr mit einer kurzen Begrüßung durch den Vorsitzenden der örtlichen Kulturinitiative Rock Steffen Clauss und SWR1-Moderator Michael Lehmann, bei der man merkte, dass die Leute hinter den Kulissen den Auftritten ebenso entgegenfieberten wie die schätzungsweise 2000 Besucher im gut gefüllten Zelt.

Eric
Eric Bazilian (THE HOOTERS) demonstrierte eindrucksvoll, dass man mit so ziemlich jedem Instrument abrocken kann – nicht nur wie hier im Bild mit einer gewöhnlichen E-Gitarre.

THE HOOTERS – softe Radiomucke für Nostalgiker? Wer so denkt, hat das Quintett aus Philadelphia noch nie live erlebt. Auch das neue Album Time Stand Still, das im September erscheint, auf Tour aber bereits erhältlich ist, fängt die Liveenergie nur unzureichend ein, zumal die Band darauf besinnlicheren Stücken den Vorrang gelassen hat. Auf der Bühne ist die Band aber ungebrochen eine Macht. Nach einer kurzen Aufwärmphase zog sie das Publikum mit einer rockigen Version von Time After Time, welches Keyboarder Rob Hyman einst mit Cyndi Lauper geschrieben hatte, auf ihre Seite. Day By Day, Fightin´ On The Same Side und 500 Miles folgten auf dem Fuß und brachten das Zelt zum Kochen. Bis in die hintersten Reihen wurde mitgesungen und -geklatscht. Die Mischung aus eingängigen Songs, leidenschaftlichem Auftreten und tollem, meist mehrstimmigem Gesang war absolut mitreißend. Alle fünf Musiker hatten offensichtlich einen Heidenspaß, jeder auf seine Art. Bandkopf Rob Hyman machte zwar dieselben Gesten wie immer, hatte aber stimmlich einen sehr guten Tag erwischt und nutzte die Bühne, wann immer er sich ein Akkordeon umschnallte. Eric Bazilian (Gesang, Gitarre, Mandoline, Mandola, Mundharmonika, Blockflöte) war die Spielfreude in Person. Sein Kollege John Lilley (Gitarre, Mandoline, Keyboard) war ebenfalls bestens aufgelegt und wirbelte ohne Unterlass über die Bühne. Daneben wirkte Bassist Fran Smith Jr. fasst schon wie ein Ruhepol. Aber auch in seinen Augen brannte das Feuer des Rock und zusammen mit Schlagzeuger Dave Uosikkinen verschmolz er zu einem kraftvollen Rhythmuspaket. Der Sound war bestens ausgesteuert; zugegeben sehr laut, aber nicht dröhnend.

Zwischendurch stellten die HOOTERS noch einige Stücke ihres neuen Albums vor, darunter das eher nachdenkliche Until You Dare (ursprünglich auf Bazilians Solo-Album The Optimist erschienen) und eine tolle, hooterisierte Version von Boys Of Summer (im Original von Don Henley). Das Publikum nahm das Material sehr gut auf und nicht wenige dürften im Anschluss an den Auftritt die neue CD gekauft haben. Die Höhepunkte des Konzerts sollten jedoch erst noch folgen. Twenty-Five Hours A Day brachte Band und Publikum wieder auf Betriebstemperatur, so dass reichlich Schweiß floss. Die euphorische Stimmung steigerte sich bei Johnny B abermals. Alle sangen aus voller Kehle mit. Ermüdungserscheinung jedweder Art? Fehlanzeige!

John
Die Spielfreude von John Lilley (THE HOOTERS) kannte keine Grenzen.

Wäre an dieser Stelle Schluss gewesen, hätte man bereits von einem überzeugenden Auftritt sprechen können. Doch die Band machte weiter. All You Zombies war ein Musterbeispiel in Sachen Dynamik und Epik bei Popsongs, Karla With A K wurde einfach nur abgefeiert, Satellite war ebenso kraftvoll wie mitreißend und And We Danced beschloss den Reigen mit viel Schwung. Die meisten Fans, die wegen ASIA gekommen waren, jubelten gemeinsam mit den ohnehin restlos begeisterten HOOTERS-Fans. Keine Frage, hier bedurfte es einer Zugabe. Die begann mit dem vielleicht besten neuen Song, Catch Of The Day. Mit BEATLES-Flair und einem flotten Tempo überzeugte das Stück auf ganzer Linie. Anschließend stimmte Eric Bazilian One Of Us an, jener Song von Joan Osborne, der ihm einst eine Grammy-Nominierung einbrachte. Statt E-Gitarren gab es hier ein Mandola-Intro, das verdächtig nach METALLICAs Fade To Black klang. Akustik-Gitarre und Akkordeon gesellten sich nach und nach dazu und die zweite Hälfte sang Eric gar auf Deutsch. Hier lag wahrlich Magie in der Luft! Free Again musste danach zwangsläufig etwas abfallen, steigerte sich jedoch im Verlauf zu einem würdigen Abschluss. Die Band verbeugte sich und verließ unter tosendem Applaus die Bühne.

