SANKT OTTEN: Gottes Synthesizer

Haben SANKT OTTEN die Liebe entdeckt? Ja, aber nur die Liebe zu modularen und analogen Synthesizern.

Da werden sie zu Romantikern! 480 Pixel, die ich an dir liebe, eine schönere Liebeserklärung hat noch kein Nerd seiner Herzdame abgegeben. Haben SANKT OTTEN die Liebe entdeckt? Ja, aber nur die Liebe zu modularen und analogen Synthesizern. Vielleicht kommt deshalb schon anderthalb Jahre nach Morgen wieder lustig ein neues Album der beiden Osnabrücker Helden, und vielleicht dauert es deshalb deutlich länger als das Vorherige. In über siebzig Minuten und in dreizehn Songs entstehen mal spacige, mal sehr krautige Ausflüge in bizarre Galaxien: Mal ist es ausufernd und repetitiv, mal ist es kurz und knackig, mal ist es gewitzt und mit einem Augenzwinkern versehen, mal ist es traurig und dramatisch.

Im Vergleich zu ZOMBI sind SANKT OTTEN dank dem E-Schlagzeug ziemlich an die Achtziger, statt an die Siebziger angelehnt, teilweise tritt dieses Element aber doch ziemlich in den Hintergrund. Fast neu ist auch gebraucht überrascht mit ganz leisen, weichen Beats, über die sanfte, flächige Synthesizer gelegt werden und bei denen immer wieder eine gespenstische Gitarrenmelodie auftritt. Ebenso hypnotisch ist das dreizehnminütige Titelstück, das über eine schier unendlich lange Zeit wiederholt wird und den Hörer dann in einem wunderschönen, leisen Finale erlöst. Gerade hier übertreiben es SANKT OTTEN leider ein wenig mit den Längen, hier wäre etwas weniger mehr gewesen. Doch dank 480 Pixel, die ich an dir liebe – meine Frau sagt, es klingt wie ein Spaziergang durch eine Höhle, in der es in vielen Farben glitzert -, den semi-Discokrachern Diesseits vom Jenseits und Ich verlasse mich selbst, dem nah am Trip Hop angesiedelten Der Schatten kann trügen, dem freundlich-warmen Die Welt ist ja nicht zum Aushalten und Thom Yorkes letzte große Liebe, das geheimnisvoll und atmosphärisch klingt, gibt es nicht nur ein hervorragendes Gespür für schöne Songtitel, sondern viel mehr auch für schöne Arrangements und abwechslungsreiches Songwriting. Das heißt, dass sich fast jeder Song vom Rest ein wenig abhebt, Langeweile kommt auf Gottes Synthesizer so gut wie nicht vor.

Die Stilkorrektur ist bemerkbar, hält sich dennoch in Grenzen. Der krautige Synthesizer-Rock gibt immer noch den Stil an, aber auf ihrem fünften Album agieren SANKT OTTEN deutlich spezialisierter. Dazu passt es auch, dass musikalisch wie instrumental hohes Niveau dargeboten wird – weniger durch Vituosität, statt durch Reduktion. Weder Stephan Otten noch sein Partner in crime Oliver Klemm müssen uns irgendetwas beweisen, viel mehr sind sie ein eingespieltes Team, wo der Eine den Anderen aus dem Effeff kennt und somit das zuhören schon eine wahre Freude ist. Das mit schönen Bildern von Salusitano Garcia Cruz verzierte Album Gottes Synthesizer ist vielleicht keine göttliche Offenbarung, aber es ist ein spannendes, vielseitiges, liebevolles und ungewöhnliches Album für Synthesizer-Nerds, das auch trotz ein paar Längen tief unter die Haut geht. Wirklich weh tun diese kleinen Mäkel nicht, denn wenn der Hörer in seinem Hauseigenen Planetarium liegt und nach Feierabend einundsiebzig Minuten und einundzwanzig Sekunden lang seine Lieblingssternbilder betrachtet, gibt es kaum einen besseren Soundtrack dazu.

Veröffentlichungstermin: 29. Juli 2011

Spielzeit: 71:21 Min.

Line-Up:

Stephan Otten – Drums, Programming, Synthesizers
Oliver Klemm – Guitars, Bass Guitar, Synthesizers

Label: Denovali Records

Homepage: http://www.sanktotten.de

Mehr im Netz: http://www.myspace.com/sanktotten

Tracklist:

1. 480 Pixel, die ich an dir liebe
2. Eine wartet immer
3. Diesseits vom Jenseits
4. Ich verlasse mich selbst
5. Fast neu ist auch gebraucht
6. Halleluja, German Angst
7. Wir sind deine Propheten
8. Gottes Synthesizer
9. Der Schatten kann trügen
10. Die Welt ist ja nicht zum aushalten
11. Sternstunden der Resignation
12. Thom Yorkes letzte große Liebe
13. Das Ende vom Lied

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