BORKNAGAR: Empiricism

Da Metal keine Konstrukteurs-WM kennt, kann ich "Empiricism" Freunden epischer Metalsounds nur unter Vorbehalt empfehlen.

BORKNAGAR wissen auf vielfältige Weise zu beeindrucken, so zum Beispiel durch die konsequente Entwicklung weg vom Einheitsbrei im Black Metal hin zu einem ganz eigenen Klanguniversum, oder auch durch die technisch erhabene Leistung aller Beteiligten auf Empiricism. Vintersorg kann als neuer Frontmann viele Akzente setzen, seine einzigartige Stimme paßt sich gut ein in die stimmungsmäßigen Berg- und Talfahrten, indem er mal aggressiv kreischt/grunzt und mal mit seiner klaren Stimme alle verfügbaren Schauer zum Den-Rücken-runter-jagen antreten läßt. Drummer Asgeir Mickelson, der auch bei den Frickelkönigen SPIRAL ARCHITECT für abgefahrene Schagzeugbreaks sorgt, kann sich mittlerweile besser bei BORKNAGAR entfalten, als es noch bei Quintessence der Fall war. Sein Drumming dürfte zumindest im extremen Metalbereich zu den großen Glanzleistungen zählen. Alleine Inherit The Earth ist dafür schon Beweis genug. Schade nur, daß der schlappe Drumsound seinem energischen Spiel ein wenig den Wind aus den Segeln nimmt.

Prinzipiell also ein sehr gutes Album, wenn nicht bei genauerem Hinsehen bzw. -hören so einige Schwächen auftauchen würden. Denn alle technischen Fähigkeiten nützen wenig, wenn die Songs auf Dauer zu glatt und unspektakulär gehalten sind. Daran kann auch Vintersorg nicht viel ändern, er zaubert zwar einige wundervolle Melodien hervor, insgesamt ist das Songmaterial aber zu schwach, um ihm genug Platz zur vollen Entfaltung seiner Magie zu gewähren. Ödemarkens Son und Till Fjälls von seinem eigenen Projekt VINTERSORG sind da ganz andere Kaliber. Mastermind Oystein G. Brun leidet meinem Eindruck nach beim Songwriting ein wenig am Thomas Gottschalk-Syndrom. Wenn dieser einen Bekleidungsladen betritt, kommt in ihm frei nach Michael Mittermeier das Kleinkind durch, das alles auf einmal haben will, Hauptsache, es ist bunt. Und bunt durcheinandergewürfelt klingen auch viele der Lieder auf Empiricism: Schwarzwurzgehämmere und klirrende Riffs werden mit Hammondorgel und klassischen Pianoparts konfrontiert, einzig das epische Element zieht sich als roter Faden durch Songs wie Four Element Synchronicity und The Black Canvas. Der Albumtitel und der darin enthaltene krasse Gegensatz zu den von mir im romantisch verklärten Mystizismus angesiedelten Texten können dafür als Stellvertreter genannt werden. Mit kindlicher Unbekümmertheit wird die Widersprüchlichkeit der Texte und auch der verschiedenen musikalischen Zutaten in Kauf genommen, damit um jeden Preis ein hohes Maß an Eigenständigkeit vorhanden ist. Da Metal aber keine Konstrukteurs-WM kennt, kann ich Empiricism Freunden epischer Metalsounds nur unter Vorbehalt empfehlen.

Spielzeit: 50:08 Min.

Line-Up:
Oystein G. Brun – Gitarre

Vintersorg – Gesang

Jens F. Rylnd – Gitarre

Asgeir Mickelson – Schlagzeug

Lars A. Nedland – Synthies

Tyr – Bass

Produziert von Borge Finstad
Label: Century Media

Homepage: http://www.borknagar.com

Tracklist:
The Genuine Pulse

Gods Of My World

The Black Canvas

Matter & Motion

Soul Sphere

Inherit The Earth

The Stellar Dome

Four Element Synchronicity

Liberated

The View Of Everlast

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