THE
THE HOOTERS: Dave Uosikkinen, John Lilley, Rob Hyman, Fran Smith Jr., Eric Bazilian.

Kaum war die Bühne leer, erschallten erneut Zugabe-Rufe – und zwar in einer ausgenommen hohen Lautstärke! Die Roadies mussten sich deshalb noch etwas gedulden und die HOOTERS kehrten für ein weiteres Lied zurück, South Ferry Road. Auf halbem Weg streuten sie noch einen Ausschnitt von Brother Don´t You Walk Way ein und als die letzte Note schließlich verklungen war, zeigte die Uhr bereits kurz vor 22 Uhr an.

Setlist THE HOOTERS
I´m Alive
Time Stand Still
Time After Time
Day By Day
Fightin´ On The Same Side
Graveyard Waltz (slight return)
500 Miles
Until You Dare
Where The Wind May Blow
The Boys Of Summer
Twenty-Five Hours A Day
Johnny B
All You Zombies
Karla With A K
Satellite
And We Danced
Catch Of The Day
One Of Us
Free Again
South Ferry Road / Brother Don´t You Walk Away

In der Umbaupause leerte sich das Zelt bis auf einige wenige Leute. Nach einem derart Schweiß treibenden Auftritt galt es, Sauerstoff und Flüssigkeit zu tanken. (Zudem herrschte im Zelt Rauchverbot.) Eine Weile sah es fast so aus, als ob ASIA vor leeren Rängen spielen müssten. Doch zu den Klängen des Intros füllte sich das Zelt wieder. Dann betraten auch die vier Gründungsmitglieder von ASIA, Geoff Downes, John Wetton, Steve Howe und Carl Palmer, die Bühne.

Steve
Optisch eine Mischung aus Emmett Brown (dem Professor aus Zurück in die Zukunft) und einem Buchhalter im Ruhestand, musikalisch ein Gitarrengenie: Steve Howe.

Bereits der Opener Sole Survivor zeigte, wohin die Reise ging. Vom 1982 erschienenen, selbstbetitelten Debüt standen zahlreiche Stücke auf dem Programm, u.a. Wildest Dreams, Time Again, Here Comes The Feeling und Only Time Will Tell. Neben diesen eher pop-orientierten Stücken spielte das Quartett aber auch Material von Bands, in denen sie vor der Gründung von ASIA gespielt hatten. So gab es die YES-Nummer Roundabout, die durch EMERSON, LAKE & PALMER berühmt gewordene Fanfare For The Common Man (1942 von Aaron Copland komponiert), In The Court Of The Crimson King von den gleichnamigen Progrock-Urvätern sowie den BUGGLES-Hit Video Killed The Radio Star zu hören. Musikalisch versuchte die Band also einen Spagat zwischen Anspruch und Eingängigkeit, der bereits vor 25 Jahren umstritten war. So eckten härtere und verspieltere Passagen auch in Winterbach an, besonders weil die Rhythmusgruppe sehr dominant agierte. Carl Palmer bearbeitete sein Schlagzug mit voller Wucht, aber dennoch präzise, während John Wetton sich mehr auf den Gesang als auf sein Bassspiel konzentrierte. Vor Geoff Downes, der seitlich am Bühnenrand stand, stapelten sich allerlei Keyboards, die er nach allen Regeln der Kunst bearbeitete. Derartigen Aufwand hat Steve Howe nicht nötig. Wie ein Mark Knopfler des Progrock spielte er geschmackvolle Ausschmückungen mit seinen sechs Saiten. Sein Erscheinungsbild war zwar leicht irritierend. Aber wenn seine Finger über das Gitarrengriffbrett flitzten, blieb so manchem Musiker im Publikum der Atem weg. Passenderweise war der erste Höhepunkt des Auftritts Howes akustische Solonummer, in die er allerlei Boogie- und Blues-Fragmente einstreute. Auch der anschließende Schlenker zu sanfteren, melodiebetonteren Stücken erntete viel Applaus. Insgesamt waren die Reaktionen jedoch verhaltener als bei den HOOTERS. Bezeichnenderweise gab es gegen Ende des regulären Sets bei The Heat Goes On noch ein Schlagzeugsolo eingeschoben und das unvermeidliche Heat Of The Moment wurde fürs Ende des Zugabenblocks aufgehoben. So verbrachte man mehr Zeit mit Ausharren als mit Feiern. Immerhin spielten ASIA vor Heat Of The Moment eine hörenswerte Akustikversion von Don´t Cry, bei der Steve Howe zur Mandoline griff und Carl Palmer mit einem Tamburin bewaffnet über die Bühne spazierte. Ansonsten waren ASIA während des gut 100-minütigen Auftritts aber trotz aller spielerischen Finesse zu passiv, um auch nur ansatzweise an den grandiosen Auftritt der HOOTERS anknüpfen zu können.

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