THE OLD WIND: Feast On Your Gone

Große, grausame, biblische Symbolik: Der ehemalige BREACH-Frontmann Tomas Liljedahl lehrt uns das Fürchten. Und das Frieren. Und das Bluten.

Wenn ich morgens in diesem nun hinter uns liegenden Winter das Haus verließ und mal wieder meine Handschuhe vergaß, da waren die kommenden zweieinhalb Kilometer ins Büro sehr lange, denn der kalten Gegenwind schnitt mir gnadenlos ins Fleisch. Dieser Zustand zwischen heiß und kalt, dieser kalte, trockene Wind, der die Poren aufreißt und das Blut langsam durch die Haut sickern lässt, er sorgte dafür, dass meine Hände wie ein Trümmerfeld aussahen. Jeden verdammten Winter das Gleiche. Vielleicht ist es auch dieser Wind, der in Lulea, dieser gottverlassenen, kleinen Stadt im hohen Norden Schwedens weht. Sicherlich bläst er sogar länger und erheblich kräftiger als hier in Mitteleuropa. Die Seele erodiert da ebenso wie die Haut auf meinen Fingerknöcheln, wenn es mehr als die Hälfte des Jahres dort so kalt ist. Vielleicht will der Winter die Menschen auch gar nicht dort haben, vielleicht dürfen höchstens die wenigen Starken dort bleiben, bei dem Wind, der schon immer da war.

THE OLD WIND also. Ein Wetterphänomen, sogar eine Naturgewalt. Tomas Liljedahl, der ehemalige BREACH-Frontmann hat ein Album im Alleingang geschrieben und eingespielt und nennt es Feast On Your Gone. Große, grausame, biblische Symbolik. THE OLD WIND eben. Inspiriert von der Kälte seiner Umgebung und Liljedahls Inneren ist dieser doomige Post Hardcore- und Sludge-Bastard so knochentrocken und lakonisch, wie es nur von jemandem erschaffen werden kann, der über zehn Jahre lang keine Musik geschrieben hat. THE OLD WIND ist dennoch immer wieder voller bitterer Poesie, voller kleiner Lichtblicke, zumindest verglichen mit den monolithischen Riffs, die das Gesamtbild dieses Debütalbums bestimmen. Aber die Riffs, diese tonnenschweren, alles vereinnahmenden Riffs, diese ausnahmslos schleppenden Rhythmen und das gepeinigte Geschrei von Tomas Liljedahl, das dominiert fraglos in diesen fünfunddreißig Minuten.

Feast On Your Gone ist kurz, hat nur sechs Songs parat, aber das alles reicht, um den Hörer völlig auszulaugen. THE OLD WIND ist nicht befreiend, es ist vernichtend, es klingt wie eine Mischung aus SWITCHBLADEs 2003er Album in puncto Geschwindigkeit und Kollapse in Sachen Hass. Der Fatalismus, der von diesem Album ausgeht, ist kaum auszuhalten. Wären die Riffs nicht so mörderisch gut, wäre es nicht schön, den Gesang des BREACH-Frontmannes wieder einmal zu hören, dieses Album wäre in gewissen Situationen unerträglich. In seiner Simplizität, durch seine klaren Strukturen ist Feast On Your Gone ein erbarmungslos stimmiges und tonnenschweres Album geworden. Und trotzdem beeindrucken nicht alle Stücke gleichermaßen. Der Auftakt In Fields ist freilich ein gnadenloser Schlag ins Gesicht, der Song mit dem Titel The Old Wind zieht den Boden unter den Beinen weg, vor allem bei dem beinahe melodischen Schlussteil. Und wenn wir am Boden liegen, tritt Reign mit voller Wucht gegen den Solar Plexus.

Dazwischen gibt es zwar einige Momente, in Raveneye und Spears Of A Thousand um genau zu sein, die zwar aus genau den gleichen Zutaten, sogar inklusive Killerriffs bestehen, die aber nicht ebenso zwingend sind wie die starken Nummern des Albums. Vielleicht muss Liljedahl hier und da seine Form wieder finden, THE OLD WIND ist trotzdem ein beeindruckendes Album gelungen. Simpel, aber vernichtend, mit der typischen Handschrift, die wir sofort als die von BREACH wieder erkennen, die aber in einer anderen Sprache schreibt. Spannend ist Feast On Your Gone ohne Frage, vielleicht hätte ein wenig mehr Diversität nicht geschadet, vielleicht hätte das Album mit der jetzigen, vollen Besetzung aufgenommen werden müssen. Luft nach oben ist also noch vorhanden, THE OLD WIND lehren uns aber dennoch das Fürchten. Und das Frieren. Und das Bluten.

Veröffentlichungstermin: 19. April 2013

Spielzeit: 34:46 Min.

Line-Up:
Tomas Liljedahl – Guitar, Vocals
Niklas Quintana – Guitar
Robin Staps – Guitar
Kristian Andersson – Bass
Karl Daniel Lidén – Drums

Produziert von THE OLD WIND
Label: Pelagic Records

Homepage: https://www.facebook.com/TheOldWind

Tracklist:
1. In Fields
2. I´m Dead
3. Raveneye
4. The Old Wind
5. Spears Of A Thousand
6. Reign

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